Nach der Corona-Krise:
Swissôtel Kunshan, China. Die Zimmerpreise sind deutlich gesunken. Für gute Buchungszahlen in chinesischen Hotels sorgen vor allem Freizeitreisende.
Im chinesischen Tourismus kehrt Normalität ein – allerdings sehr langsam. Zudem sieht diese Normalität anders aus als vor der Corona-Krise. Was können Schweizer Hoteliers und Tourismusexponenten daraus lernen?
Die Menschen in China sind wieder unterwegs. Allerdings unterscheidet sich das «neue» Reisen wesentlich vom «alten»: Noch wächst allein der Inlandsverkehr – Flüge ins Ausland sind kaum gefragt. Und auch in der Anbieterlandschaft hat der Stillstand vieles durcheinandergewirbelt. Insgesamt rechnet die Tourismusbranche damit, dass die Zahl der Urlauber 2020 im Vergleich zum Vorjahr um bis zu 30 Prozent sinkt. Damit aber käme China deutlich besser durch die Krise als Europa, wo Experten weit höhere Verluste von 50 bis 80 Prozent prognostizieren. Dennoch könnte die hiesige Branche von den Erfahrungen in China profitieren. Wie stellt sich die touristische Szene dort (im Sommer 2020) dar? Was genau hat sich verändert? Worauf sollten sich Destinationen, Veranstalter und Airlines einstellen? Welche Lehren lassen sich also daraus ziehen? Ein Überblick (Stand Mitte Juli 2020). 1. Airlines: Billigpreise, neue Inlandsrouten Kapazitäten und Passagierzahlen während der Corona-Krise sind in China nicht annähernd so stark zurückgegangen wie in Europa. Bereits Mitte Februar setzte ein erster Wiederaufschwung ein, der sich seither aber zäh weiterentwickelt. Etwa 42 Prozent der früheren Inlandsflüge sind wieder in Betrieb, Auslandsrouten hingegen sind streng gedeckelt und kaum gefragt. Die Auslastung der Maschinen ist weiterhin gering, da die Passagierzahlen nur 30 Prozent des Vorjahresniveaus erreichen. Airlines locken Reisende nun mit Billigraten: Für die Maiferien (1. bis 5. Mai) reduzierten sie ihre Ticketpreise um bis zu 90 Prozent. Da für Sommer/Herbst ein Boom bei den Inlandsreisen Tatsache ist, haben manche regionale Fluggesellschaften sogar neue Routen innerhalb Chinas aufgebaut. An Bord ist ein freier Sitz zwischen den Passagieren Pflicht, ebenso 1-Meter-Abstände in den Vorfeldbussen. Die Körpertemperatur wird mehrmals gemessen.
Rezeptionsmitarbeiterinnen (mit Schutzmasken) in einem Kempinski- Hotel in Peking.
2. Ziele: Inland, Qualität und Sicherheit punkten Die erste grössere Reisewelle im Mai/Juni nach Aufhebung der strikten Anti-Corona-Massnahmen hat gezeigt: Statt für eine Auslandsreise entschieden sich die Chinesen für Ferien im eigenen Land. Und für die Zeit nach den Einreisebeschränkungen rechnet Forrest Zhang, China-Chef von Hotelbeds, zunächst mit einem Erstarken nahe gelegener Länder wie Japan, Thailand und anderer südostasiatischer Regionen. Im Trend liegen, laut seinen Worten, Destinationen abseits dicht besiedelter, überlaufener Gegenden. Die Reisenden bevorzugten Naturgebiete in den Bergen und am Meer; Städteurlaube seien weniger gefragt. Ein weiteres Hauptanliegen der Buchenden bei Maiferien sei die Sicherheit gewesen: «Die Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Ferien steigt.» Auf Hotelbeds würden derzeit vor allem Unterkünfte im Vier- und Fünfsternesegment nachgefragt; einfacheren Häusern wird oft nicht zugetraut, die strengen Hygieneanforderungen einhalten zu können. Gebucht werden in China Hotels, die überzeugend darstellen können, dass sie die Sicherheits- und Hygieneregeln (Masken, Abstand) einhalten. Im Trend liegen zudem Mietwagen. Sie stehen gleichermassen für Sicherheit wie für Flexibilität: Sollten sich irgendwo erneut Reisebeschränkungen auftun, können Autoreisende darauf schneller reagieren. Wie fragil die Lage auch in China weiterhin ist, zeigte sich Anfang Juni, als eine Stadt nahe der 10-Millionen-Einwohner-Metropole Harbin erneut Beschränkungen beschloss, weil mehr als 500 neue Corona-Fälle registriert worden waren. 3. Geschäftsreisen: Sicherheit und Budget Verbote gibt es kaum noch: Dienstreisen innerhalb Chinas sind längst wieder möglich. Auch europäische Unternehmen erlauben ihren Angestellten das Unterwegssein mit Bahn und Flugzeug, machen das Tragen von Masken und Schutzausrüstungen zur Pflicht. Chinesische Geschäftsreiseanbieter rechnen damit, dass bei den Firmen die Aspekte Sicherheit und Kosten im Fokus stehen werden. So bevorzugen Travel-Manager bei der Hotelwahl einerseits die grossen internationalen Ketten statt Einzelhotels (Sicherheit), buchen dort andererseits statt des gehobenen das mittlere Preissegment (Kosten). Reisende berichten zudem von vielen und intensiven Gesundheitskontrollen auf den Flughäfen, was die Wartezeiten verlängert. Für 2020 geht Ctrip Corporate Travel von mehr inländischen Geschäftsreisen aus.
Jin Jiang Hotel in Peking. Kapazitäten und Passagierzahlen während der Corona-Krise sind in China nicht annähernd so stark zurückgegangen wie in Europa.
4. Hotels: Viel Hygiene und günstige Raten Mit knapp 13 Prozent erreichte die durchschnittliche Hotelbelegungsrate in China im Februar 2020 ihr Allzeittief. Das ist dennoch ein Wert, von dem viele Schweizer Stadthoteliers derzeit nur träumen können. Laut Angaben des Reiseportals China Travel News stieg im Juni die Belegung auf 56 Prozent, wobei sich die Einnahmen pro Zimmer (RevPar) jedoch deutlich um fast 78 Prozent verschlechterten. Sprich: Die Zimmerpreise sanken deutlich. Die Erholung bei den Buchungszahlen führen die Ketten vor allem auf Freizeitreisende zurück. Gebucht werden Hotels, die überzeugend darstellen können, dass sie Sicherheits- und Hygieneregeln (Masken, Abstand, stetige Desinfizierung) einhalten, und die auch während der Corona-Krise den Kontakt zu ihren Kunden gehalten haben. 5. Anbieter: Schwenk zu den Grossen Nicht alle Reiseanbieter in China haben die Corona-Krise überlebt. Unter den Opfern sind vor allem Start-ups, da sich deren Investoren zurückgezogen haben – etwa die erst 2019 gegründete und vom Internetgiganten Trip.com finanzierte Hotelkette Wujiang. Aber auch Firmen, die über eine zu dünne Eigenkapitaldecke verfügten, überstanden die Krise teilweise nicht. Hotelbeds-Manager Zhang rechnet damit, dass auch viele kleine Reisebüros sowie Veranstalter und B2B-Anbieter, die mit zu geringen Margen arbeiten, verschwinden werden. Auch in der weltweiten Zusammenarbeit vertrauten chinesische Partner im B2B-Bereich grösseren Akteuren mehr, da sie über stabilere Finanzen verfügten.