Wie schaffen Sie diese Rekorde, Jean-Yves Blatt?

«Hotelier»-Gespräch mit Jean-Yves Blatt, General Manager im The Chedi Andermatt – Jean-Yves Blatt ist Hotelier mit Leib und Seele. Seit März 2015 ist er General Manager des The Chedi Andermatt und machte aus dem ­Luxus­resort eine Hotel-Ikone in den Alpen. Mit seinem subtilen Verständnis für Service und Gästebedürfnisse sowie seinem Gefühl für Trends ist es Jean-Yves Blatt gelungen, The Chedi zu einem der ­erfolgreichsten Schweizer Hotels zu machen.



Jean-Yves Blatt, wer sind Sie?


(lacht) Ich bin Jean-Yves Blatt.



Aber was steckt hinter diesem Jean-Yves Blatt?


Ich bin Familienvater, seit 33 Jahren verheiratet, habe drei Buben, die leider nicht mehr zu Hause wohnen, sie sind 28, 26 und 24. Hinzu kommt eine Hündin mit dem Namen «Bella», eine Mischung aus Berner Sennenhund und Coli. «Bella» ist seit zwei Jahren unser Stolz.



Sie wohnen offiziell immer noch in Rougemont im Waadtland.


Nein, in Andermatt. Und meine Frau pendelt zwischen Rougemont und Andermatt.



Sie waren Direktor im «Park Hotel Gstaad» und kamen 2015 ins The Chedi. Wenn Sie jetzt eine Zwischenbilanz ziehen müssten: Wo stand das Hotel – und wo steht es jetzt?


Eine riesige Entwicklung, wir haben grosse Fortschrit­te erzielt und die Qualität, aber auch die Quantität markant erhöht. Ich bin meinem Team sehr dankbar dafür.



Bevor das The Chedi in Andermatt 2013 eröffnet wurde, gab es auch kritische ­Stimmen. Wer verbringt schon Ferien in Andermatt, diesem ehemaligen Waffenplatz der Armee, wo es oft Nebel und Schatten hat, so die Kritiker. Heute sagen viele Leute: Man kommt ins The Chedi – und nicht nach Andermatt …


… ja, man kommt ins The Chedi. Das Hotel ist aktuell die eigentliche Destination. Doch das Dorf Ander­- matt entwickelt sich zu einem attraktiven Ferienort, es braucht jedoch noch viel Marketing und Kommunikation, um Andermatt eine klare Positionierung zu geben.



In Andermatt wird überall gebaut, Bau­maschinen, Rohbauten, Staub und Lärm prägen Teile des Dorfes. Wie wollen Sie eine Baustelle positionieren?


Moment mal! Das Dorf steckt mitten in einer Ent­wicklung. Das Projekt von Samih Sawiris ist bereits zu sechzig Prozent vollendet. Ich würde sagen, bis in zwölf oder fünfzehn Jahren ist die Vision Andermatt voll umgesetzt. Natürlich hört eine Entwicklung nie auf, das Dorf und die Region werden sich stets weiterentwickeln.




Warum kommt man eigentlich ins The Chedi?


Wir sind als Lifestylehotel positioniert.



Es gibt viele Lifestylehotels in der Schweiz und in Europa …


… aber im The Chedi zelebrieren wir einen ganz besonderen Lifestyle. Dieser beruht auf einer alpinen und asiatisch geprägten Hotelwelt, wie man sie nirgends in Europa findet. Wenn Sie das Hotel betreten, haben Sie sofort dieses alpine Gefühl – viel Stein und Holz. Hinzu kommen die hohen Räume, wie man sie sonst nur in Hotels in Asien sieht. So entsteht dieser alpin-asiatische Wohnstil.



Während der Corona-Krise konnten die Leute nicht nach Asien reisen


… und das hat uns geholfen. Viele Gäste haben hier während Corona eben diesen grosszügigen, asiatisch geprägten Lebensstil gefunden.



Leben auch Ihre Mitarbeitenden diesen alpin-asiatischen Lebensstil?


Ja, deshalb finden Sie hier Mitarbeitende, die überhaupt kein Deutsch sprechen. In der Küche arbeiten, zum Beispiel, zwei Thailänder, ein Inder und ein ­Chinese. Hinzu kommen die japanischen Köche. Wir pflegen diesen asiatischen Stil bewusst nicht nur in der Architektur, sondern auch im Service und in der Gastronomie. Wir sind ein multikulturelles Team.




Kurz und gut: Dieser alpine, asiatische Stil ist ein Positionierungsmerkmal, welches das The Chedi europaweit einzigartig macht.


Richtig. Wir haben hier eine Super-Hardware, wie man sie in den Alpen nirgends vorfindet. Danke, Herr Sawiris! Im Service und in der Küche ging es dann darum, diese alpin-asiatische Philosophie umzusetzen – mit einem Team, welches diese Werte und Kultur verinnerlicht und täglich leben kann. Und darin liegt schlussendlich der Erfolg von The Chedi Andermatt.



Die meisten Luxushotels in Asien spielen in der Champions League, sie zelebrieren eine Servicekultur, wie man sie sonst nirgends auf der Welt vorfindet. Spielen Sie mit dem The Chedi in dieser Liga?


Ja, in Europa ganz bestimmt.



In asiatischen Luxushotels kommen auf einen Gast drei bis vier Mitarbeitende. Ist das bei Ihnen auch so?


Nein, dies geht hier bei uns leider nicht. Denken Sie nur an unsere Lohnkosten. Wir haben hier 2,5 Mitarbeitende pro Gast. Kein anderes Luxushaus in der Schweiz beschäftigt wahrscheinlich so viele Leute pro Gast.





Und dieser hohe Personalaufwand ist ­finanzierbar?


Ja. Der operationelle Profit wird im Jahr 2021 bei 28 Prozent liegen.



Kompliment! Sie haben ja schon 2020 mit einem Rekordergebnis abgeschlossen, es war das beste Geschäftsjahr in der ­bisherigen Geschichte des The Chedi.


Wir haben im letzten Jahr 17 Prozent mehr Umsatz erzielt.



Ihre Prognose für das noch laufende 2021?


Wir werden voraussichtlich einen Umsatzzuwachs von 25 Prozent erreichen.

Andere Luxushäuser können von solchen Zahlen nur träumen. Wie schaffen Sie das?

Dank unserer Positionierung. Wir haben in den letzten sechs Jahren laufend daran gearbeitet und das Haus noch einzigartiger und exklusiver gemacht. The Chedi ist heute weit über die Schweizer Grenzen hinaus be­­kannt. Man kennt uns! Es gibt Reisebüros in Amerika, die kennen die Schweiz gar nicht, aber sie kennen The Chedi Andermatt.



Wenn man sich in der Branche etwas ­herumhört, heisst es oft: Jean-Yves Blatt ist ein hervorragender Marketingprofi. Ist es das Verdienst von Jean-Yves Blatt, dass The Chedi heute da ist, wo es ist?


Nein, es ist das Team. Sie können das beste Marketing der Welt betreiben, aber ohne ein hoch motiviertes, professionelles Team werden Sie nie Erfolg haben. Der Erfolg kommt nie von einer einzigen Person!



Vor Jean-Yves Blatt waren hier mindestens drei Direktoren aktiv. Keiner schaffte es, das The Chedi auf Erfolgskurs zu bringen. Was machen Sie anders oder besonders gut?


(lacht) Danke für das Kompliment!



Ihre Vorgänger hatten auch gute Leute, aber Sie haben es trotzdem nicht geschafft


… ich hatte vielleicht den Vorteil, dass ich von der Berghotellerie kam. Ich habe fast fünfzehn Jahre in den Bergen gearbeitet, zuletzt im «Park Hotel Gstaad». In den Bergen herrschen andere Gesetze als in einer Stadt. Das Business ist anders, auch die Rekrutierung der Mitarbeitenden stellt ganz andere Herausforderungen dar. Oder denken Sie nur an die Saisonalität in den Bergen.



Im Gastgewerbe herrscht derzeit ein akuter Fachkräftemangel. Haben auch Sie Mühe, gute und geeignete Mitarbeitende zu finden?


Ja, es ist in der Tat sehr schwierig, denn viele Leute im Gastgewerbe halten an ihren Arbeitsstellen fest. Viele haben die Branche während der Pandemie auch verlassen. Wir haben im The Chedi den Vorteil, dass wir unsere Leute intern schulen und mit unserer Service-Philosophie vertraut machen. So gelingt es uns, wirklich motivierte, leidenschaftliche Mitarbeitende heranzuziehen. Sie haben Freude, hier arbeiten zu können, Sie sehen The Chedi als Chance.



Oft wird der Service am Gast inszeniert.


Unsere Leute sind echt, die machen keine Show am Tisch oder an der Rezeption.



Sprechen wir nochmals über die Zahlen. Sie erzielen momentan Höchstpreise,


der durchschnittliche Zimmerpreis liegt zur Zeit bei über 1000 Franken. Und das in diesem abgelegenen Tal in Andermatt


… ich kann mich nur wiederholen: Wir sind eben hervorragend positioniert. The Chedi ist einzigartig und differenziert sich klar von möglichen Mitbewerbern im Alpenraum. Hinzu kommt unser erfolgreiches Revenue Management.



Sie haben offensichtlich einen hervorragenden Revenue Manager.


Nein, dafür bin ich persönlich verantwortlich.



Wo liegt denn die Auslastung im Moment?


Bei 83 Prozent. Im Februar 2021 lag sie sogar bei 90 Prozent.



Wenn Sie die Gästekommentare auf den Online-Bewertungsplattformen anschauen, was mögen die Gäste im The Chedi besonders?


Unsere Mitarbeitenden werden sehr oft gelobt. Und natürlich die einzigartige Infrastruktur.



Gibt es Gäste, die nicht zufrieden waren?


Solche Gäste kritisieren kleine Fehler, die wir machen, sei es an der Rezeption oder im Service. Es sind Kleinigkeiten …



Was ist eine Kleinigkeit?


Wenn der Gast beim Check-out einen Moment warten muss, oder wenn ein Gericht nicht so ist, wie der Gast sich das wünscht. Es gibt auch Gäste, die eine Entschädigung fordern, wenn etwas nicht ganz nach ihren Vorstellungen lief.



Wer ist der typische The Chedi-Gast?


Generation Y und Z, 35- bis 45-Jährige. Kleine, eher junge Familien mit Kleinkindern oder Teenagern. In normalen Zeiten sind 58 Prozent Schweizer Gäste, davon etwa 40 Prozent Westschweizer. Die Deutschschweizer kommen vorwiegend aus Zürich, Luzern, Zug und Baar.



Und Gäste aus Russland oder den Golf­staaten


… in Nicht-Corona-Zeiten sind das etwa 13 Prozent.



Sie verkaufen Ihre grossen Suiten in der Hochsaison für 18 000 Franken. Wer leistet sich solchen Luxus?


Schweizerinnen und Schweizer, internationale Gäste aus Indien, England, Australien, Deutschland …



Normalerweise buchen arabische oder ­russische Gäste solche Suiten


… wir ziehen eher eine Kundschaft an, die auf Understatement setzt.



Wie hoch ist der Anteil OTA-Buchungen?


Etwa 35 Prozent. Der Rest sind Direktbuchungen.



Sie haben zwei Restaurants, eines ist das erfolgreiche japanische mit einem Michelin-Stern und 16 Punkten. Verdienen Sie damit Geld?


Ja. Im Vergleich zu den Zimmern ist der Ertrag im Bereich Food & Beverage natürlich eher bescheiden. 57 Prozent des Umsatzes generieren wir im Logement. Der Rest ist F&B und Spa.



Einige Luxusexperten gehen davon aus, dass in Zukunft eher kleine Hotels und Resorts gefragt sind. Denken Sie an die Malediven, wo jeder Gast seine eigene, kleine Villa hat. The Chedi ist ein riesiger Komplex. Verkauft sich dieses «Grosshotel» in zehn Jahren noch oder ist es dann ein Auslaufmodell?


Nein, The Chedi wird nie ein Auslaufmodell sein. Garantiert! Und noch etwas: The Chedi besteht aus neun Häusern. Da ist nicht nur ein Haus! Unser Luxus, den wir hier dem Gast bieten, wird auch morgen noch gefragt sein. Davon bin ich überzeugt.


Schönes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch, Jean-Yves Blatt.



Über The Chedi Andermatt

Entworfen wurde das im Jahr 2013 eröffnete The Chedi Andermatt mit 123 Zimmern und Suiten vom renommierten Architekten Jean-Michel Gathy. Er schaffte es im Interior Design des Hauses, alpine und asiatische Elemente in eine perfekte Harmonie zu bringen. Traditionelle Materialien wie warme ­Hölzer und Naturstein schaffen eine intime und stilvolle Atmosphäre. Diese spiegelt sich in den Gästezimmern und Suiten ebenso wie in den hotelumfassenden Einrichtungen wider. Highlights sind u.a. der 2400 Quadrat- meter grosse Spa- und Health Club, die Gourmetrestaurants mit dem hoch­dotierten «The Japanese Restaurant» (1 Michelin-Stern, 16 Punkte) und die Wine & Cigar Library mit Raritäten aus Havanna.

Mit dem «The Japanese by The Chedi Andermatt» auf 2344 Meter über Meer betreibt das Hotel das höchstgelegene japanische Restaurant auf der ganzen Welt.

Rekordjahr 2020

Das The Chedi Andermatt verzeichnete 2020 das beste Ergebnis seit der Eröffnung im Dezember 2013. So erzielte das 5-Sterne-Deluxe-Hotel 2020 eine rekordhohe Ganzjahresauslastung von 69 Prozent (2019: 54 Prozent). Der Umsatz stieg im ­Vergleich zum Vorjahr um rund 16 Prozent. ­Insgesamt begrüsste das Hotel im letzten Jahr 55 242 Gäste, was einem Anstieg von rund 17 Prozent gegenüber 47 029 Gästen 2019 entspricht. Und dies, obwohl das Hotel 2020 wegen der Corona-Pandemie nur knapp elf Monate geöffnet war. Im ersten Quartal 2021 knüpfte das The Chedi an die Top-Ergebnisse an und ­verzeichnete für den Zeitraum vom 1. Januar bis Mitte März 2021 eine Auslastung von 83 Prozent sowie eine Umsatzsteigerung von 13 Prozent verglichen zum Vorjahr.





Wer ist Jean-Yves Blatt?

Ein Hotelier mit Leib und Seele: Jean-Yves Blatt positionierte The Chedi Andermatt als spek­takuläres Alpen-Hideaway und führte es in rekordverdächtiger Zeit in die schwarzen Zahlen. Das ­Herzstück von Samih Sawiris’ Milliarden­projekt im Urserntal zu weltweitem Renommee zu ­ver­helfen, galt als eine der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt in der helvetischen ­Luxushotellerie. Jean-Yves Blatt meisterte sie exzellent. Nur eine Stunde, nachdem er Samih Sawiris vor sechseinhalb Jahren zum ersten Mal traf, übertrug dieser ihm die verantwortungsvolle Aufgabe des General Managers. Seine Expertise sprach für sich: Nach einer Ausbildung zum Koch in ­Château-d’Oex absolvierte er die renommierte Hotelfachschule Lausanne (EHL). Anschliessend arbeitete Blatt als Sales- und Marketing Direktor im 5-Sterne-Hotel Lausanne Palace. Als rechte Hand des legendären Jean-Jacques Gauer war er mitverantwortlich für die glamouröse ­Wie­der­geburt des in die Jahre gekommenen ­Palast-Hotels. Innerhalb kürzester Zeit galt er in der Branche als Marketing-Genie. Dieser Ruf festigte sich, als er als General ­Manager vor zehn Jahren das darbende Park Hotel Gstaad zu neuer Blüte brachte. Jean-Yves Blatt hat schwierige Aufgaben immer geliebt und sie als Herausforderungen betrachtet, an denen man wächst. Er kennt den Hotelbetrieb von A wie Angestellte bis Z wie Zwischenbilanz – mit seiner langjährigen Erfahrung, seinem ­beruflichen Geschick und seiner herzlichen ­Persönlichkeit führt er das The Chedi Andermatt verdient als «Hotelier des Jahres 2020/21».

Karl Wild (aus Hotel-Rating Schweiz, 2020/21, Sonntagszeitung, Weber Verlag AG)


Auszeichnungen (u.a.)


2021

  • Falstaff Travel Ranking – die besten Hotels der Schweiz: 98 von 100 möglichen Punkten.
  • Star Wine List of the Year Switzerland: Platz 1 in der Kategorie Grand Prix.
  • Forbes Travel Guide 2021: Bestmögliche Bewertung mit 5 Sternen.
  • Guide Michelin: 1 Michelin-Stern für The Japanese by The Chedi Andermatt auf 2300 Metern Höhe.

2020

  • Hotelrating der SonntagsZeitung 2020/2021: Beste Winterhotels des Jahres (Rang 2).
  • World Luxury Hotel, Spa & Restaurant Awards.
  • GaultMillau Schweiz: Top 10 beste Sushi-Restaurants – The Japanese ­Restaurant (Rang 1).
  • Hotelrating der SonntagsZeitung 2020/2021: Bestes Ferienhotel 2. Rang und Ernennung von Jean-Yves Blatt zum «Hotelier des Jahres».
  • Forbes Travel Guide 2020: Bestmögliche Bewertung mit 5 Sternen.


Zurück zu den Artikeln

Hinterlasse einen Kommentar