Gäste-Bewertungen – Fluch oder Segen?

Mit der Demokratisierung des Wissens durch das Internet ist jeder Gast zum potenziellen Hotelkritiker geworden. Das bietet Chancen und Risiken gleichermassen. 

Das Internet hat das Wissen demokratisiert. War es noch bis in die Anfänge der 2000er-Jahre nur einem Zirkel aus Journalisten und Verlagen vorbehalten, «Wissen» zu verbreiten, so kann nun jeder mit einem Internetzugang Informationen zu allen Ecken des Globus schicken. Die Zahlen sind gewaltig. Etwa 5,4 Milliarden Menschen haben Zugriff aufs World Wide Web, was knapp 70 Prozent der Weltbevölkerung entspricht. Für die Tourismus- und Hotelleriebranche bedeutet das: Jeder Gast ist potenzieller Hotelkritiker, Restauranttester oder Hospitality-Experte. Dass die Beurteilungen von Gästen in der Mehrheit der Fälle subjektiv sind und nicht auf fach­liche Kompetenz fussen, versteht sich von selbst. Dennoch sind Online-Kommentare mittlerweile wichtiger geworden als Erwähnungen in Reiseführer, Magazinen und Co. Auch wenn verschiedene Studien zu leicht unterschiedlichen Zahlen kommen, einen Konsens gibt es: Über 90 Prozent der Menschen lesen Online-Bewertungen und lassen sich bei der Kaufentscheidung davon beeinflussen – im Positiven wie im Negativen. 

Negative Bewertungen mit grossem Einfluss
Dabei haben negative Kommentare einen grösseren Einfluss auf die Kaufentscheidung als positive. Schon wenige kritische Stimmen können potenzielle Kunden abschrecken. Um negative Kommentare auf den gängigen Beurteilungs- und Buchungsplattformen aus­zugleichen, braucht es vor allem eines: Masse. Viele positive Bewertungen und Sterne-Vergabe sind nötig, um eine kritische Stimme auszugleichen und Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Studien zeigen auch, dass Gäste bei negativen Kommentaren insbesondere auf die Antwort des Unternehmens achten. Keine Antwort auf Negatives ist ein «No-Go» und zerstört Vertrauen.

Bedeutung der Bewertungsmoderation
Deswegen ist in der Hotellerie die Moderation von negativen Beurteilungen mittlerweile zu einem zentralen Bestandteil der (Online-)Marketingstrategie geworden.

«Die Rolle der Bewertungsmoderation innerhalb unserer Marketingstrategie ist nicht zu unterschätzen. Mit einer verantwortlichen Person, die täglich alle Bewertungen prüft und auf negative wie auch positive Rückmeldungen reagiert, demonstrieren wir unser Engagement für Transparenz und Kundenzufriedenheit», so Konstanze Huber vom Gstaaderhof, dem Aktiv und Relax Hotel in Gstaad BE.

Wie wichtig die persönliche Rückmeldung gerade bei negativen Bewertungen ist, zeigt das Grand Hotel Zermatterhof, bei dem die Beantwortung zur Chef­sache erhoben wurde. 

«Negatives Gästefeedback moderiere ich persönlich», so General Manager Markus Marti. «Ich versuche ­herauszufinden, welcher Gast negatives Feedback gegeben hat, und überprüfe dieses auf unangemessene Inhalte. Ziel ist es, eine faire und vertrauenswürdige Umgebung für Benutzer und Gäste zu schaffen, um ihre Meinung und Erfahrung zu teilen.»

Bei allen von uns befragten Hotels ist der Umgang mit Feedback ein integraler Bestandteil der (Online)-Marketingstrategie. Und ebenso wie das Online­marketing nicht mehr nur «nebenher» abgewickelt werden kann und eine Strategie benötigt, so folgt auch die Moderation des Feedbacks einem strukturierten Ablauf. So wie beispielsweise im Hotel des Horlogers im Vallée de Joux.

«Wir haben Protokolle eingeführt, die es uns ermöglichen, zu identifizieren und zu priorisieren, was wir verbessern müssen. In jedem Fall bedanken wir uns bei den Gästen, die uns die weniger positiven Aspekte ihres Aufenthalts mitteilen, und leiten Verbesserungsmassnahmen mit den zuständigen Abteilungen ein», so Direktor André Cheminade. 

Beurteilungen als Chance nutzen
Das Zauberwort heisst «Verbesserungsmassnahmen». Obwohl negative Bewertungen die Gefahr beinhalten, mögliche Kunden abzuschrecken, bieten sie eine ­Analyse der Hotelqualität in Echtzeit (nachdem man Feedbacks von subjektiv-individuellen Meinungen bereinigt hat). Stephane Compagnon vom Hotel Mona Montreux, das ehemalige Eurotel: «Wir stützen uns sehr stark auf Feedbacks, um die Schwierigkeiten zu lösen, mit denen unsere Kunden konfrontiert sind. Insbesondere negative Kommentare sind eine Chance, das Angebot und den Service des Hotels zu verbessern. Die grundlegenden Trends, die man in den Feedbacks ablesen kann, darf man nicht ignorieren.»

Online-Bewertungen, die von jedermann für jedermann verfasst werden, sind Risiko und Chance zu­­gleich. Markus Marti vom Zermatterhof: «Insgesamt können Online-Bewertungen sowohl ein Segen als auch ein Fluch für die Hotellerie sein. Während sie den Verbrauchern Transparenz bieten und den Hotels wertvolles Feedback liefern können, bestehen auch Risiken wie Manipulation und übermässiger Einfluss auf das Geschäft. Es liegt an den Hotels, eine ausge­wogene Herangehensweise zu finden, um das Beste aus dieser Form des Gästefeedbacks zu machen.» 

 

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