«Irgendwann brannte es mich unter den Nägeln»

Mit dem einzigartigen «Grand Resort Bad Ragaz» war Marco Zanolari sieben Jahre lang auf Erfolgskurs. Ein Karrieresprung schien kaum noch möglich. Doch dann rief The Living Circle von Gratian Anda und Jürg Schmid. Zanolaris Wechsel war der Transfer des Jahres. 

Lang ist’s her, seit wir an Wintersonntagen von Chur nach Bad Ragaz «zum Baden» fuhren. Meine Eltern schworen zeitlebens auf das Thermalwasser. Vielleicht sind sie auch deshalb fast 100-jährig geworden. Mich als Knirps interessierte damals weder die Zusammensetzung des Wassers noch dessen Heilkraft. Umso mehr faszinierten mich die Hotels. In diese hätte ich mich natürlich nie hineingewagt. Dafür konnte ich es gut mit den Concierges, Ober-, Unter-, Hilfs- und Nebenportiers, die ich mit ihren goldenen Bändern und Borten allesamt für Generäle hielt. So einer wollte ich auch mal werden. Die Namen der Direktoren kannte ich immerhin vom Hörensagen.

Ein Lottosechser für Bad Ragaz

Viele Jahre später hat sich das dann geändert, ich lernte die Manager persönlich kennen. Einer, der mich so richtig beeindruckte, war Riet Pfister. Unter diesem stets aufgestellten, ideenreichen Haudegen mit einer langen Karriere bei Mövenpick schüttelte das Resort eine Menge vom angesammelten Staub ab. Nach ihm kam aus Mallorca Peter Tschirky, mit dem das Resort den zweiten Quantensprung mach- te. Dann, vor sieben Jahren, stellte sich die grosse Frage: Wer wird Tschirkys Nachfolger, wer bekommt den Job, der zu den begehrtesten in der europäischen Spitzenhotellerie überhaupt zählt? Tschirky hatte fast zwei Jahrzehnte zuvor auf Mallorca das Luxushotel Son Vida eröffnet. Unterstützt wurde er dabei von einem jungen Churer namens Marco Zanolari, der selbst nach Tschirkys strengen Massstäben «einen Superjob» machte. Tschirky verlor ihn auch später nie aus den Augen und wusste immer, in welcher Ecke der Welt sich der Bündner gerade aufhielt. Als sich der Verwaltungsrat des Resorts aus einer Rekordzahl von hochkarätigen Bewerbern für Zanolari entschied, war Tschirky glücklich. Und der Entscheid des Gremiums um den damaligen Präsidenten Wolfgang Werlé und Hauptaktionär Thomas Schmidheiny sollte sich tatsächlich als Lottosechser erweisen. Zanolari gelang es, das «Grand Resort Bad Ragaz» weiter zu entwickeln, als Resort für drei Generationen zu positionieren und auf eindrückliche Weise in ein neues Zeitalter zu führen. Wenn er nach der Eröffnung des prächtigen Family Spa die Kleinen mit ihren Eltern und Grosseltern glücklich an einem Tisch sitzen sah, lachte ihm das Herz.

Die vier Musketiere

Mit Blick auf seinen Werdegang konnte der Erfolg eigentlich fast nicht ausbleiben. Er entstammt der Churer Weinhandelsfamilie Zanolari, deren angesehene Firma 1875 gegründet und vor rund zwanzig Jahren von seinen Eltern verkauft wurde. «Ich hatte also schon früh einen Bezug zur Gastronomie und Hotellerie», sagt er. Vor allem aber hatte er einen Onkel, der nach der Hotelfachschule Lausanne in die Welt hinauszog, Hotels rund um die Welt leitete und heute in Brasilien lebt. Der Mann hat Klein-Marco damals tief beeindruckt. Dass er später selbst in Lausanne studieren würde, war wenig überraschend. Zu den Klassenkameraden, mit denen Zanolari damals die Schulbank drückte, zählten unter anderem Richard Leuenberger, Heinz Hunkeler und Mark Jacob. Leuenberger ist heute General Manager im «Badrutts Palace» in St. Moritz, Hunkeler im «Kulm St. Moritz», Jacob war lange Managing Director im «The Dolder Grand» in Zürich, bevor er nach einem Abstecher ins Ausland die Branche wechselte. Man nannte das extrem erfolgreiche Quartett auch mal «Die vier Musketiere». In derselben Klasse war damals aber auch eine gewisse Raffaella aus Lugano. Mit ihr ist Zanolari seit dem Jahr 2000 zusammen, sechs Jahre später wurde in Lugano geheiratet.

16 spannende Jahre im Ausland

Zusammen erlebten die beiden sechzehn überaus spannende Jahre im Ausland. Der berufliche Aufstieg führte Zanolari nach China (Guangzhou), Thailand (Phuket), Deutschland (Frankfurt), Mallorca (Palma), Griechenland (Athen), in die Türkei (Istanbul), nach Katar (Doha) und in die USA (Los Angeles, Miami und Maui). In Maui war er Resort Manager im Four Seasons Resort, bevor es zurück in die Schweiz ging. Der 13-jährige Sohn Eric wurde in Katar geboren, die 9-jährige Hanna in Miami. «Wir versuchten überall das Positive zu sehen und wollten möglichst viel lernen», sagt Zanolari. Er lernte auch, flexibel zu sein und sich durchzusetzen. «In China etwa mussten wir uns mit Händen und Füssen verständigen, weil noch kaum jemand Englisch sprach.»

Zu seinem persönlichen Vorbild wurde in all den Lehr- und Wanderjahren Simon Casson, damals Direktor im Four Seasons Doha. «Er war in jeder Hinsicht eine ungemein eindrückliche Persönlichkeit und hat mir gezeigt, wie man wertebasiert führt und achtsam mit der Resource Mensch umgeht.» Casson wurde später President EAME (Wirtschaftsraum Europa-Arabien- Afrika) von Four Seasons. Die Kette, die sich die schönste der Welt nennt, setzte schon damals voll auf glückliche Mitarbeiter. «Behandle alle so, wie du selbst behandelt werden möchtest», war einer der Leitsätze des Four Seasons. Zanolari hat das dann voll durchgezogen, ohne Wenn und Aber.

Die Erfolgsrezepte

Es war eines seiner Erfolgsrezepte in Bad Ragaz. Während der sieben Jahre, die er im St. Galler Rheintal verbrachte, wurde nie schlecht über ihn geredet. Weil er allen, vom Küchenburschen bis zum Kollegen im Management, mit Respekt auf Augenhöhe begegnete. Zum vorbildlichen Arbeitskli- ma trug auch bei, dass nicht nur ins Resort investiert wurde, sondern auch in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das neue Mitarbeiterrestaurant zum Beispiel wurde so attraktiv gestaltet, dass sich selbst Resortgäste darin wohl fühlen würden. Auch wurde eine Kindertagesstätte geschaffen, die es Müttern und Vätern erlaubt, Teilzeit zu arbeiten. Andere Benefits kamen dazu, und letztlich sind es immer die Gäste, die von glücklichen Mitarbeitern profitieren. Entsprechend fantastisch sind jeweils die Umfragewerte für das Resort.

Der Coup des Jahres

Als erfolgreicher General Manager und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Grand Hotels Bad Ragaz AG schien Marco Zanolari mit 46 Jahren ganz oben angelangt zu sein. Im europaweit führenden Resort seiner Art hatte er sich nicht bloss als kreativer und charismatischer Spitzenhotelier einen Namen gemacht, sondern auch als begnadeter Motivator und geschickter Förderer von Talenten. Doch als im März dieses Jahres zur totalen Überraschung aller bekannt wurde, dass er per 1. August zum CEO von The Living Circle berufen wurde, war klar: Eine Steigerung war tatsächlich noch möglich. In seinem neuen Job verantwortet Zanolari nämlich sämtliche Tätigkeiten einer hoch angesehenen Gruppe, der enorme Entwicklungsmöglichkeiten vorausgesagt werden.

Der Circle, eine einzigartige Gruppe

The Living Circle setzt sich zusammen aus den vier Luxushotels Castello del Sole in Ascona, Widder Hotel und Storchen in Zürich sowie Alex Lake Zürich in Thalwil. Dazu kommen das Restaurant Buech in Herrliberg, das hinreissend schöne Rustico del Sole oberhalb von Ascona sowie die Landwirtschaftsbetriebe Schlattgut in Herrliberg und Terreni alla Maggia in Ascona. Jüngstes Hotelkind der Gruppe ist das «Château de Raymontpierre» in Vermes. Zanolari sind die Fachbereiche Personal, Finanzen, Sales und Marketing sowie die Direktorin und die Direktoren aller Betriebe unterstellt. Seit März 2022 ist die The Living Circle auch Partner der Caminada Group von Andreas Caminada, einem der weltbesten Köche.

Kulturen zusammenführen

«Man will sich immer weiter entwickeln», begründet Marco Zanolari seinen Wechsel. Irgendwann begann es ihn einfach unter den Nägeln zu brennen. Vielleicht zog ihn – und seine Frau – auch das Leben in der Stadt an. «Unglaublich motivierte und talentierte Menschen» habe er beim Circle angetroffen. Und Hotels, die einmalig positioniert und an ihren Standorten tief verwurzelt sind. Zudem bringe sich die Besitzerschaft aktiv ein, fördere die Weiterentwicklung und setze voll auf Gesundheit und Nachhaltigkeit, «was dank den eigenen Landwirtschaftsbetrieben in einem geschlossenen Kreislauf gelebt werden kann».

Lernen zu verstehen

Die ersten neunzig Tage seien immer spannend, «weil man jede Menge Fragen stellen kann», weiss Zanolari. Und er war natürlich viel unterwegs. So hat er alle Betriebe besucht und auch in allen Restaurants gegessen. Dann sagte er, was er gut oder eben nicht so gut findet. Dies immer nach dem Motto «verstehen, bevor man verstanden wird». So fiel es ihm leicht, sich in den unterschiedlichen neuen Umfeldern einzuleben und zu verstehen, warum gewisse Dinge wie gemacht werden. Gemeinsam mit Great Place to Work, den Experten für Arbeitsplatzkultur, wurde schon zum zweiten Mal eine Umfrage unter allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gemacht. Ziel ist es, eine Kultur zu schaffen, die die unterschiedlichen Betriebe in den verschiedenen Landesteilen zusammenführt. In einigen Bereichen arbeitet man auch daran, die besten Leute für sich zu gewinnen und sie zu fördern.

Das Schlösschen im Jura

Im Spätfrühling des kommenden Jahres wird The Living Circle nicht bloss in der Deutschschweiz und im Tessin präsent sein, sondern auch in der Romandie. Dann wird in Vermes im Kanton Jura das «Château de Raymontpierre» eröffnet. Das wunderschön renovierte Schlösschen mit vierzehn Gästezimmern soll Tagungsgäste ebenso ansprechen wie Privatreisende, die etwas zu feiern haben oder sich zurückziehen wollen. Die jeweiligen Angebote werden höchst attraktiv ausgestaltet sein. Mit der Verbindung zwischen Landwirtschaft, Natur und Gastfreundschaft will man im Jura gar neue Massstäbe setzen. So werden die Gebäude auf dem Gelände zum Beispiel an eine private Kläranlage angeschlossen. Es wird eine zentrale Holzschnitzelheizung gebaut, und das Trinkwasser stammt aus einer privaten Quelle, die zwei Kilometer entfernt in den Ausläufern des Raimeux-Gebirges liegt. «Im Château werden wir den naturnahen Luxus zelebrieren», verspricht Zanolari.

Neu definierter Luxus

Der Living Circle interpretiert den Luxus von morgen anders. Das ist das erklärte Ziel. Die einzigartige Natur und deren Menschen und Produkte werden in den Luxusgedanken eingebunden, im Zentrum steht die Nachhaltigkeit. «Wir möchten eine Hotellerie, die den Generationen der Zukunft Freude bereitet», sagt Zanolari. An Herausforderungen fehlt es der Gruppe also nicht. Das ist es gerade, was Zanolari so spannend findet. Und die Voraussetzungen, dass die hochgesteckten Ziele erreicht werden, könnten kaum besser sein. Denn an der Spitze der Gruppe steht nun ein Trio, das an Kompetenz kaum zu überbieten ist und auch über die erforderlichen finanziellen Möglichkeiten verfügt.

Hochkarätiges Trio

Gründer und Besitzer von The Living Circle ist mit dem gut betuchten Unternehmer Gratian Anda ein Mann, der gern im Hintergrund bleibt. Einer, der mit Leidenschaft dabei ist, sehr gut zuhören kann und nie zum Besserwisser wird. Verwaltungsratspräsident Jürg Schmid war viele Jahre lang höchst erfolgreicher Direktor von Schweiz Tourismus, ehe er sich mit einer eigenen Agentur selbstständig machte; diesem Marketingexperten macht so schnell keiner was vor. Und da ist jetzt natürlich der operative Chef Marco Zanolari, der alles, was den Spitzenhotelier von heute ausmacht und auszeichnet, im Überfluss mitbringt. Der Churer ist zum Überflieger der Schweizer Luxushotellerie geworden. Ein Superstar wider Willen, der, nebenbei bemerkt, auch als James Bond durchgehen würde.

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