Nationalrat macht Pirouette für koordinierten touristischen Verkehr

Verwirrung, Unklarheit und Irritation im Nationalrat. Und am Schluss gewinnt der Antrag der Minderheit die Mehrheit. Der Bundesrat hat den Auftrag erhalten, den touristischen Verkehr zu koordinieren. Eine kleine parlamentarische Sternstunde in einer kleinen touristischen Debatte.

Hilmar Gernet


Philipp Bregy lancierte die erfolgreiche

Pirouette im Nationalrat.









Für den Ständerat war die Sache in der Wintersession klar. Mit 34 gegen 5 Stimmen beauftragte er den Bundes­rat, als Erstrat eine «Koordi­nation zur Förderung des öffentlichen Ver­kehrs für den Tourismus» in die Hand zu nehmen. Er stimmte damit der Forderung zu, wie sie die Walliser Ständerätin Ma­rianne Maret (Mitte, VS) in ihrer Motion «Touristischer Verkehr. Ein vernachläs­sigter Bereich im öffentlichen Verkehr?» formuliert. Bundesrätin Simonette Som­maruga hatte im Ständerat empfohlen, die Motion abzulehnen.


An- und Abreise mit öV

Das Ziel ihres Vorstosses begründet Stän­derätin Maret: «In der Schweiz ist die Anbindung an den öffentlichen Verkehr insgesamt gut, und es gibt noch grosses Potenzial, mehr Touristinnen und Touris­ten dazu zu bewegen, die öffentlichen Ver­kehrsmittel zu nutzen.» An­ und Abreise mit dem öV soll in den touristischen Des­tinationen künftig noch mehr genutzt werden. «Durch gemeinsame Projekt aus­schreibungen» zur Schaffung einer Koordi­nationsstelle, so die Motion, «könnten unterschiedliche Zielgruppen gemeinsam mobilisiert werden und bedeutende Im­pulse für Innovationen im Bereich des tou­ristischen Verkehrs gegeben werden.»


Während dieses Anliegen im Ständerat na­hezu unbestritten war, präsentierte sich die Situation im Nationalrat ganz anders. In der Sondersession (von 2. bis 4. Mai) stand die Koordination des öffentlichen Verkehrs zugunsten des Tourismus auf der Kippe.


«Nutzlos» und «unklar»

Als derzeit «nutzlos», bezeichnete Kurt Fluri (FDP, SO), Sprecher der vorberaten­den Kommission für Verkehr und Fern­meldewesen (KVF) im Nationalrat, die Forderung der Motion im Nationalrat. Der Bundesrat habe vom Parlament bereits den Auftrag, zu untersuchen, «inwieweit eine nationale Strategie für eine bessere Er­schliessung der Tourismusregionen durch den öV angezeigt» sei. Zudem, so Fluri, sei die Absicht der Motion «unklar».


Verwirrung bei der Abstimmung

Tatsächlich sorgte das Geschäft bei der Abstimmung im Nationalrat für Verwir­rung. Doch der Reihe nach. Der Empfeh­lung von KVF­Mehrheit (Kurt Fluri), Bun­desrat und SVP­Fraktion folgend, wurde die Motion Maret mit 73 gegen 85 Stimmen (9 Enthaltungen) abgelehnt. Das Resultat irritierte die Grünen. Ihre Fraktionsprä­sidentin, Aline Trede (BE), beantragte eine Wiederholung der Abstimmung: «Es ist eine einfache Erklärung. Wir hatten eine Verwirrung, und einige haben nicht so gestimmt, wie sie eigentlich stimmen woll­ten.» Der Ordnungsantrag wurde mit 177 gegen 1 Stimme angenommen. Die Abstim­mung wurde wiederholt.


«Schlichte und einfache Frage»

Jetzt schlug die Stunde für die Argumente der achtköpfigen Minderheit, die von Philipp Bregy (Fraktionschef Mitte, VS) angeführt wurde. Er hatte bereits in der Debatte Kollege Fluri widersprochen und sich für die Motion Maret starkgemacht. Das Argu­ ment der Nutzlosigkeit entkräftete Bregy mit dem Hinweis, dass zwar schon «Hin­tergrundinformationen» gesammelt wür­den, ohne dass aber klar sei, was damit geschehen soll. Nicht gelten liess er auch den Vorwurf, die Forderung der Motion sei «unklar». Er konterte mit dem Hinweis, die Entscheidung über die Art und Weise der Koordination liege beim Bundesrat. «Ob das schlussendlich in einem Gremium, in einem Projekt oder in einer anderen Form der Koordination endet, das ist in der Motion nicht definiert. Zu guter Letzt hat der Bundesrat die Möglichkeit, dies bei der Umsetzung der Motion zu entscheiden.»


Die Abstimmungsfrage, die der National­rat zu entscheiden habe, brachte Bregy auf den Punkt: «Die Frage ist schlicht und ein­fach: Wollen wir im öffentlichen Verkehr im Bereich des Tourismus koordinieren und damit auch fördern, oder wollen wir das nicht?»


Zweiter. Anlauf: Minderheit gewinnt Mehrheit

Die Minderheit rund um Philipp Bregy – Matthias Aebischer (SP, BE), Florence Brenzikofer (Grüne, BL), Martin Candinas (Mitte, GR), Marco Romano (Mitte, TI),

Simon Stadler (Mitte, UR), Isabelle Pas­quier­Eichenberger (Grüne, GE), Valérie Piller Carrard (SP, FR) – drehte in der zwei­ten Abstimmung das Resultat. Durch die Pirouette der Grünen wurde die Motion mit 96 gegen 84 Stimmen (4 Enthaltungen) angenommen. Der Bundesrat hat nun den Auftrag, ein Mandat zu erteilen, um den touristischen Verkehr in der Schweiz zu koordinieren. So sollen mehr Touristen dazu bewegt werden, vermehrt öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, und «dadurch zu einem klimaschonenderen Verhalten beitragen».





Linke Spalte von oben

nach unten: Matthias

Aebischer (SP, BE),

Florence Brenzikofer

(Grüne, BL), Martin

Candinas (Mitte, GR).


Rechte Spalte von

oben nach unten:

Marco Romano (Mitte,

TI), Simon Stadler

(Mitte, UR), Isabelle

Pasquier-Eichenberger

(Grüne, GE), Valérie

Piller Carrard (SP, FR).

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