Barbara Gibellini gehört zu den raren weiblichen General Managers in Schweizer Luxushotels. Vom «Principe Leopoldo» in Lugano hatte sie einst geträumt, nun führt sie die Villa in die Zukunft.
Die Frau passt gut in dieses Haus, das vor 98 Jahren von einem Hohenzol-lern-Spross als südländisches Refugium gebaut worden ist: Barbara Gibellini hat auf den ersten Blick eine beinahe aristokratische Aura – sie ist perfekt gekleidet und geschminkt, tadellose Umgangsformen sind selbstverständlich. 2015 kam die Italienerin vom hektischen Mailand ins beschauliche Tessin. «Ich dachte, ich würde Milano schmerzlich vermissen und regel-mässig zurückfahren», erinnert sie sich. «Aber wissen Sie, wie oft ich seit 2015 dort war?» Die Antwort erstaunt: kein einziges Mal.
Es gefällt ihr in der «Villa Principe Leopoldo» mit 37 Zimmern und Suiten und im nahen Colina d’Oro, wo sie mit ihrem Partner, einem italienischen Fussballtrainer, wohnt. Die Lombardin aus Bergamo ist die erste General Managerin im fürstlichen Anwesen, das schon eine halbe Ewigkeit zu Relais & Châteaux gehört.
Die Gäste begrüssten einst lieber den Sommelier
Sie liess nicht nur die Hektik der Grossstadt zurück, sie musste sich auch in einem Hotelbetrieb durchsetzen, in dem seit der Eröffnung 1985 die Dinge ihren Lauf genommen hatten. «Es brauchte Fingerspitzengefühl und Überzeugungsarbeit», sagt Gibellini. «Die einzelnen Abteilungen verstanden sich als individuelle Firmen und kooperierten kaum. Ich musste die Leute, die zum Teil schon seit Jahrzehnten hier arbeiteten, auf gemeinsame Ziele einschwören.» Wenn Stammgäste zum Dinner oder Serviceclub-Lunch anrückten, begrüssten sie zwar den Maître oder den Sommelier wie alte Freunde, würdigten aber die neue Chefin keines Blickes. «Tempi passati. Inzwischen fühle ich mich akzeptiert. Ich glaube, ich geniesse intern und extern grosses Vertrauen», sagt die 52-Jährige.
Sie hat im Tessin nochmals die Schulbank einer Hotelfachschule gedrückt, arbeitet eng mit regionalen Touristikern und den vier anderen Fünf-Sterne-Hotels in Lugano zusammen. Gibellini hat die «Villa Principe Leopoldo» für örtliche Künstlerinnen und Künstler geöffnet. Die Direktorin ist in der Regel sieben Tage die Woche im Hotel präsent. Sie schloss das Chefbüro im ersten Stock und zog in die Rezeption um: «So bin ich nahe an Mitarbeitenden und Gästen.» Sie schaut beim Frühstück vorbei, bespricht sich mit den Technikern und Baufachleuten und überwacht persönlich grössere Events, die im «Principe Leopoldo» über die Bühne gehen.
Studierte Ingenieurin und Ökonomin
Die Signora ist längst zur Vollblut-Hotelière geworden. Dabei hatte Barbara Gibellini einem Uniabschluss als Ingenieurin ein Wirtschaftsstudium angehängt und lange in der Modebranche gearbeitet, etwa als Retailspezialistin für Boston Consulting oder grosse Brands wie Max Mara. «Ich habe dort viel gelernt. Bei meinem Start Mitte der 90er-Jahre wandelte sich das Modegeschäft in Italien gerade, neue Player tauchten auf.» Dann der Branchenwechsel: Sechs Jahre stand Barbara Gibellini im Sold der italienischen Hotelgruppe Boscolo, überwachte und definierte als Quereinsteigerin die Standards, führte selbst Hotels in Varese, Rom und Mailand. «Die Hospitality-Branche könnte einiges vom Modegeschäft lernen», bilanziert sie. «In den Fashion Shops schult man das Personal in der Kundenansprache minutiös. In vielen Hotels begnügt man sich dagegen, den Gast das Check-in-Formular ausfüllen zu lassen, zieht die Kreditkarte durch und händigt den Schlüssel aus.» So entstehe keine Bindung; die wahren Bedürfnisse der Kundschaft bleiben ungeklärt.
Konkurrenzfähig auch im Winter
Die Auslastung in der «Villa Principe Leopoldo» und im Schwesterhotel Park Hotel Principe ist so gut, dass gemäss Gibellini «genug Geld auf dem Konto liegt, um zu investieren». Im Idealfall beginnen Ende 2024 Renovierungen und Umbauarbeiten im Luxus-hotel, das einem Tessiner Immobilienunternehmen gehört. In Planung: Investition in den Gourmettempel Principe Leopoldo (16 GaultMillau-Punkte, 1 Michelin-Stern), zeitgemässe Bäder und ein grösseres Spa. «Wenn wir mehr Wellnessfeeling bieten, sind wir im Winter noch konkurrenzfähiger», sagt Barbara Gibellini.
Und wie kam Frau General Manager damals nach Lugano? «Ein Anruf hat alles ausgelöst», erinnert sich Barbara Gibellini. «Ich brauchte nicht lange, um zu -zusagen.» Das «Principe Leopoldo» sei schon immer ihr Traumhotel gewesen: «Als ich in Varese arbeitete, kam ich öfters für einen Kaffee vorbei. Ich dachte: Dieses Haus möchte ich mal führen.» So wurde aus dem Traum Wirklichkeit. Es gibt momentan keinen Grund, der Barbara Gibellini beruflich zurück nach Norditalien ziehen könnte, schon gar nicht ins Grossstadt leben in der Metropole Mailand.