Die Frau, die besondere Momente kreiert

Die Frau, die besondere Momente kreiert

Justine Pyott kam als Quereinsteigerin in die Hotellerie. Sie fühlt sich frei, zusammen mit ihrem Mann Jan im Glacier in Grindelwald neue Wege zu gehen.

Als begeisterte Basejumperin schreckt sie vor dem freien Fall nicht zurück. Da passt es, dass sich Justine Pyott zusammen mit ihrem Mann Jan 2018 in die Aufgabe stürzte, das Hotel Glacier in Grindelwald zu eröffnen und als ausser­gewöhnliches Vier­Sterne­Superior­Haus im Markt zu etablieren. Netz und doppelter Boden? Fehlten weit­gehend …

«Wir waren Quereinsteiger. Mein Mann hatte das Wirtepatent gemacht, aber eine Hotelfachschule hat­ten wir nicht besucht.» Fünf Jahre, die Geburt von Charlie (2) und James (1) und eine Pandemie später: Das Glacier ist so gut gebucht, dass Justine Pyott einen weiteren «sehr herausfordernden Sommer» er ­wartet.






«Wir bieten unsern Gästen das Besondere und feiern gerne mit ihnen», sagt die 32­Jährige. «Nicht umsonst sind wir sehr erfolgreich im Geschäft mit Geburts­tagsfeiern, Hochzeiten und Honeymoons.» ibex fair­stay hat das 28­Zimmer­Haus mit der Platinum­ Auszeichnung für Nachhaltigkeit geadelt. Die Künste des abgetretenen Küchenchefs Robert Steuri waren GaultMillau 15 Punkte wert. Mit Paul Cabayé, der sich in Crissier einen Namen gemacht hat, steht ein viel­versprechender Nachfolger am Herd.


Von der Eurovision nach Grindelwald

Der Weinkeller ist über die Region hinaus berühmt, die Gästebewertungen lassen keine Zweifel offen. Und all das unter dem Regime von zwei Branchen­neulingen. Beide hatten zwar Wirtschaft studiert, mit der Hotellerie sonst aber wenig am Hut gehabt. Der Bieler Jan Pyott war Profitriathlet, Justine, ge­bürtige Französin, arbeitete bei der Eurovision in Genf. 2009 kam sie erstmals nach Grindelwald, ab 2010 weilte sie regelmässig zum Basejumping im Lauterbrunnental.


«Ich spürte bald: Hier will ich bleiben», sagt die Vielbeschäftigte. Ab 2012 war Justine bei Mürren Tourismus und bei Grindelwald Tourismus tätig. «Dank meinem Job als Verantwortliche für Sport und Events knüpfte ich ein Netzwerk im Berner Oberland, das mir den Einstieg ins Hotelgeschäft erleichterte.» Die Pyotts haben das renovierungsbedürftige Glacier gekauft und nach allen Regeln der Kunst umgestaltet. «Klein und fein», nennt Justine Pyott ihr Bijou.


Im Boutique­Hotel ist die Aufgabenteilung beim Chefehepaar relativ klassisch. Er ist für F&B, den Weinkeller und den Unterhalt und die Technik zu­ ständig, sie für das HR, das Marketing und die schö­nen Dinge. «Ich bin zwar selber nicht sehr kreativ, habe aber ein gewisses Faible für Design und Innen­einrichtung. Und mir gefällt es, für die Gäste unver­gessliche Momente zu schaffen», sagt Justine Pyott.

Frühstücken im Whirlpool, Eiger inbegriffen

Im vergangenen Jahr stattete man im Glacier die Terrassen von fünf Suiten mit Whirlpools aus. «Float­ing Breakfast» heisst der besondere Moment, wenn zwei Verliebte im Sprudelwasser sitzen, vor sich ein schwimmendes Brett mit dem Frühstück. «Natürlich ist der freie Blick auf den Eiger im Package inbegrif­fen», schmunzelt Justine.


Hand aufs Herz: Wie kam sie, die mittlerweile gut Deutsch (mit niedlicher Schwiizerdütsch­Färbung) spricht, bei der Crew an? «Oh, einige ältere Mitar­beitende hatten zu Beginn etwas Mühe mit meinem Führungsstil», sagt die Hotelière. «Respekt und Kom­munikation sind für uns das Wichtigste, intern und im Umgang mit den Gästen.» Sie selber führe mit


Empathie, überlasse den Mitarbeitenden Verantwor­tung und eine gewisse Freiheit. «Bei uns läuft es ein wenig anders als in einem über Jahrzehnte gewach­senen Betrieb. Wir hatten den Vorteil, auf keinerlei Strukturen Rücksicht nehmen zu müssen.»


Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Ob «Glacier», «Bergwelt» oder «Fiescherblick»: In Grindelwald hat sich viel getan in der Hotellerie. «Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft», glaubt Justine Pyott. «Die Betriebe beflügeln sich gegenseitig, das macht die Destination stark.» Jan und Justine basteln munter mit an der Grindelwaldner Hotel­zukunft: Bis 2025 wollen sie ihr zweites Haus eröffnen: Das «Grindelhuus» wird den Wald und die Farbe Grün zelebrieren. Im Glacier, nomen est omen, sind es das ewige Eis und die passende Farbe Blau.


Weitere intensive Jahre kommen auf die Mutter und Hotelière Justine zu. «Wir arbeiten hart und mit Herz­blut», sagt die Frau, die eigentlich nur eins bedauert: Dass sie keine Zeit mehr hat, der Leidenschaft früherer Jahre zu frönen, dem Fallschirmspringen.

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