Die Anstellung im Stundenlohn ist nur vermeintlich «günstig»

In Branchen, in denen Arbeiter flexibel einsetzbar sein müssen, neigt man zur Anstellung von Stundenlohnangestellten. Entsprechend haben fast alle Betriebe in der Hotellerie oder Gastronomie einen Teil von Mitarbeitern, die im Stundenlohn bezahlt werden. Allerdings sind damit häufig falsche rechtliche Vorstellungen verbunden. Denn Angestellte im Stundenlohn haben die genau gleichen Rechte wie im festen Pensum angestellte Mitarbeiter.


Vor Jahrzehnten arbeitete meine Mutter aushilfsweise im Service der «Linde» in Doppleschwand. Der Chef, Franz, rief jeweils am Donnerstag oder Frei­tag an und fragte Bertha, ob sie am Samstag entweder am Mittag beim Essen einer Trau­ergesellschaft oder dann am Abend bei einer Hoch­zeitsfeier arbeiten könne. Sie hatte die Wahl, Ja oder Nein zu sagen. Ab gerechnet wurden dann jeweils die Stunden, die Bertha effektiv arbeitete. Dieses Modell ist noch heute nicht falsch und rechtlich unproble­matisch. Auf der Lohnabrechnung muss einfach der Stundenlohn sowie der Zus chlag von 10,65 % für Ferien und 8,33 % für Feiertage sowie der 13. Monats­lohn von 8,33 % auf dem Gesamtbetrag ausgewiesen sein.


Ferien nicht mit Geld abgelten

Allerdings gibt es viele Betriebe, die nicht nur die sporadischen Aushilfen im Stundenlohn beschäfti­gen, sondern auch die Teilzeitmitarbeiter, die ziem­lich regelmässig und in einem grösseren Pensum arbeiten. Bei diesen Mitarbeitern lauern rechtliche Gefahren, die schnell teuer werden können. Nach Art. 329d Abs. 2 OR dürfen Ferien grundsätzlich nicht mit Geld abgegolten werden. Das bedeutet, dass Arbeit­ geber die Pflicht haben, Mitarbeiter fünf Wochen pro Jahr in die Ferien zu senden und in dieser Zeit den üblichen Lohn zu be zahlen. Diese Norm ist zwin­gend.


Das Bundesgericht betrachtet die Sache beschränkt pragmatisch: Nur wenn es sich um sehr kurze Einsätze handelt oder aber wenn sehr unregelmässig im tiefen Pensum gearbeitet wird, erlaubt es die Auszahlung des Ferienlohns auf dem Stundenlohn. Allerdings muss der Ferienlohn separat im Vertrag und in der Lohn abrechnung ausgewiesen werden. In den Fällen je doch, in denen eine ausländische Aushilfe in der Lin­gerie regelmässig eingeplant wird und dann während ihres Heimataufenthalts keinen Lohn erhält, riskiert die Arbeitgeberin, dass sie den Ferienlohn nachzahlen muss. Mir ist natürlich klar, dass dies in den wenigsten Fällen zu Problemen führt. Denn es gilt ja immer noch der Grundsatz: «Wo kein Kläger, da kein Richter.» Aber nochmals, damit es klar ist: Wenn eine solche Situation vom Gericht beurteilt werden muss, gibt es keine zwei Meinungen. Regelmässig eingesetzte Mitarbeiter im Stundenlohn müssen auch während ihren Ferien Lohn erhalten.


Martin Schwegler, lic. iur. / RA

Der Autor dieses Beitrags ist seit 1994 Dozent für Arbeitsrecht an der SHL Schweizerische Hotelfachschule Luzern. Hauptberuflich ist er in der von ihm gegründeten Anwaltskanzlei Schwegler & Partner Rechtsanwälte und Notare AG in Menznau (LU) tätig. 2020 hat er die correct.ch ag gegründet, die arbeits rechtliche Dienstleistungen für die Hotel- und Gastrobranche anbietet. Ein Produkt der Firma ist «correctTime», eine Zeiterfassung, die nach L-GAV und ArG korrekt rechnet.


Gleiche Rechte

Arbeitgeberseits ist die falsche Sichtweise verbreitet, dass die Rechte der Stundenlohnangestellten anders sind als die der fest angestellten Mitarbeiter. Doch ers­tens haben auch Stundenlohnangestellte Anspruch auf Lohn, wenn sie geplante Einsätze wegen Krankheit oder Unfall verpassen. Zweitens muss man Mitarbei­ter, die man in den letzten Jahren immer in einem gewissen Pensum einsetzte, immer in diesem Umfang beschäftigen. Es ist rechtlich nicht möglich, Stunden­lohnangestellte einfach weniger als gewohnt oder gar nicht zu beschäftigen, ohne dass man nicht kündigt bzw. eine neue Vereinbarung trifft. Drittens darf man Stundenlohnangestellte nicht einfach entgegen der Planung zu Hause lassen in der Meinung, man schulde dann keinen Lohn. Beim sogenannten Arbeitgeber­verzug schuldet man den Lohn immer (Art. 324 OR).


Fixes Pensum kann billiger sein

In der Praxis sieht man öfters, dass Mitarbeitern Dut­zende von Arbeitsstunden pro Monat im Stundenlohn bezahlt werden. Sie erhalten dann zusätzlich zum Basislohn die Entschädigungen für Ferien, Feiertage und 13. Monatslohn. Dass dies wegen den Ferien ein rechtliches bzw. finanzielles Risiko ist, wurde oben ausgeführt. Aber es ist auch ökonomisch nicht zwin­gend klug. Eine Vollzeit angestellte Person arbeitet im Regelfall pro Jahr theoretisch 1929 Stunden, weil ja nicht 52 Wochen 42 Stunden gearbeitet wird, sondern sie noch Ferien und Feiertage bezieht (365 : 7 × 42 = 2190 – 5 × 42 h Ferien – 6 × 8,4 h Feiertage). Teil zeit mit­arbeiter mit 965 Stunden Arbeit pro Jahr arbeiten fak­tisch 50 Prozent.


Würde man eine solche Person fix zu einem Pensum von 40 Prozent anstellen und die zehn Prozent Mehr­stunden darüber hinaus als faktische Überstunden bezahlen, würde man Geld sparen. Denn auf den Über­stunden sind weder Ferien­ noch Feiertageentschä­digung geschuldet, und wenn man die Mehrstunden unregelmässig bezahlt, auch kein 13. Monatslohn. Zudem wäre man rechtlich auf der korrekten Seite. Es ist also meist in jeder Hinsicht klüger, Mitarbeiter im Stundenlohn, die in die ordentliche Arbeits planung einbezogen werden, in einem tiefen festen Pensum anzustellen. Vielleicht schätzen dies die Mitarbeiter gar, weil sie so ein regelmässiges Einkommen ge sichert haben. Die über das Pensum hinaus gearbeiteten Stunden sind zudem billiger, als wenn der übliche Stundenlohn mit Zuschlägen ausbezahlt wird. Solche Win­Win­Situationen entstehen aber nur, wenn man alte Denkmuster hinterfragt.


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