Thematisch ausgerichtete Hotels können erfolgreich vermarktet werden. Sie schaffen nicht nur einen Mehrwert für die Gäste, sondern auch für sich selbst. Sich von anderen abzuheben, ist für Hotels zunehmend wichtiger, sagt Claude Meier, Direktor von HotellerieSuisse.
Themenhotels unterscheiden sich von der herkömmlichen Hotellerie, indem sie sich auf ein spezifisches Thema fokus-sieren. Das kann sich auf verschiedene Bereiche beziehen: eine besondere Ausstattung, ein kreatives Konzept, einen überdurchschnittlichen Service, themenbezogene Speisen oder Spa-Behandlungen. Die Gretchenfrage: Sind Themen-hotels überhaupt ein Erfolgsrezept? Ja, sagt Claude Meier, der Direktor von HotellerieSuisse (siehe auch Interview). «Die Spezialisierungskategorien von Ho -tellerieSuisse etwa helfen den Beherbergungsbetrie-ben, sich auf dem Markt gezielt zu positionieren – das kann natürlich ein Erfolgsrezept sein.» Zuzüglich ihrer spezialisierten Position stellen Themenhotels auch einen Mehrwert für die Gäste dar, denn sie erhalten zusätzliche Hinweise zur Ausrichtung und zur Infrastruktur. Das erlaubt ihnen, eine Auswahl zu treffen, so Claude Meier. «Die Spezialisierungskategorien werden zudem von Schweiz Tourismus verwendet, um die Beherbergungsbetriebe im In- und Ausland zu bewerben.» Es werde immer wichtiger, sich abzuheben und etwas Spezielles zu bieten. «Dies gilt auch für Brand-Hotels, die bereits ein Profil haben. Auch diese Betriebe schärfen ihr Profil immer mehr, um sich von anderen abzuheben.»
Themen gibt es viele, doch die Anforderung, diese innovativ umzusetzen, ist hoch. Zudem setzt das kleine Binnenland Schweiz der Kreativität natürliche Grenzen. In Kenia beispielsweise punktet ein Themen-hotel mit Giraffen. Die Gäste, welche in der Giraffe Manor Lodge in Nairobi übernachten, werden jeden Morgen von Giraffen begrüsst. Das kann die Schweiz nicht bieten. Kühe sind nicht so attraktiv, Murmeli oder Steinböcke wären da schon besser geeignet. Allerdings dürfte es schwierig sein, die Tiere rund um das Hotel zu scharen. Und eine allzu kreative Architektur wie die des Magic Mountain Hotel in Chile, von Moos und Pflanzen überwachsen, dürfte an den schweizerischen Baugesetzen scheitern. Auch das Konzept des Poseidon Undersea Resort auf den Fidschi-Inseln mit Unterwassersuiten lässt sich nicht eins zu eins auf die Schweiz übertragen.
Das Thema kreiert die Zielgruppe
Anders das Konzept des erfolgreichen Icehotel in Schweden. Das gibt es in der Schweiz auch, zumindest in ähnlicher Form. Der Unterschied: Unsere Icehotels, die Iglu-Dörfer in Gstaad, Zermatt und Davos-Klosters haben nur im Winter geöffnet, während das schwedische auch im Sommer Gäste empfängt. Jedoch schlafen diese dann nicht in eisigen Zimmern, dafür kommen sie rund um die Uhr in den Genuss von Sonne. Bei Interesse kann also auch nachts bei Tageslicht gewandert werden. Dadurch steht einer Nachtwanderung bei Tageslicht nichts im Wege.
Kein Iglu aus Eis, dafür einen Pot in der freien Natur bietet das Whitepod Luxury Hotel im Walliser Dorf Les Cerniers. Die Unterkunft ist das ganze Jahr über attraktiv. Jeder Pot ist anders eingerichtet, jeder verfügt über einen Balkon und alle stehen in der freien Natur. Die 18 Pods verbinden Luxus mit Umweltschutz. Wasser und Stromverbrauch werden kontrolliert, Pellets sorgen für Wärme, Abfälle werden rezykliert und lokale Produkte bevorzugt. Das machen andere Hoteliers auch, zumindest teilweise, selbst wenn sie das nicht aktiv vermarkten. Doch das «Whitepod» geht noch weiter: Die Mitarbeitenden wohnen in der Nähe und gehen zu Fuss zur Arbeit. Das besondere Erlebnis für die Gäste dürfte möglicherweise weniger die Ökologie sein als die ungewohnten und luxuriösen kuppelförmigen Unterkünfte.
Wohl eines der ersten Themenhotels der Schweiz ist das Märchenhotel im autofreien Braunwald, gegründet und geführt von der Familie Vogel. Neu verfügt das Haus über die Paradies-Suite, angelegt auf zwei Stockwerken, mit Rutschbahn, Panoramaterrasse, Whirlpool und eigener Sauna. Im Märchenhotel stehen die Kinder im Mittelpunkt. Sie erleben dort alles, was Spass macht: Hühner besuchen, Hasen im Schloss begrüssen, mit dem Lift durch ein Aquarium fahren – und vieles mehr. Jeweils um 18 Uhr ist Märchenstunde. Während sich die Kids vergnügen, entspannen sich die erwachse-nen Gäste im Aussenpool und auf der Sonnenterrasse.
Hier geht es um die Familiengeschichte
Die beiden Betriebe Trauffer Bretterhotel in Hof stetten bei Brienz und In Lain Hotel Cadonau in Zernez könn-ten unterschiedlicher nicht sein. Doch beide widmen sich dem gleichen Thema, dem Holz. Beide Hotels widerspiegeln die Familiengeschichte. «In Lain» heisst auf romanisch Holz. Und im 5-Sterne-Superior-Hotel ist Holz allgegenwärtig. Die Fassade aus altem Arven-, Lärchen- und Tannenholz schmiegt sich sanft in die Bergwelt. Dank der edlen Inneneinrichtung kommt sofort Wohlbefinden auf. Die Gastgeber, Dario und Tamara Cadonau, haben das Haus 2010 eröffnet. Der ambitionierte Chefkoch und Hotelier ist schon nach kurzer Zeit mit Auszeichnungen geehrt worden. So ist sein Gourmetrestaurant Vivanda mit einem Michelin-Stern und 17 GaultMillau-Punkten ausgezeichnet. 2007 begann Dario Cadonau mit der Verwirklichung seines Hotel-Traums. Mit Hilfe des Know-hows aus dem väterlichen Schreinerbetrieb und der familieneigenen «In Lain»-Holzmanufaktur baute er das elterliche Haupthaus in drei Jahren aus und realisierte einen Hotelannexbau mit elf Suiten. Das gesamte Projekt entstand nahezu ausschliesslich in Eigenleistung. Auch beim Bretterhotel Trauffer liegt der Ursprung im familiären Unternehmen, der Holzspielwaren-Schnitzerei. Das Bretterhotel ist Teil der Trauffer Erlebnis-welt, welche vor einem Jahr eröffnet worden ist. Das Hotel, aussen ganz aus Holz, ist innen mit vielen Brettern ausgestattet. Obwohl in den Zimmern auch andere Materialien verwendet worden sind, steht das Thema Holz im Fokus. In der Erlebniswelt finden Schnitzkurse und Seminare statt, während im Laden fleissig verkauft wird. Ein Rundgang zeigt die Handwerkskunst, Geschichte und Tradition der Trauffer Holzspielwaren. Kreiert haben Hotel und Erlebniswelt Marc A. Trauffer und seine Frau Brigitte, welche die Holzspielwaren Firma in dritter Generation führen.
Das Hotel des Horlogers in Le Brassus, ein faszinieren-des Designhotel, ist im Besitz von Audemars Piguet. Das prägt die Werte des Hauses: «Bescheiden und authentisch in dem, wofür wir stehen, wie wir handeln und wie wir den Geist der Uhrmacher verkörpern. Un -ser Innovationsgeist schöpft aus unseren Uhrmacher-wurzeln und erstreckt sich auf unsere Architektur und das gesamte Gästeerlebnis.» Die Brasserie Le Gogant ermöglicht einen atemberaubenden Blick auf den Risoud-Wald, die Küchenteams pflücken Produkte direkt in der nahen Natur. Das Restaurant La Table des Horlogers by Emmanuel Renaut lädt seine Gäste zu einer exklusiven gastronomischen Reise ein. Das Hotel des Horlogers ist zudem Mitglied der Gruppe «Urlaubsarchitektur», welcher ausschliesslich architektonisch anspruchsvolle Ferien- und Gästehäuser angehören. «Hotelarchitektur, die neue Massstäbe setzt – ein vielschichtiges und ganzheitliches Erleb-nis», schreibt das Portal zum Betrieb in Le Brassus.
Mit Spezialisierung auf Zielgruppen ausrichten
Eine andere Möglichkeit, sich auf eine bestimmte Zielgruppe auszurichten, sind thematische Kooperationen wie unter anderem Wellnesshotels, Bikehotels, Wanderhotels, Kinderhotels, Designhotels, Historische Hotels, Familienhotels oder Golfhotels. Gäste, die gerne hoch hinaus möchten, können zum Beispiel ein Gipfelhotel buchen. Acht Hotels gehören dieser Kooperation an, unter anderem das Grimsel Hospiz in Guttannen. Ursprünglich eine Unterkunft für Bergarbeiter, hat sich das Hotel nach dem Umbau zu einem Haus für Ästheten und Naturliebhaber entwickelt. Auch kulinarisch überzeugt das Haus: Gekocht wird nur mit natürlichen regionalen Zutaten. Im berühm-ten Felsenkeller ruhen über 300 Weine.
Hotels, die einer Spezialisierungskategorie angeschlossen sind, haben jedoch oft keinen eignen USP. Profitieren können sie trotzdem. Claude Meier: «Aufgrund der strategischen Kooperation mit Schweiz Tourismus können Betriebe in Katalogen für themen-spezifische Kampagnen aufgenommen und so gemeinsam vermarktet werden. Es gibt kein eigenes Thema, das einen Betrieb gänzlich abhebt, doch es sind Faktoren wie Standort, Destination usw., die das Hotel von anderen unterscheidet.» Die Spezialisierungs-kate gorien zielen nicht per se auf Innovation ab, denn Innovation kann in allen Bereichen geschehen, hält Claude Meier fest. «Die Spezialisierungskategorien helfen den Beherbergungsbetrieben, sich in einer bestimmten Kategorie zu positionieren und so heraus-zuragen. Gerade die Kooperationen mit Schweiz Tourismus helfen den Beherbergungsbetrieben, mehr Sichtbarkeit zu erlangen.»
Authentizität muss sein
Je nach Betrieb werden die Spezialisierungskategorien anders interpretiert. «So gibt es etwa kleine Wellness-hotels, aber auch grosse. Einige Wellnesshotels sind auch Medical-Wellness-Betriebe», so der Hotellerie-Suisse-Direktor. Sporthotels etwa können sich auf eine oder mehrere Sportarten spezialisieren, je nach Nachfrage in der Destination oder Region. «Wichtig ist immer die Authentizität der Umsetzung. Wenn eine grosse internationale Hotelmarke einen Betrieb unter ‹Swissness› betreibt, aber keinen Bezug zur Schweiz hat oder das Konzept nicht mit lokalen Personen vor Ort authentisch umsetzt, spüren dies die Gäste», sagt Claude Meier. «Ein historisches Hotel muss die Geschichte des Betriebs verinnerlichen und ganzheitlich umsetzen, damit diese auch wirklich rüberkommt. Ein Familienhotel muss die Bedürfnisse der Familien im Vordergrund wissen – das Trauffer Hotel und das Märchenhotel sind hier zwei gute Beispiele.»
Je nach Bedarf kann ein Hotel, das einer bestimmten Spezialisierungskategorie angehört, auch noch einen eigenen USP entwickeln. «Ein Wellnessbetrieb kann sich beispielsweise zusätzlich positionieren, indem er Bemühungen im Thema Nachhaltigkeit anstrebt, auf Energieeffizienz achtet oder das Verpflegungsangebot regional ausrichtet. Ein historischer Betrieb etwa kann zusätzlich auf Wellness- oder Sportangebote setzen. So lassen sich drei verschiedene Gästebedürfnisse kombinieren.» Es gebe zahlreiche Möglichkeiten, so Claude Meier. Ein Thema lässt sich jedoch auch einfach vertiefen oder mit bestimmten Schwerpunkten ergänzen. HotellerieSuisse unterstützt die Betriebe mit den verschiedenen Spezialisierungskategorien und mit der Klassifikationsberatung, die dabei hilft, die angestrebten Ziele bei Bau- und Rennovationsprojekten zu erreichen.
Vier Fragen an Claude Meier, Direktor von HotellerieSuisse
Claude Meier, welches sind für Sie die drei innovativsten Themenhotels der Schweiz?
HotellerieSuisse bietet Beherbergungs-betrieben in der Schweiz über 20 Spezialisie-rungskategorien in neun Gruppen an. Die Gruppen und Spezialisierungen sind so unterschiedlich, dass sie alle auf ihre Art innovativ sind und die unterschiedlichsten Gästebedürfnisse abholen. Die Spezialisierungen der Gruppe Sports & Activity gehen beispielsweise auf die Bedürfnisse Biking, Hiking, Golf oder Snowsports ein und sorgen dafür, dass der sportliche Aufenthalt ein einmaliges Erlebnis wird. In der Gruppe Wellness & Spa dreht sich alles um das Wohl befinden der Gäste. In der Gruppe Architecture & Design kommen Architektur- und Inneneinrichtungs-liebhaber auf ihre Kosten. Seit letztem Jahr können Betriebe, die als Serviced Apartments klassiert sind, auch die Spezialisierungskategorien von HotellerieSuisse beantragen. Bisher standen die nur Swiss-Lodge- Betrieben und Betrieben mit einer Hotelklassifikation offen.
Braucht die Schweiz überhaupt mehr Themen hotels?
Die Frage ist nicht, ob die Schweiz Themen-hotels braucht. Themenhotels zielen auf die Positionierung eines Betriebs und somit auch auf dessen Erfolg ab. Es ist viel mehr die Frage, ob ein Betrieb eine Positionierung braucht oder ob diese Positionierung in einer Destination gefragt ist. Beispielsweise positionieren sich Hotels in Flughafennähe durch ihre Lokalität und die Nähe zum Flughafen. Ein Business-Hotel in der Stadt zielt auf Geschäftskunden ab. Ein Wellnesshotel in einem Erholungsgebiet reiht sich in das Angebot der Destination ein.
Welche Themen fehlen in der Schweizer Hotellerie?
Die Spezialisierungen werden laufend evaluiert und den Gästebedürfnissen angepasst. So hat die Nachfrage nach Boutiquehotels nicht nur bei den Gästen, sondern auch bei den Hotelbetrieben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Eine passende Spezialisierung gab es aber nicht. Mit der Spezialisierungskategorie «Boutique» wurde 2020 dann ein Gefäss geschaffen, das die Lücke in den bestehenden Kategorien im Bereich «Architecture & Design» schliesst. Dies war eine weltweite Innovation, denn ein vergleichbares Angebot gab es bis dato nirgends auf der Welt. Wir sind als Verband also bemüht, die Spezialisierungen stetig weiterzuentwickeln und auch als innovative Vorreiter voranzugehen. HotellerieSuisse beobachtet den Markt laufend und evaluiert die Spezialisierungskategorien und die Nachfrage.
Kreative Hotels ermöglichen ihren Gästen ein unvergessliches Erlebnis. Das kann mit einem speziellen Service einzigartigen Veranstaltungen oder Ausstattungen sein. Das Henn- Na-Hotel in Japan etwa setzt Roboter ein, welche direkten Gästekontakt pflegen. Ist das auch in der Schweiz denkbar?
Dieses Thema ist auch in der Schweiz angekommen – sicherlich noch nicht im Ausmass wie etwa in Japan. Die FH Graubünden hat den Einsatz von Robotern in der Hotellerie untersucht und 2022 eine Publikation veröffentlicht. Auch waren wir im Zürcher Hotel Opera zu Besuch und haben über den Einsatz vom Roboter «Pepper» im Betrieb gespro-chen. Die Frage wird in dieser Thematik sein, wo man Roboter in Zukunft einsetzen will und wo der Mensch unersetzlich bleibt. Unsere Branche lebt von Menschen, deshalb wird es immer Menschen brauchen, die
in den Beherbergungsbetrieben arbeiten. Der Trend hin zur Robotik wird also wahrscheinlich auch dazu führen, dass das Qualitätsmerkmal der menschlichen Interaktion wieder an Bedeutung gewinnen wird. Denn der Urzweck des Reisens ist, neue Orte und lokale Kulturen zu entdecken sowie Menschen aus anderen Regionen und Kulturen kennenzulernen.