«Die Stärke der ‹Alpenrose› sind ihre Menschen»

«Die Stärke der ‹Alpenrose› sind ihre Menschen»

Michel und Carole von Siebenthal haben die Führung des Boutiquehotels Alpenrose ­in Schönried an Tochter Yasmin übergeben. Es war ein Generationenwechsel wie aus dem ­Lehrbuch. ­Yasmin führt das Haus mit derselben Leidenschaft wie die drei Generationen vor ihr. Und ihr Verlobter leitet die berühmte Küche. 

Sie haben das Boutiquehotel Alpenrose vor einem Jahr als jüngste von drei Schwestern übernommen. Wann war das klar?
Yasmin von Siebenthal: Wir haben alle drei eine Grundausbildung in der Gastronomie. Da wir im Hotel aufgewachsen sind, ist unsere Verwurzelung mit der «Alpenrose» tief. Meine beiden Schwestern haben auch eine Zeit lang zu Hause gearbeitet, bevor sie das Saanenland verliessen. Antina, die älteste, ist der Liebe wegen nach Stockholm ausgewandert und frönt dort ihrer Leidenschaft als Künstlerin und Mutter. Chantal und ihre Frau haben Bern als Lebensmittelpunkt gewählt – Chantal arbeitet dort im Restaurant Zoe im Service. Ich hatte bereits acht Jahre in der «Alpenrose» gearbeitet, als ich mit meinem Partner eine dreimonatige Reise durch Südostasien machte. Dort hatte ich die Zeit und den Abstand, um mir bewusst zu werden, wie meine Zukunft aussehen sollte. Schnell war für mich klar, dass ich die «Alpenrose» in die nächste Generation führen möchte. Ganz einfach, weil es mir unheimlich viel Spass macht, Gastgeberin zu sein. Dass mein Partner mich in dieser Entscheidung von Anfang an unterstützt hat, ist ein echter Glückstreffer.

Wie haben Ihre Schwestern damals den Entscheid aufgenommen?
Nach unserer Rückkehr habe ich sie darüber informiert und nochmals nachgefragt, ob sie auch wirklich kein Interesse an der Nachfolge hätten. Das hatten sie nicht, boten mir aber ihre Unterstützung im Bedarfsfall an. Dafür bin ich extrem dankbar. Danach ging ich zu meinen Eltern und informierte sie über meinen Entscheid. So kam der Prozess der sanften Geschäftsübernahme im Mai 2023 ins Rollen.

Haben Sie schon immer im Hotel ­gearbeitet?
Ich habe meine kaufmännische Ausbildung im «Gstaaderhof» gemacht, der während meiner Ausbildungszeit von Doris und Jost Huber an Sohn Christof und seine Frau Konstanze Huber übergeben wurde. Eine ganz besonders schöne und lehrreiche Zeit. Wieder zu Hause habe ich im Selbststudium berufsbegleitend das Wirtepatent erworben. Während der Zwischensaison zieht es meinen Partner und mich immer ins Ausland, doch verspüre ich kein Bedürfnis, in einem andern Betrieb zu arbeiten.

Mit welchen Aufgaben waren Sie im Lauf der Jahre betraut?
Ich habe als Rezeptionistin angefangen und wurde dann Chef de Réception. Schon bald habe ich auch im Service mitgearbeitet. Stück für Stück wurde ich dann von meinen Eltern in die Administration und ins Personalwesen sowie die Buchhaltung eingeführt. Und wie das in kleinen Familienbetrieben so läuft, bin ich eigentlich immer dort, wo es gerade brennt. Ausser in der Küche, dort bin ich wirklich keine Hilfe (lacht).

Sie haben beim Generationenwechsel auf ein Coachingprogramm von HotellerieSuisse gesetzt. Was hat das gebracht? 
Das Coaching von Madeleine Na war sehr wichtig für uns. Sie hat uns als Mentorin durch diese doch sehr emotionale Phase begleitet und hat uns geholfen, offen und ehrlich miteinander zu kommunizieren und eine Struktur in die Übernahme zu bringen. So hat sie beispielsweise gemeinsam mit uns eine «Roadmap» erstellt, wo wir die zu übernehmenden Bereiche definiert und zeitlich geplant haben. Dies dient uns nun zur Orientierung und gibt uns stets einen guten Überblick. Mir persönlich hat sie geholfen, mich in meiner neuen Position als Geschäftsführerin zurechtzufinden und hat mir wertvolle Tipps für die Personalführung gegeben.

Wie ist jetzt die Arbeitsteilung ­zwischen Ihnen und Ihren Eltern?
Ich habe das Glück, dass meine Eltern mich weiterhin unterstützen. Meine Mutter kümmert sich um den Service im Gourmet-Restaurant und löst mich nachmittags an der Rezeption ab. Sie schaut ge­­meinsam mit mir, dass es unseren Gästen gut geht und stellt mich und meinen Verlobten Johannes unseren zahlreichen Stamm­gästen vor. So gelingt es uns, einen sanften und vertrauensvollen Übergang zu ge­­stalten. Mein Vater hat die Küchenleitung im August 2024 an meinen Verlobten ab­­gegeben. Er unterstützt ihn aber nach wie vor bei grossem Gästeaufkommen. Dass mein Vater die Buchhaltung, die Finanz- und Budgetplanung und Personalverwaltung im Moment noch erledigt, ist eine enorme Entlastung für mich. Er arbeitet mich Stück für Stück in die Tiefen der Geschäftsführung ein. Zudem kümmert er sich um den Unterhalt des Hauses. Unsere wunderschöne «Alpenrose» steht seit dem Jahr 1907, da gibt es immer mal wieder etwas zu reparieren oder zu erneuern. Dass mein Vater handwerklich so begabt ist und vieles selbst reparieren und installieren kann, ist natürlich auch eine finanzielle Entlastung. Ich darf mir die Zeit nehmen, um die einzelnen Aufgaben als Direktorin Tag für Tag zu erlernen. Dies ist ein grosses Privileg, und ich bin meinen Eltern unendlich dankbar, dass sie mir den Rücken mit aller Kraft freihalten.

Was zeichnet die «Alpenrose» ­besonders aus?
Zum einen haben wir mit unseren zweiundzwanzig Zimmern, zwei Wohnungen und zwei Restaurants eine wirklich angenehme und flexible Grösse. Unsere Lage in Schönried mit der traumhaften Aussicht und der doch guten Erreichbarkeit ist hervorragend. Die wahren Stärken unseres Hauses sind jedoch die Persönlichkeiten, die den Charme der «Alpenrose» aus­machen. Meine Eltern haben mit ihrem starken Charakter in den letzten vierzig Jahren das Gesicht des Hotels geprägt. Aber auch andere Menschen haben eine wichtige Rolle gespielt.

Wer sind diese anderen Menschen?
Meine Grossmutter Monika führte das Haus als junge Witwe mit fünf Kindern, mit viel Mut und Frauenpower. Martin aus Holland, der vierzig Jahre lang im ­Service arbeitete, ist noch immer ein Name, nach dem viele Gäste fragen. Dina und Domingos, das portugiesische Ehepaar, das seit etwa fünfundzwanzig Jahren bei uns ist, kennen das Haus bald besser als ich. Mein Verlobter Johannes führt mit enormem Ehrgeiz und Fleiss die Erfolgs­geschichte unserer Gourmetküche fort. Meine Schwestern Antina und Chantal sind stets präsent mit ihren Ideen, ihrer Kunst, offenen Ohren und viel Unterstützung. Unsere Mitarbeiter identifizieren sich auf eine Weise mit unserem Haus, wie ich es selten erlebt habe. Jedes Familienmitglied trägt dazu bei, die Erinnerungen in diesem Haus lebendig zu halten. All diese Menschen, die die «Alpenrose» lieben – schaffen gemeinsam mit mir einen Ort, den unsere Gäste gerne aufsuchen.

Gibt es etwas, das Sie im Hotel ändern werden – sehen Sie Verbesserungspotenzial?
Meine Grossmutter Monika hat mir mal gesagt: «Wer denkt, er hätte nichts mehr zu lernen, dem ist nicht mehr zu helfen.» Natürlich gibt es immer Verbesserungs­potenzial, und besonders die letzten Jahre haben uns gezeigt, dass wir in jeder Situation flexibel bleiben müssen. Den ersten grossen Schritt haben wir mit der Umfirmierung der Einzelfirma Alpenrose in die Boutiquehotel Alpenrose GmbH erledigt. Die neue Geschäftsform hilft, Privates und Geschäftliches besser zu trennen. Es stehen Änderungen an, die der Gast nicht direkt sieht. So brauchen wir beispielsweise bald einen neuen Personenaufzug, und wir müssen uns Gedanken über die Heizung machen. Das sind grosse Investitionen für einen kleinen Familienbetrieb. Zudem erholen wir uns noch von den letzten, nicht einfachen Jahren. Also: Es wird hier und da Änderungen geben. Ich werde aber stets darauf achten, dass die «Alpenrose» ihren Charme nicht verliert.

Haben Sie einen grossen Wunsch betreffend Ihr Hotel?
Mein grosser Wunsch ist es, dass die «Alpenrose» weiterhin ein Ort ist, der Erinnerungen schafft und an dem sich alle wohlfühlen. Ein wunderbares Zuhause für jedermann – so wie sie es seit vier Generationen ist.

In welchem Berner Oberländer Hotel würden Sie selbst am liebsten Ferien machen?
Das «Gstaad Palace» hat eine wunderschöne Berghütte am Walig, die mit Hotelservice ver­mietet wird. Die Hütte inmitten der wunder­schönen Natur, gepaart mit dem exzellenten Hotelservice des «Palace» – ich kann mir kaum etwas Entspannenderes vorstellen!

Was würde in der berühmten Küche anders, seit Ihr Verlobter Johannes Kratz die Chefkelle schwingt?
Johannes hat die Leitung im August 2024 übernommen und das Azalée-Angebot et­was angepasst. Dass er so viel Freude da­ran hat, die kulinarische Geschichte unseres Hauses weiterzuführen und das auch noch ganz wunderbar auf seine eigene Art macht, übertrifft alle Wünsche, die ich für die Zukunft hatte.

Yasmin von Siebenthal
Die 28-Jährige wuchs in Schönried im elterlichen Hotel auf. Sie besuchte die Schulen in Schönried und Gstaad und liess sich zur eidgenössisch diplomierten Kauffrau ausbilden. Nach der Lehre im Hotel Gstaaderhof in Gstaad durchlief sie in der heimischen «Alpenrose» verschiedene Stationen und bildete sich laufend weiter. Unter anderem erwarb sie das staatlich anerkannte bernische Fähigkeitszeugnis für Gastwirtinnen und Gastwirte. Seit einem Jahr führt sie in dritter Generation die «Alpenrose» in Schönried, eines der besten Vier-Sterne-Hotels der Schweiz.


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