Führen, wenn die Hochzeitstorte fehlt

Die Kompetenzen und Fähigkeiten von Hoteliers und Gastronomen sind – oder wären – in vielen Branchen wichtig. Anerkennung finden sie und ihre besonderen Skills in der Gesellschaft noch zu wenig. Das muss sich ändern, soll unsere Wirtschaft in Zukunft erfolgreich bleiben.


Wissen und Können der Hoteliers wer­den von Exponen­ten aus serhalb der Ho tellerie und Gas­tronomie sehr oft unterschätzt. Gerade in der heutigen Zeit ist es jedoch wichtiger denn je, schnell und agil handeln zu kön­nen. Genau diese Fähigkeiten haben gute Hoteliers und Gastronomen. Es zeichnet Führungskräfte und Mitarbeitende der Hotellerie aus, dass sie jederzeit hundert Prozent Leistung bringen müssen – und zwar auf Anhieb.


Der Kunde im Hotel, der Gast, ist vor Ort und will oder benötigt die Leistung hier und jetzt. Sofort. Es gibt keine zweite Chance, ohne dass es der Gast unmittelbar durch längere Wartezeiten spürt. (Was es in anderen Gewerben, beispielsweise im Gesundheitswesen, durchaus auch gibt). Ausserhalb der Hotellerie und Gastrono­mie kennen wir in der Regel jedoch Liefer­fristen.


Führung live

Läuft bei einem Produktionsprozess etwas schief, so hat der Unternehmer (fast) im ­mer noch Zeit, wenn auch mit Zusatzauf­wand, die bestellte Dienstleistung oder das angeforderte Produkt nachzubessern oder zu ersetzen. Der Kunde wird davon kaum etwas mitbekommen. Was aber, wenn man am Ende des Hauptgangs bemerkt: Die Hochzeitstorte ist nicht da. Diesen Fall habe ich einmal selbst erlebt. Da ist Füh­rung live notwendig.


Eine Herausforderung unter grösstem Stress, unter äusserst anspruchsvollen Rah menbedingungen wie höchste Erwar­tungen des Hochzeitspaares, extremer Zeitdruck und ohne (externe) Hilfe. Und in den meisten Fällen ist die Situation mit Mit arbeitenden zu meistern, die unter­schiedlichste Sprachen, Kulturen oder Re ­ligionen haben – und nicht alle die gleich perfekte Servicehaltung mitbringen, wie wir sie von Absolventen einer Schweizer Hotelfachschule kennen.


Flexibilität als Kernkompetenz

Die Fähigkeit, ein Unternehmen auch unter solchen Umständen führen zu kön­nen, dass auch diese Leistung auf Anhieb klappt, ist bei den Unternehmen der Hotel­lerie und Gastronomie letztlich die Vor­aussetzung, um überleben können. Sich schnell auf neue Situationen einzustellen, Leistungen und Angebot anzupassen, das ist eine ihrer Kernkompetenzen – heute und in Zukunft noch mehr.


Gastgeber sein, das «kann» jeder

Macht man den Schritt aus der Hotellerie und Gastronomie hinaus in andere Wirt­schaftszweige, wird man schnell feststel­len, dass diese speziellen Fähigkeiten nicht wahrgenommen werden. Für jemanden, der «nur» Gastgeber ist, ist der Wechsel in ein anderes Gewerbe nicht einfach. Die Haltung «Gastgeber sein, das kann jeder» ist sehr weit verbreitet. Zumal man bei sich zu Hause ja auch Gastgeber ist. Was es bedeutet, ein Hotelunternehmen zu führen, das Mitarbeitenden aus vielen ver­schiedenen Kulturkreisen eine Beschäfti­gung gibt und als 24/7­Betrieb funktio­niert, wird massiv unterschätzt.


Gastgeber haben Chancen in vielen Branchen

Agiles Führen und flexibles Handeln in einem sich stetig wandelnden Umfeld sind Stärken heutiger Führungskräfte in un­ serer Wirtschaft – und müssen für die Zukunft noch stärker in den Fokus rücken. Hoteliers und Gastronomen sind sich im Berufsalltag gewohnt, dass Augenblick anders ist als der vorangegangene und ihre Kunden, sprich Gäste, unmittelbar den Betrieb beeinflussen. Deshalb verfügen sie über ein Berufsprofil, das in vielen Bran­chen gefragt und Erfolg versprechend ist.


Nicht dass jetzt alle Hoteliers und Gastro­nomen die Flucht aus ihrer schönen und einmaligen Tätigkeit ergreifen und sich ausserhalb der Branche eine neue Tätig­keit suchen. Wichtig aber ist es, dass in der Wirtschaft und Gesellschaft erkannt und anerkannt wird, dass Hoteliers und Hotel­Führungskräfte in einem äusserst anspruchsvollen Umfeld arbeiten und mit ganz spezifischen Skills unterwegs sein müssen, um unternehmerisch erfolgreich und zukunftsfähig zu sein. – Übrigens: Das Hochzeitspaar und seine Gäste muss­ten nicht auf die Torte verzichten.


Roland Walker, 58

absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in der Hotellerie, anschliessend eine Weiterbildung an der Schweizerischen Hotelfachschule Luzern SHL. Er war 20 Jahre lang in der Hotellerie in verschiedenen Funktionen tätig, am Schluss als Direktor eines 4-Sterne-Hotels. Er absolvierte Weiter bildungen in Leadership und Management EMBA. Der heutige CEO und Miti nhaber der beck konzept ag, Spezialist für Bau- und Umbau-projekte in der Gastronomie und Hotellerie schweizweit, war zudem Seminarleiter (2011–2019) zum Thema Bauen in der Hotellerie an der SHL. Seit 2015 ist er regel mässig Fachcoach Gastronomie im Rahmen der Bachelorarbeiten Innenarchitektur an der HSLU Architektur und Technik in Horw.

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