Jugendherbergen: viel Design für wenig Geld

René Dobler, CEO der ­Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus (SSST), setzt beim Bau und Umbau Schweizer Jugendherber­gen neue Massstäbe. Wir trafen den Nachhaltigkeitspionier zum Gespräch über Architektur und Ökologie. Der 56-jährige Dipl.-Architekt ETH/SIA und Bauökonom ist seit 29 Jahren für die SSST tätig; zunächst als Berater, seit 1999 als CEO.

Wie muss man sich die Zusammen­ar­beit zwischen der Schweizerischen Stiftung für Sozialtourismus (SSST) und den Schweizer Jugendherbergen (SJH) vorstellen?

René Dobler: Die Stiftung erstellt die Jugendherbergen. Die SJH als Betreiberorganisation entwickeln ihre Betriebs­konzepte ständig weiter. Die SSST setzt diese Konzepte baulich um und sind dabei völlig gleichberechtigt.


Was ist für Sie dabei die grösste ­Herausforderung?

Wir müssen die Bauvorhaben mit dem spitzen Bleistift kalkulieren, da wir mit den Jugendherbergen im Low-Budget-Segment angesiedelt sind. Es ist eine stetige Gratwanderung zwischen dem Erreichen der sozialen Ziele als Non-Profit-Organisation, einer überlebensnotwendigen Rentabilität sowie dem Anspruch an Nachhaltigkeit und gute Architektur.


Ein spannender Job?

In meiner Position bin ich vollständig in den Planungs- und Bauprozess, aber auch in den Betrieb involviert. Das heisst, ich übergebe das Gebäude nach dem Bau nicht einfach, sondern erlebe die Nutzungsphase über Jahre mit. Damit kann ich überprüfen, wie gut sich die gebaute Ar­­chitektur für den gewünschten Betrieb eignet. Das enge Zusammenspiel von Stiftung als Bauherr und dem Verein als Betreiber ist eine Herausforderung und Genugtuung zu­­gleich. Besonders interessant ist auch, in der ganzen Schweiz tätig zu sein – mit allen ihren bekannten und weniger be­­kannten regionalen Eigenheiten.


Man hat Sie schon als Nachhaltigkeitspionier bezeichnet. Was hat Sie dazu bewogen, sich für die Umwelt zu engagieren?

Die Ökologie ist mir schon seit dem Ar­­chitekturstudium ein wichtiges Anliegen, ob­­wohl Bauen per se nicht sehr umweltverträglich ist. Bauen beansprucht Ressourcen in sehr hohem Masse. Daraus ergibt sich eine Verantwortung, der ich versuche, gerecht zu werden. Wenn ich mit dieser Haltung multiplizieren und in der Branche etwas bewegen kann, ist das grossartig.

Sind kostengünstiges Bauen und ­Nachhaltigkeit nicht schwer unter einen Hut zu bekommen?

Nein. Es grassiert die Annahme, dass mit Nachhaltigkeitskriterien alles teurer wird, doch das ist nicht per se so. Man denke nur mal ans Thema Suffizienz – weniger Bauvolumen spart gleichzeitig Ressourcen und Kosten. Natürlich kann Nachhaltigkeit in einigen Punkten Mehrkosten generieren, spart aber oft laufende Betriebsausgaben. Wir sind froh, dass wir beispielsweise kaum noch fossile Heizungen haben, weil wir diese bereits konsequent ausgetauscht haben. Damit haben wir heute einen wirtschaftlichen Vorsprung.



Jugendherberge Laax, Aussenansicht, Wellness und Lounge.


Was ist besonders wichtig in Bezug auf die Nachhaltigkeitsstrategie?

Die Ganzheitlichkeit und die Messbarkeit sind für mich entscheidend. Ganzheitlichkeit im Sinne aller Kriterien von Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Für die Messbarkeit haben wir für Bauprojekte der Ju­gendher­bergen schon früh Standards definiert, die es zu erreichen gilt. Das begann mit Minergie, führte über Minergie-Eco und heute bei Minergie-P-Eco. Dann be­­ginnt der Einfluss des Betriebs, da arbeiten wir in allen Jugendherbergen mit dem Nachhaltigkeitslabel Ibex-Fairstay. Die zahlreichen Auszeichnungen in den Bereichen Umwelt und Nachhaltigkeit zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Wie verfahren Sie in Hinblick auf Denkmalschutz?

Wir haben viele historische Gebäude mit einigen Burgen und Schlössern. Für Ar­­chitekt und Bauherr stellt sich die Herausforderung, wie man die historischen Ge­­gebenheiten des Gebäudes am besten mit der Wunschvorstellung für den Betrieb in Einklang bringt. Mit einem Eingriff in ein historisches Gebäude eröffnet sich immer die Frage, wie man die Bausubstanz weiterführen kann oder inwieweit eine Ver­änderung möglich ist.


Und wie läuft es bei Neubauten?

Die Standortwahl richtet sich nach unseren Standortstrategien. Diese beruhen auf dem touristischen Potenzial und den Möglichkeiten das örtliche Potential zu nutzen. Wir möchten dabei möglichst Synergie-Effekte erzielen. Wir fühlen uns bei Neubauten genauso wie bei Umbauten einer hochwertigen Baukultur verpflichtet. Das beginnt mit der Wahl des geeigneten ­Planungsverfahren, das bedeutet konkret, dass wir einen Wettbewerb unter re­­gio­nalen Architekturbüros durchführen. ­Ob­­wohl die Jugendherbergen eine «Hotelkette» bilden, ist jeder Neubau ein Einzelobjekt, welches dem örtlichen Kontext gerecht werden soll. Dabei interpretieren wir die Bautradition in zeitgemässer und nutzungsspezifischer Art und Weise.

Mit diesem Konzept dürfte die ­Abstimmung mit den Gemeinden sehr wichtig sein?

Die Verankerung in der Region und der Austausch mit den Gemeinden ist uns ein sehr zentrales Anliegen. Das entspricht unserer Philosophie und ist für die Finanzierung unabdingbar. Die Zusammen­arbeit mit dem Tourismus und den Playern vor Ort ist immens wichtig. Die Public ­Private Partnership ist für uns die die Grundlage für jedes Projekt. Als Beispiel nenne ich unsere WellnessHostels in Laax und Saas-Fee. Da betreiben wir gleichzeitig öffent­liche Hallenbäder mit Spa- und Fitness­bereichen, die nur durch die Entwicklung dieser neuen Betriebsform erhalten werden konnten. Für unsere Hausgäste schafft dieses Inhouse-Angebot einen Mehrwert, das sonst nur 5-Sterne-Hotels bieten.

Welche Projekte liegen bei Ihnen ­aktuell auf dem Tisch?

In Genf stehen wir vor der Realisierung eines Neubaus. Zudem ist ein Ersatz-Neubau in Pontresina geplant. Er kann mög­licherweise mit diversen Drittnutzungen kombiniert werden. Und dann ist ja auch noch das Projekt im Verkehrshaus in Luzern. Langeweile habe ich nie.

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