Faule Ferien in der «Kraftstation» Hotel

Ferien als bezahlte freie Zeit für Arbeitnehmer haben sich arbeitsrechtlich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Freie Zeit – Freizeit und Ferienzeit – wurde nicht mehr als «Restkategorie» der produzierenden Zeit verstanden, die es zu füllen galt. Ferien sollten genutzt werden, um eigenen Interessen zu frönen, um eigene Wünsche zu erfüllen. Dazu gehörte auch das Reisen um des Reisens willen. Als wichtig erachtet wurden zudem die Erholung oder die «Präservativkur», die gesundheitliche Vorsorge, wie es 1874 in einer Publikation des neuen Kurhauses Langenbruck hiess.

Demokratisierung des Hotels

Das Hotel als «Kraftstation» war bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts der Ort, wo es sich am besten «auftanken» liess. Es war der Ort «jenseits des Alltags», wo «potentiell die Regeln der Rollenverteilung zwischen (Ehe-)Mann und (Ehe-)Frau zur Disposition stehen» konnten. Das Hotel als «einzig angemessener, respektabler Ort des Ferienaufenthalts» für breite Kreise konnte diese Position lange verteidigen. Der Angriff erfolgte unter den Schlagworten «Demokratisierung des Hotels» oder «Ferien für alle».


Anfänge setzten die Bahnbeamten. Sie errichteten bereits 1898 die «Erholungsstation Schweizerischer Eisenbahner» oberhalb von Vitznau auf der Grubisbalm. Die Ferienheime der Eisenbahner wurde kontinuierlich ausgebaut und 1930 vom Schweizerischen Eisenbahnerverband mit dem Hotel Sonloup (VD) um Wintersportaktivitäten erweitert.

Hotel-Plan gegen rote Zahlen

Einen Coup landete Gottfried Duttweiler im Jahr 1935 mit seiner Idee «Hotelplan». In einem Inserat in verschiedenen Tageszeitungen, umgeben von Werbung für Schoggi-Osterhasen, Mayonnaise und Schüblig, skizzierte Duttweiler seine Vision, wie Hotelbetriebe aus den roten Zahlen zu führen sind. Der Migros-Gründer wollte, dass ein «lebensvoller, wenn möglich atemberaubender Betrieb» in die Hotels einzog. Sein Hotel-Plan war gross gedacht: Die Hotels sollten ­Ferienparadiese für «Millionen lebenshungriger ­Menschen mit kleinem Portemonnaie» werden.


Er wollte Ferien «für jedermann und für jedermann nach seinem Gusto» ermöglichen. Konkret beschrieb er die «Gusto» mit einem breiten Hotel-Angebot: «­Für den einen ‹faule Ferien› im Liegestuhl, für die jungen, büromüden Menschen fröhliche ‹Betriebs­ferien› mit Blechmusik und Alpenquartett, Touren, Paddelboot und Baden etc. und abends ein fröhlicher Tanzbetrieb.» Kosten sollte eine Ferienwoche 50 bis 60 Franken pro Person. Mit diesen Ideen öffnete er die Hotels für «Millionen lebenshungriger Menschen».


«Institution Hotel»

Die Konkurrenz für das Hotel wuchs weiter durch Ferienwohnungen, Zelt, Campingplätze, Feriendörfer, Bed and Breakfast, Wohnungstausch etc. Über die Zeit betrachtet erscheint die Popularisierung der Ferien wie der «permanente Versuch einer Eroberung» des Hotels. Dennoch, resümiert Beatrice Schumacher, kön­­ne die «Institution Hotel» ihre «besondere Bedeutung» weiterhin beanspruchen.

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