Hotels und das Metaverse

Es ist manchmal erschreckend, wie weit fortgeschritten die digitale Welt bereits ist.

An einem schönen Dienstagvormittag vor ein paar Wochen lege ich im Büro der Hegias AG im Zürcher Löwenbräu-Areal eine Virtual Reality-Brille der neuesten Generation auf und finde mich plötzlich im digital nachgebauten Kirchner Museum Davos wieder. Noch ist er­­kennbar, dass ich mich in einem digitalen Raum befinde, aber die Umsetzung allgemein überzeugt. Ich gehe durch die verschiedenen Säle des Museums, betrachte einzelne Werke Kirchners und erhalte zusätzliche Informationen. Ist das bereits das Metaverse? Oder ein Teil davon?

Seit Facebook sich im letzten Jahr in Meta umbenannt hat, wurde das Konzept des Metaverse, das schon seit langem im Silicon Valley kursiert, einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zumindest für die Optimisten unter den Kommentatoren scheint das Metaverse eine logische Erweiterung des Internets zu sein: nachdem sich die Präsentation von Inhalten im WWW von Text zu Fotos und Videos entwickelt hat, könnte der nächste Schritt die integrierte, immersive 3D-Erfahrung des Metaverse sein.


Was das Metaverse sein kann, ist offen: eine virtuelle Welt, die mit entsprechenden Geräten betreten werden kann. Ein neues virtuelles Wirtschaftssystem. Ein Paradies für Gamer, die als Avatare nunmehr durch keine (körperlichen) Grenzen mehr eingeschränkt werden. Die Fortsetzung (oder Neuerfindung) des Internets mit allen Konsequenzen, die im Moment vor allem für Marketingbelage vorstellbar sind. Oder eben eine Kombination von alldem.

Viele Firmen arbeiten bereits an virtuellen Experiences und Produkten für das Metaverse. Das Metaverse wird, so der Chef-Lobbyist von Meta, Nick Clegg, «kein von Meta betriebenes Metaverse sein. Genauso wie es heute kein ‹Microsoft Internet› oder ‹Google Internet› gibt.» Zu den verschie­denen sinnvollen Anwendungen wie z.B. im Bildungs- oder Gesundheitswesen wurden bereits viel geschrieben. Der Umstand, dass alle aufgerufen sind, sich an der Entwicklung des Metaverse zu beteiligen, sollte die Hotellerie aufwecken!

Die holländische Hotelkette Citizen M mit über 20 Betrieben weltweit, darunter je einen in Zürich und Genf, ist die erste Hospitality-Unternehmung, die im Metaverse ein Hotel baut. Citizen M hat dafür «Land» in der Video-Game-Umgebung «The Sandbox» erworben und plant nun, ein virtuelles Hotel zu bauen, in dem Avatare «arbeiten, schlafen und spielen» können. Finanziert wird dieses Unterfangen durch den Verkauf von 2000 NFTs (non-fungible tokens), mit denen Ermässigungen in den Hotels der echten Welt eingelöst werden können. In Zukunft plant das Hotel auch als Galerie zu dienen und mit digitalen Künstlern zusammenzuarbeiten, deren Werke als NTFs präsentiert und verkauft werden. Kürzlich hat auch das Chedi Andermatt in verschiedenen Medien angekündigt in einem Showroom im Metaverse präsent zu sein.

Nun wage ich den nächsten Selbstversuch – ähnlich wie im Zürcher Löwenbräu bei Patrik Marty und seiner Hegias AG, als ich das Kirchner Museum Davos virtuell besucht habe. In der Video-Game-Umgebung Decentraland, erstelle ich einen Avatar, der mir ein Stück weit ähnlich sieht und nun irre ich durch eine digitale Welt auf der Suche nach dem Chedi, das hier in einem Showroom eines Zahlungsanbieters (ja! Es geht hier oft um Blockchain-Anwendungen und Kryptowährungen) auffindbar sein sollte. Nun, so einfach ist das nicht. Ich brauche eine gewisse Zeit, bis ich mich in Decentraland, dieser dezentralisierten 3D-Plattform, zurechtfinde und frage mich, wie stark die digitale Welt die «echte Welt» in Zukunft wirklich durchdringen wird. Das Chedi habe ich auch nach cirka einer Stunde nicht gefunden.

Und doch werden durch diesen ersten kurzen Selbstversuch gewisse Anwendungen für Hospitality greifbarer: Konferenzsäle, Event-Locations und ja das gesamte Hotel werden auf eine nie dagewesene Art und Weise begehbar. Oder könnte es gar sein, dass Hotels in Zukunft die Plattformen ­bieten werden, um virtuelle Meetings zu hosten. Also dass sie die Zooms, Teams und Meets dieser Welt mit einer realis­tischeren Option die Stirn bieten werden? In ihrem Metaverse-Hotel?

Vielleicht ist die digitale Welt von heute doch nicht so erschreckend?


* Daniel Plancic ist Geschäftsleiter der SHS Academy, des innovativen Weiterbildungsinstituts für die Schweizer Hotellerie. Neben seinen vielseitigen Tätigkeiten, wie z.B. Studiengangsleiter des Weiterbildungslehrgangs «Director of E-Commerce», den die SHS Academy gemeinsam mit der Hotel Gastro Union durchführt, ist er Konferenzleiter des Swiss Innovation Day.


Im Themenblock «Next Gen Tech» am 7. Swiss Innovation Day unterhalten sich Jan Starcke, Travel Lead DACH bei Meta (Ex-Facebook) und Patrik Marty, Gründer von Hegias AG über die Herausforderungen und die Chancen des Metaverse für die Schweizer Hotellerie.

Zurück zu den Artikeln