Ein Schlosshotel voller Kunst

Der Zürcher Unternehmer, Künstler und Kunstsammler Ruedi Bechtler besitzt in Zuoz das Vier-Sterne-Superior-Hotel Castell. Es ist gleichzeitig eine Galerie für seine umfangreiche Kunstsammlung.

Das Hotel Castell thront am Hang hoch über dem Engadiner Ferienort Zuoz. Von weitem sieht es tatsächlich aus wie ein mächtiges Schloss mit zwei Flügeln. Wer ihm näherkommt, be­­ginnt zu ahnen, dass es mehr ist als eine gediegene Herberge: Hinter dem Castell nämlich findet sich der Skyspace des US-­amerikanischen Land-Art-Künstlers James Turrell. Durch seine Dachöffnung ermöglicht der markante, steinerne Rundbau eine ständig än­­dern­de Sicht auf den Himmel, seine Licht-, Wolken- und Farbspiele.


Wer das Hotel betritt, betritt gleichzeitig eine viel­stöckige, reich bestückte Kunstgalerie. Drei Werke ­stechen durch ihre schiere Grösse hervor: neben dem Skyspace der Reflecting Pool des Japaners Tadashi Kawamata und die Rote Bar, entworfen von Pipilotti Rist und der Architektin Gabrielle Hächler.

Der Reflecting Pool ist eine raffinierte Konstruktion, die sich in der Verlängerung der grossen Sonnenterrasse hinter dem Hotel befindet und als Abkühlbecken der Felsensauna dient. Der Pool ist von einer Holzplattform umgeben und bildet – harmonisch in die Landschaft eingebettet – zusammen mit einer kleinen finnischen Sauna ein Kunstwerk mit hohem Entspannungsfaktor.

Es begann mit Art Weekends

Der Zürcher Unternehmer Ruedi Bechtler kaufte das Castell 1996, «nicht allein», wie er betont. Dass es zur riesigen Kunstgalerie würde, war nicht von Anfang an klar: «Wir wussten beim Kauf nicht, wohin die Reise gehen sollte. Bald kam die Idee von Art Weekends auf, die auch jetzt noch jährlich stattfinden. Den ersten Anlass haben wir mit Roman Signer kurz nach dem Kauf 1996 durchgeführt.» Dann entwickelte sich das Castell rasch zur Hochburg der zeitgenössischen Kunst: «Mit unserer Familienstiftung, der Walter A. Bechtler Stiftung, konnten wir diverse Werke erwerben. Zuerst den Reflecting Pool, später den Skyspace und andere. Ein wichtiger Schritt war auch die Rote Bar von Pipilotti Rist und Gabrielle Hächler», sagt Ruedi Bechtler.

Dass das Castell zum Refugium der Kunst wurde, ist kein Zufall. Hotelbesitzer Ruedi Bechtler ist nicht nur Maschineningenieur ETH und ausgestattet mit einem MBA der berühmten privaten Kaderschmiede Insead in Fontainebleau bei Paris; er ist auch Künstler und Kunstsammler. Zum Künstler hat er sich nach und nach geformt: «Ich habe schon früh gezeichnet, Skulpturen gebaut, fotografiert; mit der Zeit ist dieser Be­reich zentral geworden.» Und das Sammeln von Kunst lag in der Familie: «Mein Vater hat gesammelt, ich wurde angesteckt. Ich war im Team der Gruppe Jung Kunst der Zürcher Kunstfreunde und habe dort gesammelt.» Das macht Bechtler bis heute, wenn auch in etwas langsamerem Tempo: «Wenn ich eine Arbeit sehe, weiss ich innert Sekunden, ob sie mich interessiert, ob ich sie kaufe. Von verschiedenen Künstlern habe ich die ersten Werke erworben, die sie verkauft haben.»


Was ihn am Erwerb von Kunstwerken reizt, umschreibt Ruedi Bechtler so: «Es ist faszinierend, Neues zu entdecken, überrascht zu werden. Dubuffet hat einmal gesagt: Kunst ist das, was man nicht erwartet. Solche Kunst zu suchen und zu finden ist eine tolle Beschäf­­tigung.» Jetzt hängen und stehen die Speiseräume, die öffentlichen Zonen, die Hausflure und Treppenhäuser, aber auch die 68 Castell-Zimmer voll mit ­Werken so unterschiedlicher Künstlerinnen und Künstler wie Roman Signer, Fischli und Weiss, Thomas Hirschhorn, Martin Kippenberger, Chantal Michel und vielen anderen. Das soll über seine Zeit hinaus so bleiben, sagt Ruedi Bechtler, der im Dezember 80 wird: «Die Werke der Walter A. Bechtler Stiftung und Teile meiner Sammlung sollen noch über viele Jahre im Castell bleiben.»

Kunst statt weisse Wände

Christine Abel und Matthias Wettstein, die das Hotel seit kurzem führen, nehmen Gäste auf Wunsch auf eine geführte Tour mit. Und wie ist deren Feedback? Ruedi Bechtler: «Viele finden die Sammlung interessant und einige sagen, man sollte sie auch im Ausland bekannter machen.» Galerien schickten schon Kunden ins Hotel, um hier die Werke bestimmter Künstler zu entdecken. Nur einer war nicht glücklich: Er wünschte sich mehr weisse Wände.

Unter den modernen Zimmern finden sich übrigens zwei Designs: Jene, in denen das typische, einheimische Arvenholz dominiert, wurden vom St. Moritzer Architekten Hans-Jörg Ruch gestaltet. Urbanere Zimmer, ganz frei vom holzlastigen Alpen-Schick, wurden von Ben van Berkel, Mitinhaber des UN-Studio Amsterdam, entworfen.

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