«Durchschnitt und lauwarme Süppchen sind nichts für mich»

«Durchschnitt und lauwarme Süppchen sind nichts für mich»

Andrin Willi wird Nachfolger von Karl Wild als Chefredaktor und Autor des Karl Wild ­Hotel­rating. Damit neigt sich eine einzigartige, erfolgreiche Ära nach rund drei Jahrzehnten einem Ende entgegen. Willi übernimmt die Aufgabe Ende Mai und wird für die Ausgabe 2025 des renommiertesten Hotelratings in der Schweiz verantwortlich sein. Karl Wild wird in diesem ­ersten Jahr Andrin Willi mit seiner Erfahrung und seiner Expertise begleiten und unterstützen. Die persönliche Expertise, Einschätzung und Erfahrung erachtet er weiterhin als zielführende Maxime für die Hotels und die Leserschaft von «Die 100 besten Hotels der Schweiz». 

Wenn Sie die Verantwortung für das Karl Wild Hotelrating übernehmen, so ist das in mindestens zweifacher Hinsicht eine Herausforderung. Zum einen ist es das wichtigste, bekannteste und traditionsreichste Hotelrating in der Schweiz. Diesen Monat erscheint es in der 28. Ausgabe. Zum andern ist Karl Wild der Pionier in der ­Disziplin Hotelbewertung. Was motiviert Sie, diese Herausforderungen anzunehmen?
Andrin Willi: Ich trete nicht zum ersten Mal in meiner journalistischen Karriere in grosse Fussstapfen, da­­rum weiss ich, dass eine derartige Chance viel mit Demut und Respekt gegenüber der bisherigen Ge­­schich­­­te, dem Renommee und vor allem gegenüber Karl Wild zu tun hat. Mich motivieren die Menschen in der Hotellerie, die mit Herzblut, Know-how und Gast­­freundschaft täglich am Werk sind, um ihre Gäste zu überraschen. Ich bin von Hotels beseelt, das Hotel ist mein Leben. Zugegeben, die Hotelküche auch.

Welchen beruflichen Hintergrund, ­welche ­Kompetenzen und Erfahrungen bringen Sie für die neue Aufgabe mit?
Ich habe eine klassische Ausbildung zum Hotelier absolviert. Schon als Kind war für mich klar, dass ich Hotelier werden wollte, ich kannte ja nichts anderes. Ich bin im Hotel aufgewachsen und habe von klein auf meinem Vater in der Küche geholfen. Meine kaufmännische Lehre habe ich im Hotel Waldhaus Sils-Maria abgeschlossen, die Hotelfachschule an der SHL in Luzern und diese Ausbildung hat mich durch verschiedene Stationen der Hotellerie gespült. Vor 24 Jahren bekam ich die Chance, meinen Beruf – Hotelier – zum Hobby und mein Hobby – das Schreiben – zum Beruf zu machen. Seither reise ich um die Welt und schreibe über Essen, Trinken und Geniessen. Ich war Chefredaktor der prägendsten Fachzeitschriften in der Schweiz in diesem Bereich und habe den Switch bisher nicht bereut. Denn ich kann meinen Traum leben, in dem ich immer wieder passionierten Menschen begegne, die für ihren Job brennen und sich ­konstant weiterentwickeln wollen. 

Wann übernehmen Sie die Aufgabe als Autor des Karl Wild Hotelrating?
Die Stabübergabe ist am 28. Mai 2024 ge­­plant, das ist der Tag, an dem das Karl Wild Hotelrating im ­«The Dolder Grand» in Zürich präsentiert wird. Ich freue mich auf die Übergabe. Wir sind ja beide Bündner, da gibt es viel zu besprechen, obschon er ja kein Rumantsch spricht. Und ich bin glücklich, hat sich Karl Wild entschieden, mich in der Übergangszeit zur nächsten Ausgabe zu begleiten. 

Welche Rolle spielen Hotelratings in der heutigen Zeit? Jede und jeder hat doch die Möglichkeit, sich im Internet die relevanten ­Informationen zu beschaffen.
Informationen, ja. Aber Verlässlichkeit, nein. Wenn ich ein Restaurant oder ein für mich schönes Hotel suche, dann sind die mir im Internet aufgedrängten Adressen meistens die letzten, die ich ansteuern würde. Gäste sind Individuen mit ureigenen Präferenzen und sie folgen Menschen, denen sie vertrauen. Ich frage also meine Vertrauenspersonen. Ein Rating, wie jenes von Karl Wild, bietet gerade in Zeiten von Über- und Desinformation eine gute Anleitung auf dem Weg durch den Dschungel ins passende Hotel. Und ja, selbstverständlich recherchiere auch ich, wie es sich für einen anständigen Journalisten gehört. 

Seit 1997 erscheint und behauptet sich das Karl Wild Hotelrating, das ist in unserer schnell­lebigen Zeit eine Ära. Haben Sie sich schon ­Überlegungen zur Zukunft, zu Anpassungen oder Neuerungen für das Rating gemacht?
Das Wichtigste bei einer Marke sind das Versprechen, die Erfahrung, in diesem Fall der vielen Lesenden, das Vertrauen und die Konsistenz. Bevor ich mir nicht hundertprozentig sicher bin, die Marke sehr gut zu kennen, werde ich mich vor voreiligen An­­pas­­sungen und Neuerungen hüten. Das Wichtigste für mich als Autor ist die Unabhängigkeit, aber das ist wirklich nichts Neues.

Auch wenn ein Rating sich um Objektivi­tät bemüht und objektivierbare Elemente in die Bewertung eines Hotels einbezieht, so spielt die persönliche Sicht und Einschätzung immer eine wesentliche Rolle. Sie sehen darin eine Stärke und keine Schwäche. Warum?
Wer eine Meinung äussert, ist immer an­­greif­bar. Was ist bei einem hoch emotionalen, zutiefst individuellen, häufig nicht einmal unter Profis wirklich eindeutigen Ergebnis eines Erlebnisses eine valide Alternative? Der Weinkommentar einer künstlichen Intelligenz? Eine technisch errechnete Durchschnittsnote als Hotelliste? Es geht nicht um den Durchschnitt. Es geht immer noch darum, dass es Menschen gibt, die sich auf ein be­­stimm­tes Genre spezialisieren, und dass wer ihnen folgt, sich mit ihnen und ihren Ex­­pertise-Ergebnissen identifizieren kann – oder nicht. Der Durchschnitt und lauwarme Süppchen sind jedenfalls nichts für mich.

Wie werden Sie die Arbeit anpacken? Gerade im ersten Jahr werden Sie kaum eine Nacht in Ihrem eigenen Bett verbringen können und von Hotel zu Hotel reisen müssen, um sich ein relevantes Bild von den Qualitäten der Häuser vor Ort zu machen.
Uiii. Das wird furchtbar! Ich werde nur in heraus­ragenden Hotels schlafen, die mich reizen und mit ­Menschen sprechen, die Über­durchschnittliches leisten oder solches von ihren Angestellten erwarten. Nein, Spass beiseite, ich freue mich auf die Begegnungen und vielleicht ziehe ich mir ja für gewisse Tests ein rosafarbenes Cowboy-Outfit an wie Louis de Funès, alias Charles Duchemin, im Film Brust oder Keule?

Das Karl Wild Hotelrating wird publizistisch vom Buch «Die 100 besten Hotels» vom Fachmagazin «Hotelier» und auch zukünftig von einem nationa­len Pressetitel verbreitet. Sehen Sie Potenzial, diese Zusammenarbeit weiter zu stärken?
Es gibt keine idealere Zusammenarbeit als jene, in der man ständig das Gras wachsen hört.

Andrin Willi …
… gilt als einer der «profiliertesten ­Gastrojournalisten des ­Landes» (WoZ), als Gastronomieexperte, der vom «Essen besessen» ist (TagesAnzeiger). Der ausgebildete Hotelier und ehemalige Chefredakteur ist Autor diverser Bücher und Reportagen, Moderator, Genussaktivist und berät als Epicurean-Consultant namhafte Firmen, Hotels und Gastronomen. Andrin Willi bereichert mit seinen Beiträgen neu die Redaktion der Fachzeitschrift «Hotelier».

andrinwilli.com

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