Palace und Lodge – in Villars schliesst sich der Kreis wieder

Die «Villars Lodge» gehört zu einer interessanten neuen Hotelgruppe im
Waadtländer Ferienort. Jean-Yves Blatt, einer der renommiertesten Schweizer Hoteliers, schaut hier zum Rechten. Die «Lodge» erinnert ihn an seine Kindheit.

Die Wintersonne hat sich verabschiedet, es herrscht Feierabendstimmung in Villars-sur-Ollon. Ganz un­­­­terschiedliche Arten von Gästen lassen es sich in der beeindruckenden Halle der «Villars Lodge» gutgehen. In den Lounge-Ecken sitzen Familien an kleinen Tischen. Rund um die Bar geben Skilehrer den Ton an. Bier und Weisswein fliessen, der Barmann mixt Cocktails im Akkord. Die Bar bildet eine viereckige Insel in diesem ungewöhnlich hohen Raum, in dem alles ineinander zu fliessen scheint. Im Restaurant, das von einer Showküche flankiert wird, treffen die ersten Abendgäste ein. Bald wird es nach geschmolzenem Käse riechen. Das Licht hier ist jetzt gedimmt. Die fünf Balken unter der alten Holzdecke verblassen zur Silhouette. «Bei uns herrscht eine unkomplizierte Ambiance», sagt Sébastien Platroz. Seit November 2022 führt er zusammen mit seiner Partnerin Reyna Sukkar das Drei-Stern-Hotel mit den 57 Zimmern und drei Apartments. Die beiden hatten sich im «W Hotel» in Verbier kennen und lieben gelernt. Noch nicht mal 30 sind sie, die beide aus Frankreich stammen, und nun ein Hotel und eine 15-köpfige Crew managen. «Wir konnten Mitarbeitende rekrutieren, die die gleiche Passion verspüren wie wir», sagt Sébastien, «das macht es einfacher. Und Reyna und ich unterstützen uns gegenseitig.»



Man ist schnell per Du
Die Interaktion zwischen Gästen und Personal gestaltet sich unkompliziert. «Beim Einchecken spreche ich die Leute, die das erste Mal hier sind, mit Familiennamen an, aber schnell kommt das Du», so Reyna. Kein Wunder, die Klientel ist jung, Familien mit kleinen Kindern, Wintersportlerinnen in den Zwanzigern, Gruppen, gar Schulen. Viele Ro­­mands, auch Franzosen, Belgier und Leu­­te aus dem UK. «Und beim Apéro sehen wir viele Einheimische an der Bar», so Reyna.

Von den Balkonen der nach Süden ausgerichteten «Lodge»-Zimmer bewundert man die Zacken der Dents du Midi, davor ein kleiner Park und das «Villars Palace». «Der schönste Blick», schmunzelt Jean-Yves Blatt. Der 59-Jährige wechselte im ­vergangenen November von Andermatt nach Villars, vom «Chedi», das er acht Jahre sehr erfolgreich als General Manager geführt hatte, zur Gruppe Villars Alpine Resort (VAR). Blatt ist hier CEO und gleichzeitig General Manager des Vorzeigehauses «Villars ­Pa­­lace». Neben dem Fünf-Sterne-Plus-Hotel um­­fasst das Portfolio das «Victoria Hotel & Residence» mit vier Sternen und die «Villars Lodge». Das «Chalet RoyAlp», ebenfalls ein Fünf-Stern-Haus, wird in den nächsten Monaten endgültig in die Gruppe mit dann insgesamt 411 Zimmern integriert. Das «RoyAlp» ist Eigentum des Genfers Marco Dunand, der in Villars ein Chalet besitzt und tiefe Zuneigung zur Region empfindet. Die drei andern Häuser befinden sich ge­­­meinsam im Eigentum des lokalen Privatschulbesitzers Jérôme de Meyer und von Dunand. «Marco wollte dem Verfall des Flaggschiffs von Villars nicht tatenlos zusehen», erzählt Blatt.



Reich geworden im Rohstoffbusiness
Die «Bilanz» schätzt das Vermögen von Dunand und Jaeggy auf 2,5 bis 3 Milliarden Franken. Zuletzt hatten das «Palace» und die «Lodge» unterschiedliche Eigentümer. Nun schliesst sich der Kreis: 1870 war die Lodge als Dépendance des «Palace»-Vorgängerhotels eröffnet worden. Das bescheidene Haus fungierte als Unterkunft für Kutscher, Zofen und andere Bedienstete, die den Schönen und Reichen in den Ferien beistehen mussten.

Klammheimlich hat sich in Villars eine formidable Hotelgruppe gebildet. Was Dunand und de Meyer investierten, bleibt ihr Ge­­heimnis. Sie holten Blatt an Bord, um aus vier Hotels eine funktionierende Gruppe mit professionellen Strukturen zu machen, einem schlagkräftigen Backoffice, sinn­vollen Synergien und einem effektiven Marketing. Während die zukünftige Ausrichtung des «Chalet RoyAlp» offen bleibt und die «Villars Lodge» sowie das auf Nach­haltikeit getrimmte «Victoria» gut positioniert sind, steht im «Villars Palace» noch viel Arbeit an. Jean-Yves Blatt möchte Tradition und Lifestyle verheiraten, mit kul­turellen Events im hauseigenen Grand Théâtre neue Kundschaft anlocken und ge­­nerell das Level heben: «Im Sommer wollen wir uns um die Mitgliedschaft bei Leading Hotels of the World bewerben», sagt der General Manager. «Dafür müssen wir die entsprechenden Standards implementieren. Solange die Wintersaison läuft, können wir aber nicht alles auf den Kopf stellen.» Der Palast, der bis vor einigen Jahren ein Club Med war, wurde umfassend renoviert, einzig die erste und zweite Etage brauchen eine Auffrischung. Blatt: «Das Potenzial ist riesig. Das Haus hat enorm viel zu bieten und wir werden es nun auch in der Deutschschweiz bekannter machen.» 

Lodge läuft hervorragend
Während die Jahresauslastung im Flaggschiff die Erwartungen noch nicht erfüllt, läuft die 2019 wiedereröffnete «Villars Lodge» hervorragend. 

Das rustikale Drei-Sterne-Haus zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

1. Absolute Flexibilität: Zimmerreinigung on demand
Die Kriterien der «Lodge»-Kategorie be­­freien den Betreiber von manchen Zwängen. Die Zimmer müssen nur einmal pro Woche gereinigt werden. «Wer aber das ‹Yes-Now›-Schild vor die Tür hängt, kriegt auch zwischendurch eine Reinigung», sagt Sébastien. «Und weil wir ausser einem Skiraum keine grosse Infrastruktur im Haus haben, können wir uns auf das Wesentliche fokussieren: Zimmer, Gastronomie und natürlich die Gäste.»

2. Essen: Neben Fondue auch Tapas 
Anfangs hatte man die Gäste überschätzt und füllte etwa zum Frühstück eine Vitrine mit 20 Käsesorten. «Das klappte nicht», sagt Reyna, «jetzt gibt es noch drei verschiedene Käse. Und alle sind zufrieden.» Im Restaurant wird Nahrhaftes wie Fondue, Raclette, Käseschnitte, Rösti oder Geschnetzeltes serviert. Abends in zwei Schichten. «Spätestens auf die Sommer­saison hin werden wir das kulinarische Konzept anpassen und eine lifestylige Tapas-Auswahl anbieten», kündigt Jean-Yves Blatt an.

3. Schlafen auch mit kleinem Portemonnaie
Wer wenig Geld hat, bucht in der «Villars Lodge» eines der acht Economy-Single-Zimmer mit acht Quadratmetern, WC und Bad auf Etage. Insgesamt finden sich acht Zimmertypen, Doppelstockbetten für Kids und die Möglichkeit, unterschiedliche Unterkünfte zu Familiensuiten zu kombinieren. Die Zimmer beherbergen Betten, Schrank, Schreibtisch, TV-Screen und mit Ausnahmen Nasszelle. Am Kopfende des Bettes sorgt ein graues Kunstfell für Lodge-Grove. Stauraum für Skikluft und Gepäck ist genügend vorhanden.

Jean-Yves Blatt, der die exklusive Hotelwelt im «Lausanne Palace», im «Park» in Gstaad und im «Chedi» in Andermatt erlebte, verhehlt nicht, dass er für die «Villars Lodge», das niedrigsternigste Objekt im Portfolio, besondere Sympathie empfindet: «Meine Eltern führten in Rougemont, 40 Luftkilometer von Villars entfernt, eine bescheidene Pension. Als Bub empfing ich die Gäste und legte überall Hand an, wo man mich brauchte.»

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