Selfmade-Milliardär und Wahlschweizer Karl-Heinz Kipp schuf mit der Tschuggen Collection eine der exklusivsten kleinen Hotelgruppen überhaupt. Tochter Ursula Bechtolsheimer-Kipp und Enkel Götz Bechtolsheimer führen das Werk des vor sieben Jahren verstorbenen Hotel-Liebhabers unauffällig, aber nicht minder engagiert fort.
Es war vor gut sechzig Jahren, als der junge Karl-Heinz Kipp mit seiner Familie erstmals im «Eden Roc» in Ascona die Sommerferien verbrachte. Es wurde eine Liebe auf den ersten Blick. Kipp war hingerissen vom Hotel am Rande des malerischen Tessiner Dörfchens, von der subtropischen Idylle direkt am Ufer des Lago Maggiore. Oft stand er abends unten am See, schaute hinauf und begann zu träumen: «Wenn ich je das nötige Geld habe, kaufe ich mir das oberste Stockwerk.» Der Traum ging in Erfüllung. Und wie! Doch der Weg dorthin war weit. Auf das «Eden Roc» musste Kipp lange warten.
«Tschuggen»-Kauf mit Hindernissen
Wie das genau lief, erfuhr man nur, wenn man das Glück hat, Kipp zu kennen. Und seine wunderbare Frau Hannelore, mit der er fünfundsechzig Jahre lang Jahren verheiratet war und ohne die «alles nicht möglich gewesen wäre» (Kipp). Denn Interviews lehnte Kipp seit dem Verkauf seiner Massa-Supermärkte und dem Rückzug in die Schweiz konsequent ab. Selbst die bedeutendsten Medien Europas haben sich am Mann, der ein Stück deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat, die Zähne ausgebissen.
Begonnen hatte alles in Arosa, wo die Familie jeweils die Winterferien verbrachte. Man logierte im damaligen «Park Hotel» und nicht etwas im Luxushotel «Tschuggen», wo es Kipp «zu steif» zu und her ging. Als das «Tschuggen» in Schwierigkeiten geriet, kaufte er es dennoch. Der Deal ging nicht ganz reibungslos über die Bühne: «Ich wusste nichts von einer Lex Furgler, und so gehörte mir das Hotel nach der Vertragsunterzeichnung gar nicht», erinnerte er sich.
Nie eine Homestory
Was sich mit etwas Fantasie ändern liess. Kipp verkaufte in seinen Supermärkten nämlich auch Reisen nach ganz Europa und besass gar eine eigene Airline. Nun boten seine Reisebüros neu die Destination Arosa an. In riesigen Autobussen wurden die Feriengäste nach Chur gekarrt, wo sie den Zug nach Arosa bestiegen. «Damit hatten wir den von der Lex Furgler geforderten Bedarf nachgewiesen», so Kipp. Der «Tschuggen»-Kauf wurde rechtsgültig. 1987, ein Jahr nach dem Börsengang ihres Konzerns, zogen sich die Kipps in ihre Wohnung auf dem Dach des «Tschuggen», ein Penthouse von umwerfender Schönheit, zurück. Jahrelang standen die Boulevardmedien Schlange für eine Homestory. Vergeblich natürlich.
Einem Banker den Kopf gerettet
Sein zweites Hotel, das «Valsana», kaufte Kipp ebenfalls in Arosa «Ich habe damals einem Bankdirektor, der sich bei der Vergabe von Krediten verhauen hat, den Kopf gerettet», verriet er. Tennisfan Kipp freute sich insbesondere über die schönen Tennisplätze des «Valsana» und liess gleich noch eine Halle hinstellen. Für den Bau von Tennishallen schenkte er einst auch dem Tennis Club Ascona und dem Verband Swiss Tennis je 1,2 Millionen Franken. Als drittes Hotel kaufte Kipp das konkursreife Luxushotel «Carlton» in St. Moritz und verpasste dem Palast später ein Facelifting für 90 Millionen Franken. Eine Investorengruppe, die das «Carlton» in ein Appartementhaus verwandeln wollte, hatte ihm fast 200 Millionen Franken geboten. Kipp winkte ab: «Wohin sollte ich mit dem Geld?»
Viel zu viel bezahlt fürs «Eden Roc»
Es war im Jahr 1989, als er endlich jenes Hotel hatte, das er am meisten von allen begehrte – das «Eden Roc». Als es zum Verkauf stand, hielt Kipp der Erbgemeinschaft 50 Millionen Franken unter die strahlenden Augen und schlug so den letzten Konkurrenten aus dem Feld. Kipp wusste, dass er zu viel bezahlt hatte, doch dass ihm einer dieses Hotel wegschnappen würde, war für ihn «ein unerträglicher Gedanke». Dann verwirklichte er sich den Traum aus jungen Jahren und machte das oberste Stockwerk zum Hauptsitz der Familie. Die Wohnung übertrifft an Schönheit gar das Penthouse im «Tschuggen».
Als um die Jahrhundertwende das benachbarte Hotel «Europe», in Schieflage geriet, langte Kipp erneut zu. «Es hätte noch gefehlt, dass einer kommt und eine Zwei-Sterne-Herberge daraus macht», sagte er. Dann verschmolz er das «Europe» mit dem «Eden Roc». Ein paar Jahre später kam das Hotel Ascolago dazu, der einzige Gebäudekomplex, der das «Eden Roc» von Asconas berühmter Piazza trennte. Der nun zusammenhängende Küstenstreifen ist der teuerste und wohl auch schönste überhaupt am Lago Maggiore. Gesamtinvestitionen in den Garten Eden: über 300 Millionen Franken.
Die optimale Nachfolgeregelung
Gemäss dem US-Magazin «Forbes» zählte Kipp mit einem Vermögen von sechs Milliarden Dollar zu den reichsten Menschen der Welt mit einem enormen Immobilienbesitz nicht bloss in der Schweiz, sondern auch in Deutschland und England. «Es kann ja mal einer kommen und zählen», lachte Kipp einmal auf die Frage, ob die «Forbes»-Schätzung zutreffe. Ernsthafter fügt er an: «Es
ist doch alles eine Frage der Bewertung. Was einst 40 Millionen kostete, ist heute halt zehnmal so viel wert.
Haupterbin von Karl-Heinz und Hannelore Kipp ist Tochter Ursula Bechtolsheimer-Kipp, die von Beginn an ins Hotelgeschäft des Vaters involviert war und bis heute alle Fäden in der Hand hält. An der Front steht ihr Sohn Götz Bechtolsheimer, promovierter Historiker mit Doktortitel, der das operative Geschäft in der Schweiz, Deutschland und England leitet und, wie die Mutter, gern im Hintergrund bleibt. Es ist die Nachfolge, von der Karl-Heinz Kipp geträumt hat. Ein Glücksfall für die Schweizer Hotellerie ist es auch.
Start bei null
Die wundersame Geldvermehrung begann 1948 im Städtchen Alzey in Rheinland-Pfalz. In Westdeutschland wurde gerade die Währung reformiert, als auch der Speditionskaufmann Karl-Heinz Kipp neu begann. Er kaufte sich für 500 Flaschen Wein die Namensrechte am inaktiven Trachtenhandel Massa. Am neuen Firmensitz in Alzey wurden fortan unter Regie von Hannelore Kipp Unterwäsche, Kittelschürzen und Trachten genäht. Es folgte der Einstieg in die Textilproduktion, und 1965 war es so weit: Kipp stellte bei Alzey unter dem Namen Massa den ersten Verbrauchermarkt auf die grüne Wiese. Hauptattraktion waren neben den Textilien eine Frischfleischtheke – und Kampfpreise, mit denen «Mister Massa», wie Kipp bald genannt wurde, die Konkurrenz schockte. 1986 brachte er den Milliardenkonzern mit seinen dreissig Supermärkten an die Börse. Ein Jahr später verkaufte er auch sein letztes Paket von 30 Prozent für 1,2 Milliarden Mark an den Handelsmulti Metro. Vor dem Börsengang hatte Kipp die Immobilien vom Betriebsvermögen getrennt; sie blieben in seinem Besitz. Deren Vermietung an die Metro spülte noch jahrzehntelang rund 90 Millionen Franken in die Familienschatulle. Pro Jahr wohlgemerkt.