Keine Angst, in diesem Artikel geht es nicht um Silikon, Hyaluron, künstliche Wimpern und auch nicht um Fake News. Obschon wir in einer Zeit leben, in der «Fake» eine wichtige Rolle in der Gesellschaft eingenommen hat. Seit Instagramability eine grosse Bedeutung im Marketing gewonnen hat, ist es einfach geworden, sich und alles andere mit diversen Foto- und Videofiltern ins beste Licht zu rücken. Wer das Ganze dann noch mit hippen Beats untermalt, sorgt mit Sicherheit für die nötigen Clicks.
Doch wie viel «Fake» finden wir gut? Wo sind die Grenzen? Gerade in der Innenarchitektur ist «Fake» ein weit verbreitetes und polarisierendes Thema. Dabei spreche ich noch gar nicht vom Schaden, den die Möbelindustrie jährlich durch billige und qualitativ schlechte Plagiate erleidet. Vielmehr meine ich die Auswahl der Materialien, die zum Einsatz kommen.
Während die einen auf das Original schwören, bevorzugen andere das Imitat. Nehmen wir das Beispiel Parkett. Für ein echtes Holzparkett sprechen seine warme Haptik und Optik. Doch gibt es mittlerweile diverse Möglichkeiten, mit Laminat, Vinyl oder Fliesen das Original derart gut zu imitieren, dass kaum noch ein Unterschied wahrzunehmen ist. Und das Imitat kann, je nach Material, auch viele Vorteile mit sich bringen. Einerseits sind es die günstigeren Preise, andererseits bieten sie oft besseren Schutz vor Kratzern oder Feuchtigkeit. Wenn ein Gast in einem Hotelzimmer ein paar Tropfen Rotwein verschüttet und sie nicht sofort selbst beseitigt, kann es bei echtem Parkett zu irreparablen und unschönen Flecken kommen. Bei einem Vinylboden reicht es meistens, wenn das Reinigungspersonal die Flecken wegputzt. Oder bei Nasszellen: Wer hier nicht auf Holzoptik verzichten will, dem bieten Fliesen klare Vorteile, nicht nur wegen des Schutzes vor Feuchtigkeit, sondern auch, weil sie sich gut mit einer Bodenheizung kombinieren lassen. Gerade im Bereich der Keramik gab es einen enormen Entwicklungsschub. Es gibt fantastische Designs in teils riesigen Formaten und Rapporten, die von Naturstein so gut wie nicht mehr zu unterscheiden sind.
Das Gleiche gilt für Vorhang- oder Polsterstoffe, egal ob Leinen, Wolle, Seide oder Leder, von jedem natürlichen Produkt gibt es täuschend echte Kopien in teilweise herausragender Qualität. Auch hier spielen die geringeren Kosten eine Rolle, aber auch die unterschiedlichen Anforderungen in der Objektbranche erklären den hohen Bedarf. Da ist zum einen der Brandschutz, der bei der Auswahl von Materialien im öffentlichen Bereich zu berücksichtigen ist. Es sind aber auch die Betreiber selbst, die grossen Wert auf Waschbarkeit und Schmutzunempfindlichkeit legen. Knitterfreie Vorhänge, die man nicht glätten muss, dürfte jeder Hotelier und Gastronom bevorzugen.
Kunstpflanzen sind ebenfalls ein kontrovers diskutiertes Thema. Doch wem die nötigen Lichtverhältnisse oder die personellen Kapazitäten für ihre Pflege fehlen, dem bleibt nicht viel anderes übrig als «Fake». Wer auf üppige Begrünung nicht verzichten will, dem empfehle ich, auf eine Kombination zu setzen. Alles in unmittelbarer Nähe des Gastes, also in Greifnähe, sollte echt sein. Aber Achtung, im Unterschied zu den meisten anderen «Fakes» ist hier das Original meist günstiger.
Nicht dass man mich falsch versteht, ich schwenke hier keinesfalls die Fahne für «Fakes» und Imitate. Ich möchte lediglich die Angst vor ihnen nehmen und zeigen, welche Möglichkeiten sich mit ihnen bieten. Ich bin ein Freund des Originals. Wo immer die Möglichkeit besteht, setze ich es ein. Aber es ist nicht immer möglich, und bei gewissen Gegebenheiten bieten «Fakes» sogar Vorteile. Wer diese kennt, kann Geld und Arbeit sparen, ohne dabei auf die gewünschte Ästhetik verzichten zu müssen.
Ivo Christow
Head of Design
krucker.swiss