In den mittleren und tiefer gelegenen Wintersportorten liegt zunehmend weniger Schnee. Die Tourismusorganisationen setzen auf bestehende Attraktionen – nur wenige suchen nach Alternativen.
Der letzte Winter war der mildeste seit Messbeginn – wenig Schnee, dafür Regen. Die Periode von Ende Februar bis Anfang März 2023 brachte einen beunruhigenden Rekord: Die Schneehöhe erreichte lediglich ein Drittel der normalen Werte. So lagen zum Beispiel auf 1500 Metern etwa 20 statt der üblichen 75 cm Schnee. Werden die Winter zunehmend schneeärmer, braucht es ein Umdenken.
Einige Skigebiete haben ihre Lifte bereits abgestellt – definitiv. Anfang Oktober schockierte dann Reto Gurtner, Verwaltungsratspräsident und Delegierter der Weissen Arena Gruppe, die Nation mit seiner Aussage, die Winter-Tageskarte werde in zehn Jahren zwischen 200 und 300 Franken kosten. Aus heutiger Sicht eine provokative Aussage. Wie sich die Klimaveränderung in den nächsten zehn Jahren auswirken wird, lässt sich nicht voraussagen.
Adelboden bereitet sich vor
Bahnen und Lifte bringen Gäste ins Skigebiet. Nur: Was machen die tieferliegenden Destinationen, wenn das alles überzuckernde Weiss fehlt und Weihnachten grün-grau ist? Die meisten Destinationen scheinen gut gerüstet und setzen auf bestehende Attraktionen. Doch in Adelboden-Lenk-Kandersteg machen sich die Tourismusverantwortlichen gerade Gedanken, wie sie dem Gast «365 Tage im Jahr einen abwechslungsreichen Strauss an Aktivitäten» anbieten können. «Das ist Teil unserer neuen Destinationsstrategie, die wir gegenwärtig überarbeiten», sagt Anja Sterchi, Marketing-Managerin von Tourismus Adelboden-Lenk-Kandersteg. «Die laufende Entwicklung neuer Angebote ist Bestandteil davon. Jedoch haben unsere Gäste bereits heute viele Optionen, wenn der Schnee im Dorfkern fehlt.» So kann etwa der Gast ab einer Übernachtung den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen und die Region entdecken. Ein anderes Beispiel ist das Angebot «Kerzenzauber»: «Verschiedene Restaurants in der Destination tauschen in den dunklen Wintertagen jeden Donnerstagabend ihre elektrische Beleuchtung gegen Kerzenlicht aus – und verbreiten so eine heimelige Winterstimmung über die ganze Destination – auch wenn der Schnee fehlt.» Nach wie vor sei der Wintersport jedoch für viele Gäste der Hauptreisegrund. «Die Pistenqualität war auch im letzten, eher milden Winter gewährleistet.»
Snowfarming in Engelberg
Gedanken macht sich auch Andreas Lietha, Direktor der Engelberg-Titlis Tourismus AG. «Es ist heute schon Realität, dass unser Dorf nicht immer weiss ist, wahrscheinlich haben sich die Gäste schon daran gewöhnt.» Wichtig sei ihm, die Langlaufloipe am Talboden zu erhalten. «Wir haben nun in Snowfarming investiert, um die Loipe zu sichern. So versuchen wir, immer mehr schneeunabhängige Angebote zu kreieren.» Dank Snowfarming kann Engelberg zudem auch ein kleines Angebot für Skianfänger sicherstellen. «Wir haben Glück, dass unser Skigebiet hoch liegt und wir die Talabfahrt recht gut aufrechterhalten können.»
Auch die Region La Gruyère bietet zahlreiche Attraktionen an, um die Besucher zu unterhalten, so Inès Lugon, Assistente Marketing von La Gruyère Tourisme. Auch bei wenig Schnee sei Schneeschuhwandern möglich, insbesondere in Jaun oder Intyamon. Abwechslung bieten auch die Gruyère-Bäder in Charmey mit ihren Thermal- und Spa-Einrichtungen sowie verschiedene Museen. «Im Winter gibt es nichts Besseres als ein Fondue» – dafür ist die Käse-Region natürlich prädestiniert. Gäste können zudem den Day-Pass La Gruyère buchen und so die Region mit ihren Attraktionen entdecken.
Die Privilegierten: Flims Laax und Gstaad
«Rund 70 % der Pisten im Skigebiet Flims Laax Valera liegen zwischen 2000 und 3000 Metern über Meer, was die Destination zu einem der schneesichersten Skigebiete der Schweiz macht», hält die Kommunikationsverantwortliche Lisa Lerchi fest. «Die Höhenlage von Flims Laax Falera bietet nicht nur Sicherheit im Wintersport, sondern auch eine Chance, vielseitige Alternativen anzubieten, wenn der Schnee in tiefergelegenen Bereichen ausbleibt.» Dazu gehören etwa Winterwandern, kulinarische Erlebnisse auf dem Kulinarik-Trail, Wellness in Hotels und Anlagen, Indoorsport-Möglichkeiten und Kultur.
«Unser Skigebiet mit über 200 Pistenkilometern liegt 1100 bis 3000 Meter über Meer. Schneesicherheit ist damit gegeben», sagt auch Ariane Ludwig, Marketingleiterin von Gstaad-Sannenland. «Zudem bieten wir dank technischer Beschneiung ein Ski- und Snowboarderlebnis in fast allen Höhenlagen.» Die Destination setzt auf ihre Outdoor- und Indoor-Aktivitäten, auf die 30 Winterwanderwege und Langlaufloipen in unterschiedlichen Höhenlagen. Im Fondueland Gstaad gibt es mehrere Angebote rund um die beliebte Käsespeise: Die Gäste tunken ihr Brot in ein riesiges Fondue-Caquelon, das mit Schneeschuhen, zu Fuss oder mit Skiern zu erreichen ist. Den dazugehörigen Fonduerucksack lässt sich in den örtlichen Molkereien mieten.
Davos setzt auf Vielfalt
Davos liegt 1560 Meter über Meer, Klosters nur etwa 1120 Meter. Davos gilt grundsätzlich als schneesicher, Klosters liegt auf einer kritischen Höhe, was den Schnee betrifft. Davos Klosters sei jedoch nicht «nur» ein reines Skigebiet, auch Sportarten wie Langlauf, Winterwandern, Schneeschuhwandern, Schlitteln oder Eissport seien wichtige Bestandteile für die Wertschöpfung, so Samuel Rosenast, Head of Communications & Content der Destination Davos-Klosters. «Diese Sportarten brauchen weitaus weniger Schnee, als für den Skisport nötig ist.» Mit der weltweit ersten Snowfarming-Loipe startet Davos Klosters zudem regelmässig als eine der ersten Destinationen überhaupt in die Langlaufsaison.