«Wir halten an unseren Wachstumsplänen fest»

«Hotelier»-Gespräch mit Yoram Biton, Managing Director der Leonardo Hotels Central Europe

Die Leonoardo Hotels expandieren weiter und verkünden die Eröffnung von fünf neuen Hotels. Damit wächst die Gruppe auf 87 Hotels in Zentraleuropa mit mehr als 15 000 Zimmern. «Unser erklärtes Ziel für 2022 und darüber hinaus ist ein stabiles organisches Wachstum», so Leonardo-Manager Yoram Biton. Wie lauten die Pläne für die Schweiz?


Yoram Biton, Ihre Hotelgruppe ex­­pandiert weiter – trotz Covid-Krise. Sie haben soeben die Eröffnung von fünf weiteren Hotels in Zentraleuropa angekündigt. Damit ­wächst die Gruppe auf 87 Hotels. Können Sie uns Ihre aktuelle Wachstumsstrategie etwas erläutern?

Seit dem Start im Jahr 2006 sind wir ein Big Player in Europas Hotelbranche und auf gesunde und schrittweise Expansion eingestellt. Als Teil der israelischen Fattal Hotel Group, die 1998 von David Fattal gegründet wurde und heute zur grössten Hotelgruppe Israels zählt, setzen wir in unserer europäischen Division seit über 14 Jahren Meilensteine.

Und die Pandemie hat Ihre Pläne infrage gestellt?

Natürlich hat die Corona-Pandemie uns und die gesamte Branche vor völlig neue Herausforderungen gestellt. Obwohl Nachfrage und Neubuchungen in allen Segmenten weiterhin stagnieren, stehen wir nicht still. Unser Handeln ist stets nach vorne gerichtet. Es ist uns gelungen, ein erfolgreiches Krisenmanagement auf die Beine zu stellen, um die Liquidität des Unternehmens zu sichern. Damit konnten und können wir unsere neuen Projekte angehen. Wir haben im letzten März das neue NYX Hotel Warsaw lanciert, gefolgt vom Leonardo Royal Nürnberg. Weitere Projekte waren das Leonardo Royal Barcelona Fira im grössten Stadtviertel von Barcelona sowie das Leonardo Eschborn im Rhein-Main-Gebiet und das Leonardo Augsburg im Oktober 2021. Weitere Projekte bis 2024 haben wir jetzt auch schon in Hamburg und Berlin in der Pipeline.


Werden Sie auch in der Schweiz neue Hotels eröffnen oder beste­hen­­de Bertriebe übernehmen und als «Leonardo Hotel» führen?

In der Schweiz sind wir aktuell mit drei Hotels vertreten: dem Leonardo Boutique-Hotel Rigihof Zürich, dem Alden Suite Splügenschloss Zürich und seit Frühjahr 2020 dem Leonardo Zürich-Airport, das eines unserer Aushängeschilder in Sachen ökologisches Bauen ist. Es wurde nach neuestem ökologischen Minergiestandard errichtet, also dem neuesten Stand der Technik für nachhaltiges Bauen mit einem sehr geringen Energiebedarf.


Und welche Hotels folgen nächstens in der Schweiz?

Auch wenn wir hier noch nicht viele Hotels haben, ist die Schweiz und allen voran Zürich als Wirtschaftsstandort hochinte­ressant für unsere Unternehmensgruppe. Je nach Lage und finanziellen Möglichkeiten sind wir an weiteren Projekten interessiert, die den Trend Bleisure bedienen – also Business mit Freizeitmöglichkeiten kombinieren. Business mit Leisure verbunden wird im «New Normal» wichtig wie nie zu­­vor.


Sie denken in diesem Zusammenhang an eine Kollektion, die ­unter anderem Resorts mit hohem Freizeitwert umfasst. Wo liegt hier in Europa der Fokus?

Wie zuvor erwähnt, sind wir Teil der Fattal Hotel Group in Israel, die mit Häusern am Toten und Roten Meer sowie in Tel Aviv stark leisureorientiert ist. Unser Mutterkonzern ist in diesem Bereich Marktführer in Israel. Wir kennen uns also mit dem Thema sehr gut aus. Und hier können wir mit unserem Bekanntheitsgrad in über 200 europäischen Destinationen sowie un­­serem grossen Kundenstamm punkten. Angedacht ist tatsächlich eine ausgewähl­te Kollektion, die unter anderem Resorts mit hohem Freizeitwert umfasst. Dabei bleibt Deutschland im Fokus. Schöne Stand­­orte an der deutschen Nord- und Ostseeküste sowie auf den Inseln sind interessant. Dabei müssen sie gut erreichbar sein und eine gewisse Infrastruktur besitzen, die Nähe zu einem Ballungsgebiet oder einer Stadt ist ebenso wichtig wie eine Grösse von mindestens 100 bis 200 Einheiten (Hotelzimmer/Apartments/Ferienwoh­nungen).


Sie haben in einem Gespräch «flexiblere Vertragskonstellationen» mit Vermietern und Bauherren in Form von Management- und ­variablen Pachtverträgen erwähnt, um eine faire Risikoverteilung zu gewährleisten, die sich im Zuge der Corona-Pandemie als wichtigster Bestandteil der Entwicklung herauskristallisiert habe. Wer trägt nun am Ende das Risiko, der Hotelbe­treiber (Leonardo) oder der Investor bzw. Vermieter?

Die Corona-Pandemie hat sich massiv auf den Hotelinvestmentmarkt ausgewirkt. Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass ein Umdenken von allen Beteiligten an einer Hotelimmobilie – Investoren, Vermieter, Hoteliers – stattfinden muss. Für uns war es wichtig, konstant den Kontakt zu unseren Partnern zu halten und neue Agreements zu schaffen, um weiter am Markt bestehen zu bleiben – und das im Schulterschluss mit unseren Cash-Flow-starken Eigentümern, was von grossem Vorteil ist, um gemeinsam Stärke zu be­­weisen und die Krise zu meistern.


Was heisst das nun konkret?

Mit flexibleren Vertragskonstellationen in Form von Management- und variablen Pachtverträgen kann eine faire Risikoverteilung gewährleistet werden. Erfolgreiche Beispiele gibt es seit Jahren in Asien oder Skandinavien. Wir setzen uns vermehrt für diese Vertragsformen ein. Der Vorteil bei Hybrid-Verträgen ist, dass ein klarer Anteil der Pacht vom Erfolg des Hotels abhängt. Dabei sind strategisch bedeutende und vor allem starke regionale Standorte förderlich, auf die wir als bonitätsstarker Betreiber unser Portfolio ausrichten und damit auch unseren Investoren eine gewisse Sicherheit geben.


«Unser erklärtes Ziel für 2022 und darüber hinaus ist ein stabiles organisches Wachstum», haben Sie in einer Medienmitteilung gesagt. Was meinen Sie damit konkret?

Unser Ziel ist ein langfristiges Wachstum aus eigener Kraft, nachhaltiges Wachstum steht im Fokus. Ebenso die Qualitätssicherung des gesamten Portfolios und damit auch ein konstanter Reinvest in diese Produkte. Wir schaffen damit langfristige Stabilität und Planungssicherheit. Die Pandemie hat noch einmal aufgezeigt, wie wichtig diese Parameter für ein gesundes Unternehmen sind.


Sie wollen vermehrt auch Hotels in B- und C-Destinationen betreiben. Was erhoffen Sie sich damit? Und was sind für Sie B- und C-Destinationen – zum Beispiel in der Schweiz?

Wir haben ein gesundes Portfolio aus Ho­­tels in Top und Second Cities. Das ist von grossem Vorteil. In wichtigen Metropolen wie Berlin, Barcelona, Mailand, Rom, Warschau, aber auch in Second City Spots wie Dortmund, Verona und Bilbao überzeugen wir mit unserem Standortkonzept, das mit kurzen Wegen zu öffentlichen Verkehrsmitteln, Flughäfen, Messen, Sehenswürdig­keiten, Kultur und Shopping-Möglichkeiten punktet.

Die Corona-Erfahrung hat uns auch ge­­lehrt, dass wir uns stärker auf B- und C- Locations fokussieren sollten. Kleinere Orte von grosser regionaler Einzugskraft haben einen besonderen Charme entwickelt. Hier profitieren wir von unserer Re­­gionalität. In Städten wie Aachen oder Mönchengladbach dominiert das regiona­le Business. Dort ist der Mittelstand, der für eine kontinuierliche Auslastung sorgt. Bezogen auf unsere Marken konnten wir beispielsweise mit unserer Lifestyle-Marke NYX Hotels sowie unseren Boutique-Ho­­tels selbst in der Krise auch gute Belegungen erzielen.


Was sind B- und C-Standorte in der Schweiz?

Das sind wichtige regionale Standorte wie Bern, Luzern oder Genf, die auch wirtschaftlich bedeutend sind aufgrund verschiedener Unternehmen, die dort ansässig sind.


Werden Sie in naher Zukunft das Markenportfolio erweitern?

Unser Marken Konzept basiert auf unseren vier bewährten Marken, die wir weiterhin stärken werden: Leonardo Hotels, Leonar­do Royal Hotels, Leonardo Boutique Ho­­­tels sowie NYX Hotels by Leonardo Hotels. Darüber hinaus sind wir ebenso offen, durch Projekte in Leisure-Destinationen unser Portfolio zu ergänzen.


Sie haben es bereits angetönt: Die Gruppe Leonardo Hotels Central Europe ist Teil der Fattal Hotel Group, die 1998 von David Fattal gegründet wurde. Wer ist David Fattal und was steckt hinter diesem Unternehmen?

David Fattal aus dem israelischen Haifa gehört zu den führenden Hoteliers weltweit, der sich vom Portier zum Milliardär hochgearbeitet hat. Er rutschte eher zufällig in die Hotelbranche. Eigentlich wollte er Schulleiter werden und studierte deshalb Wirtschaft und Pädagogik. Doch nach dem Militärdienst machte Fattal eine Lehre in einem Luxushotel, das er mit seinem Vater immer bestaunt hatte. Seine Karriere ist beispielhaft: Mit 27 war er be­­reits General Manager. 1998 war ein Wendepunkt für David Fattal – er be­­schloss, seinem Traum gerecht zu werden, und machte sich mit seiner eigenen Hotelmanagementfirma selbständig – die Fattal Hotel Group wurde geboren und ist heute die grösste Hotelgruppe Israels.



Wird sich die Hospitality-Branche in Europa aufgrund der Folgen der Covid-Krise stark verändern?

Viele Hotelbetreiber sind durch pandemiebedingte Einschränkungen wirtschaftlich an ihre Grenzen bis hin zur Insolvenz ge­­stossen. Daher sind aktuell Umnutzungen von Hotelimmobilien im Trend. Ob zu Woh­­nungen, Büroflächen, Mikroapartments oder Cluster-WGs – die Bandbreite der Mög­­lichkeiten hat sich erhöht. Das Umnutzungspotenzial hängt aber stark vom Einzelfall ab. Zudem sind aufgrund anhaltend mangelnder Städtetouristen und Ge­­schäfts­­reisenden – vor allem in den A-Städten – die Auslastungen weiterhin niedrig und das Geschäft stark reduziert. Das internationale Business ist noch nicht vorhanden, und Messen sowie globale Veranstaltungen finden nicht oder nur im kleinen Rahmen statt. Gemäss dem Hotelmarktreport 2021 von Engels & Völkers ist eine strukturelle Neuordnung der Hotellerie in Städten zu erwarten und weitere Übernahmen durch kapitalstarke Marktteilnehmer. Hotelprojekte, die mit einem nachhaltigen oder digitalen Fokus herausstechen, werden sich bei Gästen leichter etablieren können.


Wie lauten denn Ihre Prognosen oder Einschätzungen für die ­nächsten Jahre bis 2025, was Tourismus und Hotellerie in Europa betrifft?

Einschätzungen sind nach wie vor schwierig. Doch eins ist klar: Seit Covid-19 ist die Bedeutung menschlicher Beziehungen sehr deutlich geworden, und wir könnten eine Rückkehr zu mehr persönlichem Service auf Wunsch des Gastes erleben. Achtsamkeit und Leichtigkeit stehen im Fokus. Schnelllebige Aufenthalte sind nicht ge­­fragt. Das Hotel der Zukunft wird sehr flexibel sein und unter seinem Dach variantenreiche Angebote für Business und Leisure (Bleisure) bieten. Dabei kommt es auf die Individualität und Persönlichkeit der einzelnen Häuser und ihre enge Verbundenheit mit der jeweiligen Region an. Alle Player im Tourismus werden enger als je zuvor zusammenarbeiten (müssen).


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