Für viele das Erste, was sie am Morgen trinken und nach dem Abendessen das Letzte, was sie sich gönnen – der Kaffee. Die perfekte Gelegenheit, um bei Gästen in Erinnerung zu bleiben. Wie das geht, erklärt Barista, Kaffee-Sommelier und «Kaffi-Freak» Sascha Müller.
«Ich dachte immer, dass Kaffee mehr kann als bitter sein», erinnert sich der Teilhaber der Kaffeebar Adrianos in Bern, Sascha Müller. Als gelernter Koch war ihm Sensorik schon immer wichtig. Irgendwann über-trug sich die Faszination für Geschmack auf das beliebteste Heissgetränk der Welt. Wie viel mehr, weiss der Berner mittlerweile: «Richtig guter Kaffee ist von mindestens drei Faktoren abhängig.»
Faktor 1 – Anbau und Ernte
Hier werden einige Parallelen zwischen Wein und Kaffee offensichtlich. Wie beim alkoholischen Traubensaft spielt auch beim Heissgetränk die Pflanze eine grosse Rolle. Es werden zwei Hauptsorten unterschieden: «Arabica» und «Robusta». Bekannte Begriffe. Wie der Name schon sagt, ist letzteres die widerstandsfähigere Sorte.
Auch das Herkunftsland und das «Terroir» – etwa Klima, Bodenbeschaffenheit und Anbauhöhe – vor Ort beeinflussen den späteren Kaffeegenuss. «Die Anzahl Sonnenstunden wirkt sich auf den Zuckergehalt der Kaffeekirschen aus. Mehr Sonnenstunden, mehr Zucker», erklärt Müller. Die reifen roten – oder gelben – Früchte erinnern in ihrer Beschaffenheit tatsächlich an Kirschen. Die Kaffeebohne entsteht aus dem Kern im Innern.
Nach der Ernte gibt es drei verschiedene Varianten, die Kaffeefrüchte zu verarbeiten. «Natural» bedeutet, dass die Früchte in der Sonne getrocknet werden. Bei den Varianten «pulped natural» und «washed» wird maschinell mehr oder weniger der Zuckerschicht um den Kern entfernt. «Je weniger Zucker, desto einfacher ist es später für die Rösterei», erklärt Müller. Und natürlich habe der Zuckergehalt, der sich auch in der Bohne ablagert, Einfluss auf den Geschmack. «Pulped natural»-Bohnen werden anschliessend direkt getrocknet, bei der Variante «washed» wird in offenen Tanks der Restzucker wegfermentiert, danach werden die Bohnen noch gewaschen.
«In den letzten Jahren ist auf den Plantagen ein Trend entstanden, dass während der Aufbereitung ein zusätzlicher Fermentationsprozess, zum Beispiel unter Ausschluss von Sauerstoff, in Gang gesetzt wird, um weitere Geschmacksträger beizufügen. So entstehen Kaffees, die wunderbar nach reifen exotischen Früchten schmecken können», ergänzt Müller.
Faktor 2 – die Röstung
«Das eigentliche Geheimnis beim Kaffee ist nicht der Blend – die Mischung aus verschiedenen Herkunftsländern – wie es oft in der Werbung gezeigt wird, sondern die Röstkurve», verrät Sascha Müller und weist auf das Display neben der Röstmaschine, die mit ihrer rhythmisch drehenden Trommel an eine Waschmaschine erinnert.
Die Phasen der Röstung
1 – Homogenisierung: Findet unter 100 °C statt, schafft die gleichen Bedingungen für sämtliche Kaffeebohnen.
2 – Maillard-Reaktion: Aufgrund der Hitze werden Proteine und Kohlenhydratketten auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt. Daraus entstehen neue, komplexe Aromaverbindungen und erst jetzt bekommt der Kaffee sein typisches Aroma. Der Geschmack der rohen Bohnen erinnert mehr an grüne Erbsen als an Kaffee.
3 – Karamellisierung: Die heikle Phase, in der es schnell zu verbrannten Zuckerarten und somit zu starken Bitternoten in den Bohnen kommen kann.
4 – Entwicklungszeit: Hier geschieht noch das «Finetuning», etwa, wie sauer oder bitter der Kaffee werden soll.
«Wie lange genau die einzelnen Phasen dauern, wird durch die Röstphilosophie der Röstereien bestimmt. Je nach Profil werden Aromen begünstigt oder entfernt», erklärt Müller weiter. Die genauen Daten der eigenen Röstungen behält der Kaffeekenner natürlich für sich.
Dunklere Röstungen oder Mischungen mit Robusta-Anteil sind die beliebtesten Mischungen. Der Trend geht «endlich» weg von sehr dunklen, fast verbrann-ten Kaffees, wie es noch vor zehn Jahren üblich war. «Konsumentinnen und Konsumenten haben nach wie vor Mühe, wenn der Kaffee zu sauer schmeckt», weiss Müller. Hier gelte es, dass der Röster die Balance findet, etwas Säure – mit der einzigartige Frucht-noten in die Tasse gelangen – in den Kaffeebohnen zu belassen, ohne dass der Kaffee sauer wirkt. «Meine Meinung: Kaffees, die keine Säure haben, schmecken langweilig – wie ein Brot ohne Salz», findet Müller.
Faktor 3 – die Zubereitung
Zu guter Letzt ist entscheidend, wie der Kaffee in die Tasse kommt. «Hier müssen erst ein paar Grundsatzfragen geklärt werden», so Müller. «Wie wichtig ist der Geschmack? Und wie viel Aufwand will man für guten Kaffee betreiben?»
Oder umgangssprachlich gesagt: Will man einfach den Knopf drücken und es kommt Kaffee raus oder möchte man sich mit der Materie auseinandersetzen? Entscheidet man sich für Ersteres, geht man unter anderem das Risiko ein, zwar für guten Kaffee zu bezahlen, jedoch nicht alle guten Aromen auch wirklich dem Gast zu servieren.
«Für uns ist das Ziel, das Maximum aus den Bohnen zu holen und in die Tassen zu bringen. Also möglichst alle guten Aromen zu extrahieren, die schlechteren Geschmäcker zu vermeiden», so Müller.
Von links nach rechts:
Godshot! Perfekte Extraktion, nussig braunes Crema, ausgewogener Geschmack
Zu «schnell» Zu grob gemahlen, hellbraunes Crema (sauer, wässrig)
Zu «langsam» Zu fein gemahlen, Crema dunkel und rissig (bitter, pelzig)
Das A und O sei die Mühleneinstellung: Ist das Kaffeemehl zu grob gemahlen, fliesst das Wasser viel zu schnell hindurch und hat nicht genug Zeit, alle guten Aromen in die Tasse zu transportieren. Der Kaffee schmeckt wässrig. Ist das Kaffeepulver zu fein gemahlen, schmeckt der Kaffee aufgrund des hohen Drucks, der entsteht, viel zu bitter und verbrannt. Dauert die Extraktion zu lange, gelangen nur noch unnötige stechende Säuren und Bitterstoffe in die Tasse. Dies erkenne man daran, wenn das Crema einen weissen, verwässerten Punkt enthält. «Was man leider viel zu oft in Restaurants sieht», ergänzt der Kaffee-Spezialist.
Wer sich eine eigene Kaffeestrategie erarbeiten möchte, kann dafür etwa mit einer kleinen Rösterei zusammenarbeiten, eine eigene Röstung kreieren lassen und – ganz wichtig – sein Personal entsprechend schulen. So wird sichergestellt, dass der Kaffee wie geplant serviert wird.
«Aber auch mit einfacheren Mitteln kann man viel erreichen», gibt Müller zu bedenken. Den Techniker regelmässig rufen. Die Maschine nicht nur nach dem Betriebsschluss zu reinigen – eine Zwischenreinigung nach dem Mittagsservice entfernt Reste zuverlässig und sie geraten nicht in die Tassen der Kundinnen und Kunden.
«Je nach Modell ergibt es auch Sinn, den Mahlgrad der Wetterlage anzupassen. Das kann auch mal fünfmal täglich sein. Wenn die Gäste mit klatschnassen Sachen von draussen hereinkommen, hat das sofort Einfluss auf den Kaffee. Das trockene Kaffeepulver zieht Feuchtigkeit aus der Luft an und das verändert, wie schnell das Wasser hindurchfliessen kann», erklärt Müller.
Selbst den Filterkaffee am Frühstücksbuffet könne man leicht optimieren, ohne gleich einen Barista hinzustellen. Die Kanne etwas weniger vollmachen und dafür öfter Kaffeekochen sorgt sofort für mehr Qualität.