Christian Eckert: «The Omnia» ist mehr als die Summe aus Crazyness + Ruhe + Matterhorn

Christian Eckert: «The Omnia» ist mehr als die Summe aus Crazyness + Ruhe + Matterhorn

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Diese Erkenntnis hatte schon der griechische Philosoph Aristoteles (384 v. Chr. bis 322 v. Chr.). Im Zusammenwirken der Teile können sich neue Qualitäten entwickeln, das war dem Philosophen klar. Diese Ambition verfolgt auch Christian Eckert, seit 2017 Managing Director im «The Omnia» in Zermatt. Im gemeinsamen Gespräch versuchten wir, dieses Ganze («omnia», lateinisch = jedes, alles, ganz) zu ergründen. Zusammengehalten und kreiert wird das «The Omnia» von den Menschen, die im Haus ein- und ausgehen. Gäste und Mitarbeitende treten auf dieser Bühne auf, jeder mit seinem Part, geleitet von einem Regisseur, der dieser Insze­nierung eine charakteristische Handschrift verleiht.

 

 

Flüchtiger Zeitgeist ist die Philosophie des «The Omnia» für Christian Eckert nicht. Vielmehr sieht er in seinem Haus «zeit­loses europäisches Design und das ame­rikanische Lodge-Modell» verwirklicht. Und dies aus einer ganz besonderen Perspektive: Seit 2006 steht das Hotel auf einem Felsen, 45 Meter über der Zermatter Hauptachse, und beobachtet das Geschehen. Von diesem Sitz aus hat es ungezählte Trends gesehen und überdauert. «The Omnia» ist für Eckert ein Qualitätsanspruch: «Alles bis ins Detail»
so gut wie möglich machen. 

Auf die Frage, ob der Name «The Omnia» nicht die Gefahr berge, allen alles recht machen zu wollen, reagiert er professionell und clever. «Im Gegenteil. «The Omnia» steht nicht für zwanghafte Komplettheit des Angebots, sondern für eine ganzheitliche An­­nah­me des Seins, für die Integration aller Facetten, auch von Ruhe und Ausgeglichenheit. Natürlich rattert es in meinem Kopf, alles will bedacht, überlegt, gesehen, interpretiert werden. Aber das «The Omnia» selbst bedeutet für mich, Raum für Ruhe zu lassen – keine Hektik, kein Lärm. Das Unikat Omnia sollen auch die Mitarbeitenden repräsentieren. Denn erst, wenn diese Einzigartigkeit in der täglichen Arbeit und den Begegnungen spürbar wird, entsteht jene Atmosphäre, die das «The Omnia» von anderen Häusern unterscheidet.» So werde das Haus zur «majestätischen Ikone auf dem Felsen». Das Haus, «das keinen Vergleich zulässt», wie Christian Eckert reflektiert und gekonnt erläutert. Die Sicht aufs Matterhorn, heute in der gleissenden Spätsommersonne, untermalt diese Betrachtung brillant.

 

Das Hektische 
Weil ihm die Crazyness im Trainee-Programm bei der Migros fehlte, kehrte er in die Hotellerie zurück. «Das Hektische habe ich schon immer geliebt.» Schon der junge Christian beobachtete fasziniert seine Grossmutter, eine passionierte Gastgeberin, wenn wieder einmal Besuch anstand. «Da lag immer ein Knistern in der Luft: Hier das Mise en Place, da noch letzte Handgriffe in der Küche, das Esszimmer herrichten, die Aperitifs bereitstellen. Alles ging zack, zack, zack. Überall war sie gleichzeitig – und trotzdem strahlte sie eine unglaubliche Souveränität aus. Eine lückenlose Performance. Ich habe viel von ihr gelernt.» 

Nach der Lehre zum Restaurationsfachmann im «Kempinski» in St. Moritz blieb er dort weitere sieben Jahre und sammelte erste Führungserfahrung. Dann erst ging es an die Schweizerische Hotelfachschule Luzern. Es folgten verschiedene Stationen in unterschiedlichen Führungspositionen im «Beau-Rivage Lausanne» und im «Le Vieux Manoir» in Murten. Dann der kurze Abstecher zur Migros in Basel. 2015 führte die Reise nach Zermatt erst als stellver­tretender Direktor und seit 2017 als Verantwortlicher für das Ganze als Managing Director. Er habe viele verschiedene Förderer gehabt. Angefangen beim Berufspsychologen, der ihm gesagt habe, er werde Hotelier. Oder Rupert Simoner, sein Chef in den sieben St.-Moritzer-Jahren, der in ihm bereits den späteren Hoteldirektor gesehen habe. «Er war mir ein grosses Vorbild als GM, ein echter Visionär», erinnert sich Eckert. Auch im damaligen F&B-Manager Werner Müller fand er einen Lehrmeister und Förderer. Wahre Seelenverwandtschaft fand er darüber hinaus beim Maître Adriano Feraco, dem er die Details und Ge­­heimnisse seines Berufs verdankt. «Er war streng, aber glaubte fest an mich.» Ein Kontakt, den er bis heute pflegt und schätzt. 

 

 

Keine Pflicht, sondern Passion
Aufgewachsen in Diessenhofen und Stein am Rhein fand der Sohn eines Küchenchefs und einer Mutter aus der Gastronomie seinen eigenen Weg in die Hotellerie – unabhängig von der beruflichen Prägung seiner Eltern. Keine Familientradition also, keine Pflicht, sondern echte Passion. «Ich mag Menschen wirklich gern – und das ist die wichtigste Voraussetzung für meinen Beruf.» Dass er dieser Haltung gerecht wird, zeigen die dreissig nationalen und internationalen Auszeichnungen, die das «The Omnia» zwischen 2017 und 2024 unter seiner Leitung erhalten hat. Trotz dieser Ehrungen und der langjährigen Erfahrung mit internationalen Gästen hat seine Laufbahn bislang nicht im Ausland stattgefunden. «Die Schweizer ­Gastfreundschaft ist für mich ein grosser Wert. Ich bin stolz, meinen Beruf hier auszuüben – und zeigen zu können, wofür wir stehen.»

 

Hierarchie-Gedöns 
«Als Direktor muss ich zurückstehen, mich hinter die Mitarbeitenden stellen.» Denn «shit happens» sei unvermeidlich; dennoch wolle er seinen Mitarbeitenden in ihren Bereichen die Möglichkeit geben, zu ­entscheiden, und ihnen Vertrauen schenken. Im Or­­ganigramm eines Unternehmens, auch seines Hotels, sieht er eine Art Karte, die den Mitarbeitenden Raum gibt, in dem sie sich entfalten können. «Jeder Mensch hat eine Begabung nach dem Motto: The universe has a plan for you.» So versteht er seine Aufgabe auch als Mentor und Coach, damit solche Pläne real werden können. 

Mit «Hierarchie-Gedöns» kann er nichts anfangen. Sein Führungsverständnis orientiere sich an der «Augenhöhe mit den Mitarbeitenden». Dabei fügt er – wie öfter in unserem Gespräch, in Varianten – hinzu: «Das sagt wohl jeder Hotelier.» Wie aber beschreibt er sein Führungsverständnis vom Umgang miteinander auf Augenhöhe? «Mein Anspruch im Arbeitsalltag sind Offenheit, Transparenz und Ehrlichkeit.» Diese Maximen wollen ermöglichen, dass es den Mitarbeitenden gut geht, dass sie in ihrer Tätigkeit «Sinn und Freude» haben. Altruistisch ist diese Grundhaltung auch für Christian Eckert selbstredend nicht. «Wir wollen die Leute in diesem harten Job nicht verlieren. Wir wollen ihnen ein sicheres Umfeld bieten. Aber erziehen wollen wir sie nicht.» 

 

Unternehmerischer Gastgeber
Seine Haltung, sich für die Mitarbeitenden und die Gäste gleichermassen einzusetzen, sieht Christian Eckert in der Umschreibung des «unternehmerischen Gastgebers» gut getroffen. «Ich trage eine klare Verantwortung für die Gäste und mein Team. Es braucht ein Herz für alle, auch wenn das vielleicht kitschig tönt, aber es ist so.» Unternehmerisch hat er die Vorgaben des Verwaltungsrates zu erfüllen – «eine schwarze Null im Betriebsergebnis». Die Eigentümerschaft – die USM-Haller-Eigner Alexander Schärer und Judith Stuber-Schärer – versteht ihr Hotel-Engagement nicht als Mäzenatentum im Hintergrund und will keine Verluste ausgleichen. 

 

 

Am richtigen Ort sein
Hektik (bei der Grossmutter) hin oder fehlende Crazyness her, heute bieten Christian Eckert und sein Team den Gästen das Gefühl, im «The Omnia» am richtigen Ort zu sein. Für sie, die «global unterwegs und immer unter Strom» sind, ist das Herunterkommen die totale Alternative zur Norm. «Ein ganz spezielles Erlebnis.» Sie sollen spüren, dass man sich «im ‹The Omnia›-­Kosmos um sie kümmert». Es tönt wie ein Kalauer – «das Beste für die Gäste» –, Christian Eckert meint es aber völlig spassfrei. Er meint es so, wie er es sagt. Und dann folgt noch sein Satz: «Die Gäste sollen sich im ‹The Omnia› daheim fühlen.» Unweigerlich steigt in mir die Frage auf: Warum ins Hotel gehen, um sich dort daheim zu fühlen? Gemeinsam suchen wir nach Antworten. 

Ich: Soziologen beschrieben unsere Gesellschaft in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts als «Risikogesellschaft» (Ulrich Beck). In den 90er-Jahren folgte «Die Erlebnisgesellschaft» (Gerhard Schulze). Dann herrschte kurzzeitig das «Ende der Geschichte». Auf diese Phase folgte die eine bis heute anhaltende generelle Unsicherheit der Multikrisen. Alle sind im Stress, gesellschaftliche Entschleunigung ist angesagt. 

Er, pragmatisch und praxisnah: «Im ‹The Omnia› suchen die Gäste Ruhe und Geborgenheit. Wir haben ganz selten Leute, die nach Action fragen. Die Welt wird nicht ruhiger, eher noch schneller. Umso wichtiger ist es, Rückzugsorte zu schaffen. Hotels, denen das gelingt, werden erfolgreich sein. Das ist heute das Geheimrezept für echte Erlebnisse. Back to the roots, in die Natur gehen, wandern im Wald beispielsweise. Das ist Luxus. Wir schaffen mit dem ‹The Omnia› für die Gäste einen Ort, an dem sie sich aufgehoben, wie bei Freunden fühlen.» 

 

Antibes
Um nach der Saison «die Batterien zu laden», verbringt Christian Eckert seit vielen Jahren mit seinem Partner sechs Wochen in Südfrankreich. Einige Tage leistet er sich dann, selbst Gast zu sein. Dafür hat er in Antibes seinen Kraftort gefunden. «Da gibt’s ja auch tolle Häuser», meint er mit einem Augenzwinkern. An der Côte d’Azur geniesst er die besondere Stimmung der Region und ihre Ruhe im Hinterland. Dass sich im Gepäck das ein oder andere Fachbuch findet, schmälert weder seinen Ferienfrieden noch die Ferienfreude. Ist nicht Südfrankreich angesagt, so liebt er Balkonien, wo er gelegentlich einen Tag nur lesen kann und Zeit für sich allein hat. Überhaupt ist Christian Eckert ein wissbegieriger Mensch, der das Weltge­schehen in den Medien intensiv verfolgt und gerne reist. Am Puls der Zeit zu sein und zu bleiben, ist ihm wichtig. Dazu passt, dass er im Januar 2026 an der Hochschule Luzern einen EMBA abschliessen wird. Aktuell steht die Masterarbeit an. Sie wird im Viererteam konzipiert und geschrieben. Thema ist die Entwicklung von individuell gestaltbaren Pricing-Modellen für Skigäste in Wintersportorten. 

 

 

Inspiration und Input
Viele Inputs für das «The Omnia» kämen von den ­Mitarbeitenden – «voll coole Ideen». Weil er im «The Omnia» nicht Trends folgen oder auf einen Zug aufspringen will, wird eine andere Inspirationsmethode kultiviert: das Beobachten. Er selbst hält auf Reisen stets die Augen offen. Anschliessend wird überlegt, ob die Impulse zum «The Omnia» passen und wie sie umgesetzt werden könnten. Es folgen interne Diskussionen und Brainstormings. Wichtig dabei: «Es geht nie ums Kopieren. Natürlich gibt es auf der Welt viele tolle Möglichkeiten, aber man kann sie nicht eins zu eins auf das ‹The Omnia› übertragen.» In den zehn Jahren der Leitung des Hauses hat er gelernt, dass Mut und Vertrauen in die eigenen Stärken entscheidend sind: «Wir entwickeln uns vor allem aus unserem Inneren heraus.»

 

Regisseur und Rollen
Wir biegen im intensiven, angeregten Gespräch in die Zielgerade ein. Mit der Ankündigung der drei letzten Fragen zum Schönen, Wahren und Guten kehren wir nochmals zur Rolle beziehungsweise den vielen Rollen des Managing Director zurück. Christian Eckert sagt zuerst, seine Leute müssten in ihren Fachbereichen besser sein als er. «Mein Job hier lässt sich eigentlich auch mit einer freien Interpretation des Wortes ‹Omnia› beschreiben. A l l e s zusammen­halten.» Wie ein Filmregisseur, der immer den roten Faden, die Geschichte, das «final picture» im Auge be­hält. Eine passende Job-Description für den obersten Hotelmanager. Und Christian Eckert dreht den Gedanken weiter. «Das Hotel ist auch eine Bühne, wo eine gewisse Schauspielerei dazugehört. Wenn man aus dem Zimmer oder dem Büro tritt, übernimmt man eine Rolle. Alle sind Mitakteure, auch die Gäste. Das Hotel ist ein Theaterstück, eine never-ending Story.» Weil der Weg von Zermatt nach Hergiswil aber ein weiter ist, folgen unerbittlich die ultimativ letzten drei Fragen, mit der Bitte um kurze Antworten des Hotel-Regisseurs.

 

schön, wahr, gut
Christian Eckert, zum Schluss unseres Gesprächs über Gott und die Welt, über Gäste und Hotels und über Sie, lassen Sie mich noch die drei entscheidenden Fragen stellen. Was sind für Sie das Schöne, das Wahre und das Gute? 

Was ist für Sie das Schöne? «Wenn die Qualität un­­seres Angebots für unsere Gäste unmittelbar spürbar ist und sie sich voller Freude darauf einlassen. 

Was ist für Sie das Wahre? «Klarheit im Design und ehrliche Produkte.»

Was ist für Sie das Gute? «Dem Team und den Gästen dienen.»

 

 

«The Omnia« – Sein und Zeit ohne Einschränkung 
«The Omnia», die Mountain Lodge mitten im Dorf, über den Dächern von Zermatt, verbindet Architektur, Philosophie und Gastlichkeit zur namensgebenden Ambition des Ganzen. Den einzigartigen Hotel-Adlerhorst (seit 2006) auf einem Felsen gebaut, erreicht man über einen Tunnel und einen Felsenlift. Mit 30 Zimmern, davon 12 Suiten mit offenem Kamin oder privater Sauna, bietet es den Luxus für heute. Entworfen wurde «The Omnia» vom amerikanisch-türkischen Architekten Ali Tayar (*1959), der in Stuttgart und am Massa­chusetts Institute of Technology ­studierte. Seine Arbeiten gehören heute zur Sammlung des Metro­politan Museum of Art in New York. 

Die Philosophie des Hauses, wonach hier «Sein und Zeit keine ­Einschränkung» kennen sollen, wird durch die Architektur mitge­staltet. Sie verbindet amerikanischen Lodge-Modernismus mit alpinen Materialien und zeitlosem Design. Zum «Dialog der beiden Kulturen» gehört auch der persönliche, un­­gezwungene, umfassende Service, der den Gästen geboten wird. 

Kulinarisch setzt das «The Omnia» auf den 30-jährigen Küchenchef André Kneubühler und 17 Gault­Millau-Punkte. Das Restaurant «mit 60 Gedecken» – vor offenem Kamin oder in der Lounge-Bar – ­bietet, was das kulinarische Herz begehrt. phg

 

 

7 Fragen, 1 Kurzantwort, 1 Joker

Welchen Platz bekommt der Einzelreisende, wie ich, im Speisesaal?
Natürlich einen schönen Platz an einem schönen Tisch. Andere Plätze haben wir gar nicht.

Grösstes Kompliment von einem Gast?
Wenn er das fantastische Team lobt, wenn er abreist.

Grösste berufliche Peinlichkeit?
Joker.

Ist die Minibar im Hotelzimmer-Preis ­inbegriffen? Warum ja/nein?
Nein. Das «Weil» zu erläutern, würde die Kurzantwort sprengen.

Welches Buch aus der Hotelbibliothek haben Sie gelesen?
Kein Buch, aber ich lese jede Ausgabe von «Monocle», bevor ich das Magazin in die Bibliothek lege. 

Was wird in Ihrem Hotel am meisten mitlaufen gelassen/gestohlen?
Nespresso-Kapseln und Kaffeelöffel. Das ist schöne, teure Silberware; am Ende der Saison sind immer weniger da als zu deren Beginn. 

Welche Gäste möchten Sie nie mehr in Ihrem Hotel?
Leute, die respektlos sind gegenüber den Mitarbei­tenden, sie gar attackieren, was ein bis zweimal pro ­Saison vorkommen kann. Das passt nicht zu unserem Ort des Friedens. 

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