Nach Winterthur und Zürich soll auch in Luzern ein städtischer Mindestlohn eingeführt werden. Wenn, wie in der Gastronomie und Hotellerie, ein Gesamtarbeitsvertrag Mindestlöhne definiert, wird es kompliziert. Wird der nach L-GAV geschuldete 13. Monatslohn oder die Feiertagsentschädigung eingerechnet? Bezüglich der Ferien kommen Fragen auf. Die Gefahr ist, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden.
In vielen schweizerischen Städten hat die politische Linke die Mehrheit. Entsprechend haben Initiativen für einen städtischen Mindestlohn gute Chancen durchzukommen, so in Zürich, Winterthur und Luzern. Allerdings muss das Bundesgericht zuerst die Frage beantworten, ob es überhaupt rechtens ist, wenn Städte eigene Mindestlöhne einführen, denn der Zürcher Gewerbeverband wehrt sich auf rechtlichem Weg. In Luzern stellt sich inzwischen auch der Kantonsrat dagegen und will ein entsprechendes kantonales Verbot. Unabhängig von der Frage, ob es sinnvoll ist, wenn einzelne Städte auf ihrem Gebiet Mindestlöhne vorschreiben, muss man viel Know-how haben, um festzustellen, ob die branchenspezifischen Mindestlöhne dem städtischen Mindestlohn entsprechen. Am Beispiel Luzern lässt sich das gut illustrieren.
Mindestlohn nach Obligationenrecht oder L-GAV
Geht es nach dem Willen der Stadt Luzern, soll ab 1. Januar 2026 ein Mindestlohn von 22 Franken brutto pro Stunde gelten. Die entsprechende Mindestlohnverordnung äussert sich jedoch nicht zur Frage, welche Lohnbestandteile in diese 22 Franken eingerechnet werden.
Wenn kein GAV vorhanden ist, schuldet ein Arbeitgeber keinen 13. Monatslohn. Ebenso beträgt der gesetzliche Ferienanspruch nach dem Obligationenrecht vier Wochen. Wie in der Branche bekannt ist, haben Mitarbeitende in der Gastronomie und Hotellerie sowohl Anspruch auf den 13. Monatslohn wie auf eine fünfte Ferienwoche. Schliesslich definiert Art. 18 L-GAV, dass fünf Feiertage bezahlt werden müssen.
Hochkomplizierte Berechnungen
Der prozentuale Ferienzuschlag beträgt bei fünf Wochen Ferienanspruch 10,65 Prozent (Art. 17 Ziff. 6 L-GAV), bei vier Wochen Anspruch aber nur 8,33 Prozent. Für die Feiertage müssen in der Gastrobranche 2,27 Prozent auf den Lohn geschlagen werden. Schliesslich kommt sowohl auf den Basislohn (100 Prozent), wie auf den Ferienzuschlag und den Feiertagszuschlag noch der 13. Monatslohn-Anteil von 8,33 Prozent dazu. Zusammengerechnet ergibt dies ein Total von 122,33 Prozent des vereinbarten Stundenlohnes. Wenn man nun die beiden Mindestlöhne nach L-GAV und nach Luzernischer Mindestlohnverordnung einander gegenüberstellen will, so kommt beim städtischen Mindestlohn nur der 8,33 Prozent Zuschlag für die Ferien zum Basislohn hinzu. Das ergibt insgesamt 108,33 Prozent. Oder in Franken und Rappen sind es 23,85 Franken (22 × 108,33 Prozent) pro Stunde.
Nach der hier vertretenen Auffassung – immer, wenn die Juristen diesen Teilsatz anfügen, schliessen sie nicht aus, dass andere Juristen andere Auffassungen haben könnten – muss der Betrag von 23,85 Franken auf den Basis-Stundenlohn nach L-GAV runtergerechnet werden. Also werden 100 Prozent von den 122,33 Prozent ermittelt. Das macht man, indem man sie durch 1,2233 teilt. Das ergibt dann noch einen Stundenlohn von 19,50 Franken.
Berechnungen werden zu Juristenfutter
Schon diese Ausführungen zeigen, dass es ohne Spezialwissen und Routine sehr schwierig zu ermitteln ist, ob der städtische Mindestlohn eingehalten ist. Man stelle sich nun den Mitarbeiter in einem städtischen Hotel vor, der auf seiner Lohnabrechnung einen Stundenlohn von 19,50 Franken sieht und wie er reagiert. Denn er weiss, dass der Mindestlohn in der Stadt Luzern 22 Franken beträgt. Personalverantwortliche werden nicht nur Mühe haben, die obigen Rechnungen zu machen, sie dürften überfordert sein, dies den betroffenen Mitarbeitenden verständlich zu erklären. Schlussendlich läuft es darauf hinaus, dass Rechtsschutzversicherungen und Rechtsdienste oder gar Anwälte beschäftigt werden.
Kommt hinzu, dass der L-GAV Monatslöhne als Mindestlöhne definiert. Also muss der L-GAV-Mindestlohn in den Stundenlohn umgerechnet werden. Da ebenfalls nach L-GAV die wöchentliche Arbeitszeit abhängig davon ist, ob in einem Saisonbetrieb oder gar in einem Kleinbetrieb gearbeitet wird oder nicht. Der Regelfall wird sein, dass nach Art. 15 L-GAV eine 42-Stunden-Woche gilt. In diesem Fall wird der Monatslohn durch 182,5 (365 : 12 : 7 × 42) geteilt, um auf den Stundenlohn zu kommen. Im Saisonbetrieb hingegen ist der Teiler 189 (365 : 12 : 7 × 43,5).
L-GAV Mindestlöhne 24 Franken oder mehr
Gemäss Art. 10 Ziff. 1 Ia L-GAV ist für Mitarbeitende ohne Berufslehre ein Mindestlohn von 3706 Franken pro Monat geschuldet. Umgerechnet auf die Stunde ergibt dies, bei der ebenfalls definierten 42-Stunden-Woche, 20,30 Franken. Ist man in einem Saisonbetrieb mit 43,5 h/Woche angestellt, ist der Basislohn 19,60 Franken pro Stunde. Hinzu kommen die bereits erwähnten Zuschläge für Ferien, Feiertage und der 13. Monatslohn. So beträgt letztlich der massgebende Bruttolohn 24,85 Franken (in Saisonbetrieben 24,00 Franken).
Die Mindestlöhne in der Gastronomie sind also höher als der städtische Mindestlohn in Luzern. Die Luzerner Gastronomen sind im Fall der Fälle also auf der sicheren Seite. Aber bis das alle begriffen haben, wird es noch sehr viele Diskussionen geben.

Martin Schwegler, lic. iur. / RA
Der Autor dieses Beitrags ist seit 1994 Dozent für Arbeitsrecht an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern. Hauptberuflich ist er in der von ihm gegründeten Anwaltskanzlei Schwegler & Partner Anwälte und Notare AG in Menznau (LU) tätig. 2020 hat er die correct.ch ag gegründet, die arbeitsrechtliche Dienstleistungen für die Hotel- und Gastrobranche anbietet. Ein Produkt der Firma ist correctTime, eine Zeiterfassung, die nach L-GAV und ArG korrekt rechnet.
