Wann beginnt die bezahlte Arbeitszeit?

Wann beginnt die bezahlte Arbeitszeit?

In der Küche tragen die Mitarbeitenden im Regelfall spezielle Kleider. Häufig sind auch im Service oder auf der Etage bestimmte Kleider ­vorgeschrieben. Schon beginnt die Diskussion: Ist die Zeit für das Umziehen bereits bezahlt oder noch nicht? Müssen Mitarbeitende zu Messen ins Ausland reisen, kommt auch die Frage auf, was als Arbeitszeit gilt und was nicht. 

Es gibt zahlreiche Vorschriften, Höchst­arbeitszeiten, Ruhezeiten, Pausen etc. Die Einhaltung dieser Vorgaben muss kontrolliert werden. Das Kontrollinstrument ist die Arbeitszeiterfassung. Also sind Arbeitgebende und Mitarbeitende gesetzlich verpflichtet, die Arbeitszeit aufzuzeichnen. Allerdings ist nicht so klar, wann die Arbeitszeit beginnt und wann sie endet. 

Der Art. 13 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz besagt, dass als Arbeitszeit im Sinne des Gesetzes die Zeit gilt, während der sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten hat. Eine genauere Aussage findet man auf Gesetzes- oder Verordnungsebene nicht. Im gleichen Artikel ist klargestellt, dass der Arbeitsweg im Regelfall nicht zur Arbeitszeit gehört. Werden Mitarbeitende aber an mehreren Arbeitsorten eingesetzt, geht die Diskussion los. Zwar definiert Abs. 2 von Art. 13 ArG, dass, wenn die Arbeit ausserhalb des üblichen Arbeitsortes geleistet werden muss, dann die zeitliche Differenz zum üblichen Arbeitsweg Arbeitszeit ist. Aber kann man mehrere Arbeitsorte haben? Die ­Antwort: Wenn dies im Vertrag so vereinbart ist, dann ja. Aber garantieren, dass dies jede kontrollierende Behörde auch so sieht, kann man nicht. 

Spezialfall Auslandsreisen
Auch wenn die wenigsten Mitarbeitenden regelmässig oder sporadisch im Interesse des Arbeitgebers im ­Ausland unterwegs sind, kommt das auch in unserer Branche vor. Ein Besuch einer internationalen Messe kann nicht nur wegen der Reisezeit zu sehr langen Arbeitstagen führen. Auf gesetzlicher Ebene ist im­­merhin seit November 2020 geregelt, dass im Falle von Auslandsreisen die in der Schweiz zurückgelegte Hin- und Rückreisezeit als Arbeitszeit gilt (Art. 13 Abs. 3bis ArG V1). Die Frage, ob die im Ausland für Schweizer Unternehmen geleistete Arbeitszeit dem schweizerischen Recht unterstellt ist oder nicht, ist bei dieser Revision nicht geregelt worden. Man muss annehmen, dass das Arbeitsgesetz für Arbeitszeit im Ausland nicht gilt. Aber auch das ist nicht absolut sicher. Deshalb gilt die allgemeine Empfehlung: Immer, wenn der Gesetzgeber unklare Vorgaben macht, die vorhandene Lücke mit einer klaren Vereinbarung zu schliessen. Erstens sind Mitarbeitende ihrer eigenen Unterschrift gegenüber tendenziell loyal und zweitens achten Richtende die Vertragsfreiheit so lange, wie keine klaren gesetzlichen Vorgaben verletzt werden. 

Umkleidezeit ist in der Regel nicht Arbeitszeit 
Auch wer nicht ins Ausland reist, weiss oft nicht so genau, wann er einstempeln bzw. aufzeichnen darf. Mitarbeitende haben nicht selten beim Arbeitgeber einen Spind, in dem sich ihre Arbeitskleider befinden, die sie anziehen, bevor sie mit ihren Arbeitsverrichtungen beginnen. Auf Gesetzes- oder Verordnungsebene ist nicht geregelt, ob die Umkleidezeit Arbeitszeit ist oder nicht. Allerdings hilft die Wegleitung des SECO. Dort steht im Kommentar zum Art. 13 unter anderem: «Im Zusammenhang mit Umkleiden … gilt somit all das als Arbeitszeit, was obligatorisch Teil des Arbeitsprozesses ist: Anziehen von persönlicher Schutzausrüstung für den Gesundheitsschutz und gegen Unfälle, Anziehen von Überzugskleidern oder steriler Arbeitskleidung wie auch das Durchschreiten einer Schleuse aus Gründen der Hygiene …». Daraus kann man schliessen, dass das Anziehen einer üblichen Arbeitskleidung wie bspw. einer Überhose oder eben einer Küchenbluse nicht zur Arbeitszeit zu rechnen ist. 

In der Tendenz gilt deshalb wohl die Regel: Die Mit­arbeitenden haben ausser in Spezialfällen, wie in der Wegleitung beschrieben, umgekleidet zur Arbeit zu erscheinen. Allerdings muss sich ein Gericht nicht an die Wegleitung des Seco halten, weil es sich dabei nicht um rechtlich bindende Bestimmungen handelt. 

Klare vertragliche Vereinbarungen helfen 
Wie bereits erwähnt bleibt für jene, die Klarheit schaffen wollen, nichts anderes, als über eine betriebliche Regelung – sei es im konkreten Arbeitsvertrag oder in einem für alle geltenden Reglement – die ­Unsicherheit zu beseitigen. Wenn bei Stellenantritt definiert ist, dass die Mitarbeitenden in der Arbeitskleidung zur Arbeit zu erscheinen haben, gibt es ­keinen Spielraum für Interpretationen mehr. Dann darf die Arbeitszeit erst aufgezeichnet werden, wenn man umgekleidet am Arbeitsplatz steht. Das Gleiche gilt, wenn vor Antritt einer Arbeitsreise ins Ausland klar definiert ist, was als Arbeitszeit abgerechnet ­werden darf und was nicht. 

Besteht eine klare Regelung und werden höhere Löhne als die Mindestlöhne nach Art. 10 L-GAV bezahlt, sollte man auf der sicheren Seite sein. Denn der höhere Lohn kann ja so interpretiert werden, dass die Differenz zum Mindestlohn als eine Art Abgeltung für Umkleidezeit oder höhere Arbeitszeit bei Auslandsreisen dient. 



Martin Schwegler, lic. iur. / RA 
Der Autor dieses Beitrags ist seit 1994 Dozent für Arbeitsrecht an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern. Hauptberuflich ist er in der von ihm gegründeten Anwaltskanzlei Schwegler & Partner Rechtsanwälte und Notare AG in Menznau (LU) tätig. 2020 hat er die correct.ch ag gegründet, die arbeits­­­rechtliche Dienstleistungen für die Hotel- und ­Gastrobranche anbietet. Ein Produkt der Firma ist correctTime, eine Zeiterfassung, die nach L-GAV und ArG korrekt rechnet. 

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