Das ist die Ambition für das Luzerner Hotel Hermitage. Ein Top-Beach-Hotel im Alpenland Schweiz zu realisieren, ist die faszinierende und etwas verrückte Idee des Verwaltungsrates. Im Gespräch erläuterte Patrick Döös, Verwaltungsrat und Miteigentümer, wie aus der Beach-Ambition eine Strategie wurde. Ute Dirks, seit letztem Herbst Generalmanagerin im Hermitage, will den Beach-Club-Lifestyle in der Luzerner Bucht umsetzen.
47° 05’ Nord / 8° 3’ Ost – das sind die Breiten- und Längengrade von Luzern. Etwas nä -her am Nordpol als am Äquator gelegen. Beschützt wird die Stadt vom Pilatus, wo bis im Mai Schnee liegt. Dessen Gipfel ragt auf eine Höhe von 2128 Meter über Meer. Mehr Meer ist hier nicht. Ersetzt man das Meer durch den Vierwaldstättersee und ergänzt die «Einsiedelei» Hermitage mit ihren real existierenden Beach-Attributen – Marina, Jugendstil-Seebad, offizielle Station der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) –, so erscheint die strategische Ambition schon naheliegender. Vom Hotel Hermitage hat man einen einzigartigen Blick auf die Luzerner «Nobelherbergen», so Patrick Döös. Sie interessieren ihn jedoch nicht.
Der Verwaltungsrat der Hermitage AG hat anderes im Sinn, als sie zu konkurrenzieren. Sie wollen einen «Top-Brand», der einen Hotel-Lifestyle nach Luzern bringt, den es am Zentralschweizer Meer noch nicht gibt.
Die einzigartige Lage des Hermitage ist denn auch die Grundlage, um den USP des Hauses strategisch weiterzuentwickeln. Patrick Döös: «Mit dem Lifestyle-Ansatz beleben wir diese Einzigartigkeit mit einer Seele und können über die Differenzierung und den Brand leveragen. Die Beach-Club-Positionierung ist für uns deshalb für die Gegenwart und vor allem für die Zukunft der wesentliche strategische Hebel.»
Was soll das Hermitage sein und was nicht?
Warum gehen Menschen in einen Beach-Club? An einem besonderen Ort wollen sie das Leben geniessen, Sonne tanken, etwas erleben – sehen und gesehen werden. Der Beach-Club ist ein eskapistischer Ort. Und Patrick Döss setzt den Beach-Club in Beziehung zu einem grösseren Ganzen. «Im Grunde geht es den Gästen darum, für einen Moment aus der realen Welt in eine andere, perfekte Welt abzutauchen, aufzutanken und die Seele baumeln zu lassen; wie im Spa oder in den Ferien.»
Wie will man diesen Lifestyle im Hotelalltag realisieren? «Mit ‹professioneller Lockerheit›, so hat es Ute Dirks beim Eintrittsgespräch mit mir zusammen-gefasst. Das trifft es gut. Leichtigkeit ist angesagt. Ein Boutique-Hotel mit individuellen Angeboten für eher junge Leute, die bereit sind, den Preis für ein tolles Erlebnis zu zahlen», erörtert Patrick Döös. An -gesprochen werden sollen «mündige Gäste», die von «mündigen Mitarbeitenden» angesprochen werden. Man will Mitarbeiterpersönlichkeiten mit «Ecken und Kanten, nicht rund trainierte, abgeschliffene, sondern auch mal einen spannenden Freak mit Haltung», meint er.
Um sich der Idealvorstellung des neuen Hermitage noch konkreter zu nähern, lässt sich weiter fragen, was man nicht will. Auch davon hat Patrick Döös eine klare Vorstellung. «Keinen roten Teppich. Niemand soll sich fragen: Kann ich mir hier einen Bar-Drink leisten? Wir wollen eine tiefe Eintrittsschwelle. Der moderne Luxus ist das Erlebnis.» Generalmanagerin Ute Dirks fügt hinzu: «Es gibt keine Musterung der Gäste durch Livrierte am Eingang.» Erlebnis, Emotion, Economic und Exzellenz, auf diese vier E lässt sich der neue «urbane, kosmopolitische Touch» der Brand des neuen Hermitage trimmen. Das wollen Verwaltungsrat und Generalmanagerin erreichen, das ist ihre Ambition und ihr Anspruch.
Keine Kopie, keine Vorbilder
Champagnerähnlich schäumt Patrick Döös vor Begeisterung, wenn er vom neuen Beach-Club-Lifestyle erzählt. Die Beach-Club-Kultur werde etwas an den Vierwaldstättersee bringen, was man hier in den letzten 30 Jahren nicht hatte. «The place to be, ein Ort, wo man happy ist» soll es werden statt «nur» der Ort mit der einzigartigen Terrasse direkt an den blauen Seegestaden.
Angestrebt wird eine «Top-Positionierung als Basis für den Erfolg». Vorbilder hat man nicht. Man will keine Kopie kreieren; weder vom Nikki Beach in St. Tropez noch von dem in Ibiza, Dubai oder Miami. Die seien für den Vierwaldstättersee zu «stereotyp, zu jetset-, zu VIP-mässig», sagt Döös. Man will noch stärker werden, «wo man schon top ist – beim Lifestyle und beim See. Wir sind das einzige Hotel in der Schweiz, das diese Kombination bietet. Nur, noch weiss es niemand.» Diese verwaltungsrätliche Vision gilt es, Realität werden zu lassen. «Die Idee sichtbar zu machen, ist meine Aufgabe», sagt die erfahrene Generalmanagerin Ute Dirks ruhig, voller Energie und bereits mittendrin, die Herausforderung umzusetzen.
Üben und sich immer wieder finden
Der zentrale Baustein für das Gelingen des Projekts ist das Verhältnis zwischen Generalmanagerin und Verwaltungsrat. Das scheint zu stimmen, wie beide – Dirks und Döös – im Gespräch beweisen. Man lasse einander den nötigen Raum, die Arbeitsteilung funktioniere. «Die kurzen Wege zwischen Eigentümer und Management sind dafür entscheidend. Wir üben regelmässig den Weg, uns gegenseitig abzustimmen, dass keine falsche Richtung eingeschlagen wird», sagt Dirks. Döös kombiniert dazu: «Der Verwaltungs-rat liefert die Hülle, die Strategie. Die Direktion muss ihr Leben einhauchen.»
Die Arbeitsteilung ist Döös wichtig. «Wir machen die Generalmanagerin nicht dauernd mit spontanen Ideen verrückt. Wir haben heute strukturierte, monatliche Sitzungen, in denen emotionslos, sachlich jeweils der Stand der Dinge in der Umsetzung der Branding- und der Immobilien-Strategie besprochen wird.» Dann taucht der Begriff «Übungssache» wieder auf. Er ist wohl die Grundlage, um die «exotische Idee» (Döös) und die «fantastische Idee» (Dirks) des Beach-Clubs wirklich erfolgreich an den Strand und in die Hotelbilanz zu bringen. Dirks: «Es ist für uns eine Übungssache. Man muss sich immer wieder finden, immer wieder die Ursprungsidee des Beach-Club-Lifestyle-Hotels checken.»
«Wir sind nicht Mäzene»
Die Hermitage-Eigentümer, heute die Familie Kopp- Döös, haben nicht nur eine Beach-Hotel-Ambition, sondern stehen in der Tradition des Hauses mit seinem grossen Umschwung, das seit 1953 in Familienbesitz ist. «Wir wollen eine gesunde Finanzierung, keine Über-schuldung. Die Investitionen wollen wir aus dem Cash-flow bezahlen können.» Selbstverständlich wolle und müsse man auch mit der neuen, selbst gewählten Beach-Club-Strategie erfolgreich sein. Diese Haltung gehört seit jeher zur Philosophie des Familienunternehmens.
Ute Dirks
General Managerin
Patrick Döös
Mitglied des Verwaltungsrats
Der Traum vom eigenen Hotel
«Das eigene Hotel ist ein realisierter Traum von Fritz Kopp-Dober, der 1953 das Hotel Hermitage kaufte», blickt Patrick Döös zurück. Die Faszination Hotel, der Traum vom eigenen Hotel ist heute bei vielen Menschen verbreitet. Wie eh und je. Immer wieder liest man vor allem von reichen Leuten, die sich ein Hotel kaufen, die sich ein Hotel leisten (können). Wegen des Geldes, das mit einem Hotel zu verdienen sehr schwierig und anspruchsvoll ist, tun sie es kaum. Zumal sie schon viel davon haben. Warum kaufen sich Reiche ein Hotel, Patrick Döös? Er überlegt lang und länger.
Sein Erklärungsversuch verfolgt zwei Pisten.
Die eine: Man versucht, für sich «Sichtbarkeit» zu erreichen, indem man «die Welt ins eigene Haus holt». Damit verbunden sei wohl auch der Wunsch, ein gewisses Prestige zu erreichen. Solche Überlegungen, so erklärt er sich die Sache, seien möglicherweise begehrenswert für Menschen, die in «abstrakten Branchen», in eher «trockenen Unternehmen», im Business-to-Business-Feld tätig seien. Dort stünden nicht der Umgang mit Menschen und Lifestyle im Zentrum. Den Umgang mit Menschen und Gastfreundschaft biete ein Hotel selbstverständlich.
«Herkunft, Heritage» ist seine zweite Gedankenpiste, die er als Motivation für einen Hotelkauf nennt. Sich mit einem Hotel ein sichtbares Erbe, eine Herkunft zu schaffen, könnten Gründe sein. Er führt den Gedanken weiter und meint, es gehe darum, sich einen eigenen «Ort» zu schaffen. Einen Ort, mit dem man sich identifizieren könne und der für die eigene Familie stehen soll. Neben einem Hotel seien auch Weingüter oder Schlösser beliebte Identifikations-orte. Allen historischen Gebäuden, die man zu seinem Erbe (Heritage) und zu seinem (neuen) Herkunftsort machen will, ist eines eigen: Man muss neben grossem Engagement viel Geld hineinstecken. Vielleicht lässt sich so die ungebrochene Lust auf Hotels erklären; wenn sie denn erklärt werden soll.