Nähe zur Basis verschafft dem Präsidenten politische Glaubwürdigkeit

Der HotellerieSuisse-Präsident will nicht zum Verbandsfunktionär werden. Vielmehr erachtet er die Nähe zur Basis als zwingende Grundlage, um in der Politik glaubwürdig die Branche zu vertreten. Frühmorgendliche Politiktermine in Bundesbern gehören zu den neuen Erfahrungen von Martin von Moos. Zudem gewann er in den ersten Monaten als Präsident die Gewissheit, dass HotellerieSuisse gut aufgestellt und geschätzt wird. Der Verband bleibt durch die Revision des SGH-Gesetzes, das Verhältnis Schweiz-EU, die absehbare Mehrwertsteuer-Diskussion und vieles mehr politisch vielfältig gefordert. 



Die Idee des Interviews ist, mit dem Präsidenten von HotellerieSuisse, Martin von Moos, seine ersten hundert Tage im neuen Amt zu reflektieren. Er war am 1. Januar 2024 angetreten. Aus terminlichen und redaktionellen Gründen konnte das Treffen erst am 123. Tag seines Präsidiums stattfinden. Wir trafen uns im Hotel Se­­dartis in Thalwil, das Martin von Moos vor zwanzig Jahren eröffnete. Er waltet in diesem, genauso wie im Hotel Belvoir in Rüschlikon (1721 gegründet), noch immer als Geschäftsführer. Wir besprachen auch die damals anstehende Ukraine-Friedenskonferenz vom 15./16. Juni auf dem Bürgenstock oder die Volksabstimmung vom 9. Juni (Stromgesetz), selbstredend ohne die Ergebnisse zu kennen. 

Martin von Moos, was ist im ­Präsidentenamt von HotellerieSuisse anders, als Sie es erwartet hatten? 
Martin von Moos: Überrascht hat mich, in wie vielen Partnerorganisationen, Verbänden und Trägerschaften Hotellerie­Suisse präsent und aktiv ist. Wir spielen in vielen dieser Organisationen eine wichtige Rolle und sind in den strategischen Gremien vertreten. Alle relevanten Koopera­tionen aufzuzählen, würde hier zu weit führen. Stellvertretend möchte ich Eco­nomiesuisse, den Gewerbeverband, die Schweizerische Gesellschaft für Hotel­kredit SGH, die Hotelfachschule EHL oder die Hotela-Ausgleichskasse nennen. Des Umfangs und der Bedeutung dieser Netzwerke war ich mir früher als Zürcher Re­­gionalpräsident von HotellerieSuisse nicht bewusst. Der nationale Dachverband ist eine etwas andere Schuhnummer. Dabei ist es mein Anspruch, wirklich inhaltlich mitreden und mitwirken zu können. Mich einzuarbeiten war und ist mir wichtig, auch wenn es sehr aufwändig ist. 

Gab es erste Höhepunkte in den ersten 123 Tagen Ihrer Amtszeit?
Die Wahl von Nicole Brändle als neue Di­­rektorin und somit erste Frau an der operativen Spitze von HotellerieSuisse war ganz klar ein Höhepunkt. Dann auch die Treffen mit den Regionalverbänden, von denen ich rund die Hälfte bereits besucht habe. Sehr spannend und interessant wa­­ren die Sitzungen im Vorstand von Economiesuisse. Da HotellerieSuisse zu vertreten, war schon speziell, und die Diskussionen mit andern Wirtschaftsvertretern und Politikern waren für mich sehr eindrücklich und wertvoll. Zudem durfte ich feststellen, dass unser Verband dort eine hohe Glaubwürdigkeit geniesst. 

Sie hatten vor Ihrer Wahl zum Präsidenten von HotellerieSuisse gesagt, Hotelier und Geschäftsführer der ­beiden Hotels Belvoir Rüschlikon und Sedartis Thalwil bleiben zu wollen. Ist das nach den Erfahrungen in den ersten Monaten im Amt realistisch? Mussten Sie sich speziell organisieren? 
Das Management in unseren beiden Hotels haben wir bereits im Sommer 2023 auf eine neue Basis gestellt. Unabhängig von meinen Verbandsaktivitäten legten wir die Tätigkeit des Geschäftsführers auf vierzig Prozent fest. Entsprechende organisatorische Vorkehrungen hatten wir bereits ­da­­mals getroffen. Die Aufteilung sechzig Prozent Verband, vierzig Prozent Hotels passt bis jetzt sehr gut. 

Wie stark sind Sie noch Hotelier? Haben Sie direkten Kontakt und Austausch mit den Gästen?
Ja, und ich schätze diesen Austausch sehr. Aufgrund meines Präsidentenmandats ergeben sich mit einigen Gästen ganz an­­dere Gesprächsthemen als früher. Als Hotel-Geschäftsführer will ich auch die Mitarbeiter-Erwartungen erfüllen und bleibe in engem Kontakt mit ihnen. Ich bin voll an der Basis. Das ist für mich sehr wichtig. Es gibt mir und den Positionen, die ich vertrete, die nötige Glaubwürdigkeit. Beispielsweise wenn ich in der Sommer­session an einem Morgen von sieben bis acht Uhr bei der Parlamentarischen Grup­pe Tourismus im Bundeshaus über die Hotellerie sprechen kann. Kommt es vielleicht zu Fragen über die Vier-Tage-Woche in unserer Branche, so kann ich die Er­­fah­rungen und Meinungen auch von der Basis einbringen. 

Morgens um sieben Uhr in Bern an politischen Sitzungen teilzunehmen, gehört zum neuen politischen Alltag. Wie sieht Ihre Agenda generell aus?
Ich bin dankbar und froh für diese direkten Kontakte zum Parlament. Zeitlich richte ich mich selbstverständlich nach den Möglichkeiten der Parlamentarier. Die Agenda als Verbandspräsident ist eng und zu einem beachtlichen Teil fremd­bestimmt. Aber ich versuche, die Fremd­bestimmung nicht zu stark werden zu lassen. Grundsätzlich teilt sich meine Arbeit in zwei Teile auf, die wöchentlich variieren. Der eine Teil ist die Verbandsarbeit, vorwiegend in Bern, der andere das Engagement in den beiden Hotels in Rüschlikon und Thalwil. 

In unserem ersten Hotelier-Gespräch, unmittelbar nach Ihrer Wahl in Basel, sagten Sie, zur Weiterentwicklung des Verbandes brauche es den Vorschlaghammer nicht. 
Diese Einschätzung hat sich bestätigt. Die Organisation funktioniert. Das gibt uns die Ruhe, die anstehenden Aufgaben Schritt für Schritt anzugehen. Die Ge­­schäfts- und die Verbandsleitung arbeiten sehr gut zusammen. Dazu trägt bei, dass Nicole Brändle und ich bei vielen Themen ähnlich ticken. Die noch offenen perso­nellen Fragen, auch entstanden durch die interne Besetzung der Direktion, sind be­­reits angegangen. 

Seit Ihrem Amtsantritt hat sich an Ihrer Einschätzung aus der Zeit vor der Präsidentenwahl, dass die Zukunfts­fähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit der Hotellerie im Hochpreisland Schweiz grosse Herausforderungen bleiben, nichts geändert. Was braucht es konkret, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken? 
Innerhalb der wenigen Monate hat sich an dieser Herausforderung tatsächlich nichts geändert. Die grundlegende Situation bleibt: Die Schweiz ist ein Hochpreisland, das der Qualität im Tourismus verpflichtet ist. Es gilt daher, sich bei verschiedenen politischen Themen für gute Rahmenbedingungen für die Beherbergung einzu­setzen. Ich denke unter anderem an die Revision des SGH-Gesetzes, die Tourismuszonen, die Nachhaltigkeit oder auf ­längere Frist die Debatte zum Mehrwertsteuersatz, der 2027 neu entschieden wird. Das politische Engagement zeigt sich auch in klaren Positionierungen von Hotel­le­rieSuisse. So haben wir uns für die Ja-Parole zum Stromgesetz ausgesprochen. Wir se­­hen darin einen wichtigen Schritt für eine saubere und sichere Ener­gie­zukunft. Die Volksinitiative «Für Freiheit und körper­liche Unversehrtheit», die Stopp-Impfpflicht-Initiative, lehnen wir jedoch klar ab. Wir befürchten, dass im Pandemiefall Beherbergungs- und Gas­tro­nomiebetriebe mit starken Einschränkungen rechnen müssten, etwa einer Beschränkung der zu­­gelassenen Gästezahl, einer Maskenpflicht oder gar der Schliessung von Betrieben. 

Eines der wichtigsten Themen für die Hotellerie und den Tourismus sind die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. Wo steht HotellerieSuisse in dieser Frage?
HotellerieSuisse ist ein dezidierter Unterstützer der Bilateralen. Ein geordnetes bilaterales Verhältnis ist für den Wirtschaftsstandort und unsere Branche ge­­nerell wichtig. Die Schengen-Visa oder die Personenfreizügigkeit sind für die Hotellerie zentral. In unserer Branche haben wir rund 48 Prozent ausländische Mitarbeitende, vorwiegend aus der EU. Dabei ist es selbstverständlich, den in­­ländischen Arbeitsmarkt ausschöpfen zu wollen und zu müssen. Gastarbeiter ge­­hörten immer schon zur Hotellerie. Wir brauchen und schätzen den internationalen Austausch. Die Schweiz als Wiege des Tourismus braucht den internationalen, kulturellen Austausch, sowohl bei den Arbeitskräften als auch bei den Gästen aus aller Welt. Würde das Schengen-Vi­­sum beschnitten, so machten die Gäste aus Asien einen Bogen um die Schweiz. Wir brauchen realistische Regeln für die Rekrutierung von Arbeitskräften auch in Europa. Drittstaaten-Regelungen wie ­bei­spielsweise Stagiaire-Abkommen mit anderen Ländern sind eine hilfreiche Er­­gän­zung bei der Bewältigung des Fachkräftemangels. 



Wie beurteilen Sie die Chancen für einen Verhandlungsabschluss, der Ihre Anliegen berücksichtigt und der in der Schweiz akzeptiert würde? 
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Wirtschaftsverbände. Sie müssen im Land breite politische Aufklärungs- und Informationsarbeit leisten. Das ist nach einigen Abstimmungsniederlangen in jüngster Zeit eine wirkliche Herausforderung. Aber es geht nicht um den EU-Beitritt, sondern um eine Neuordnung der bilateralen Beziehungen zu unserem wichtigsten Partner. Dazu brauchen wir Hands-on-Wirtschaftsvertreter, die die Stimme erheben und glaubwürdig die Vorteile für unser Land hervorheben.

Wir führen dieses Gespräch im Vorfeld der internationalen Ukraine-Friedenskonferenz, die von der Schweiz im ­Bürgenstock Resort im Kanton Nid­walden durchgeführt wird. Hat diese ­Konferenz, neben ihren politischen Dimensionen, eine Bedeutung für die Schweizer Hotellerie und ihre internationale Ausstrahlung?
Die Friedenskonferenz erachte ich als wichtig. Es wäre aber falsch, im Zusammenhang mit dem internationalen Treffen primär von Marketing zu reden. Dennoch hat der Anlass eine Ausstrahlung auf den Tourismus. Es werden Bilder entstehen zur Region um den Vierwaldstättersee, eine der schönsten Regionen, so dass Vermarktungskomponenten unvermeidlich und durchaus positiv sind, aber in diesem Fall wirklich nicht beabsichtigt. Die Hotellerie muss sich bei diesem Event, das weltweit interessiert, von der besten Seite zeigen – nicht nur auf dem Bürgenstock, sondern in der ganzen Region. Da gelang es, dank der spontanen Zusammenarbeit von Lu­­zern Tourismus und der Dienstleistungsdrehscheibe Luzern Hotels, mitten in der Hochsaison noch mehrere hundert Hotelzimmer zu finden. Wir müssen einfach alle einen guten Job machen; Chris Franzen, der neue General Manager auf dem Bürgenstock, voran.


«Die Hotel-Sterne sind weit weg vom Begräbnis»

Die Hotelstars Union hat an ihrer Ge­­neralversammlung in Budapest im April die Kriterien für die Vergabe der Hotel-Sterne angepasst. Statt 247 kommen neu nur noch 239 Kriterien zur Anwendung, um über die Zuteilung der Sterne an die Hotels zu entscheiden. Getragen wird das ­Firmament der Hotel-Sterne zur «harmonisierten Hotelklassifizierung» von der europäischen Hotelstars Union. Ihr gehören 21 Staaten mit ihren Hotel­lerie-Dachverbänden an, darunter auch die Schweiz. Was denkt Martin von Moos zu den Hotel-Sternen, die jetzt mit dem einstimmigen Entscheid von Budapest für 2025–2030 wieder festgelegt worden sind? Sind die Hotel-Sterne noch zeitgemäss?

Martin von Moos: Die europäische Hotelstars Union umfasst rund 22 000 Hotels mit über einer Million Zimmern. Das Hotel-Sterne-System überprüft die Qualitätskriterien der Hotels. Es handelt sich aber nicht um ein Rating. Es ist ein Instrument, das mit hoher Glaubwürdigkeit die «hard facts», Infrastruktur, den Dienstleistungsgrad und vieles mehr, nicht aber die Soft-Faktoren der Gastgeber, in Sternen aussagekräftig darstellt. 

Die Sterne dienen also in erster Linie dem ­Hotelgast?
Auf europäischer Ebene ist es ein wichtiges Instrument für die Reisenden, vor allem für die Gäste aus Asien und Übersee. Ihre Bedeutung zeigt sich auch darin, dass die grossen Plattformen wie Booking.com oder Google mit unserem Sterne-Modell arbeiten. Es gibt da den wichtigen Sterne-Filter, der nach den eigenen Bedürfnissen eingestellt werden kann. 

Was bringen die Sterne den Hotels?
Die Sterne tragen vor allem dazu bei, die Vielfalt der Hotellerie zu zeigen. Gerade für die KMU-Hotellerie in der Schweiz, hinter der nicht grosse Ketten mit aufwändigen, eigenen Kommunikationsmöglichkeiten stehen, sind die Sterne wichtig. Sie sind ein objektives, glaubwürdiges Instrument, um sich zu positionieren. 

Man hört auch, dass durch die Sterne ein ­beachtlicher Investitionsdruck für Hotels entsteht? 
Einen gewissen Investitionsdruck erachte ich als positiv. Wir wollen mehr Qualität. Es ist sinnvoll, wenn sich die Investitionen der Hotels nach den Anforderungen für die Hotel-Sterne richten. 

Wie werden die Sterne in der Schweiz an die Hotels vergeben? Welchen Ermessensspielraum gibt es bei der Vergabe?
Es sind unabhängige, externe Auditoren in den Hotels unterwegs, die nach den definierten Kriterien für jede Sterne-Kategorie die Vergabe objektiv prüfen. Bei den Auditoren, die eine Beurteilung der Sterne-Kriterien im Hotel vor Ort immer zu zweit vornehmen, handelt es sich um erfahrene, ausgebildete Hotelièren und Hoteliers. Sie verstehen ihre Aufgabe als Coach und wollen niemandem auf die Finger hauen. Da gibt es durchaus Diskussionen darüber, ob ein Boden als schmuddelig zu bewerten ist oder ob die Patina positiv gewürdigt werden soll. Wenn das Ergebnis ist, dass man bis zur nächsten Sterne-Überprüfung investieren müsse, so ist dies auch ein Auftrag für den Investor und hat somit einen positiven Effekt auf die Qualität unserer Betriebe.

Zudem möchte ich erwähnen, dass die Sterne-Kriterien von den Auditoren nicht willkürlich interpretiert werden. Vielmehr werden sie in der Normenkommission von HotellerieSuisse intensiv diskutiert. Dass dabei ein gewisser Spielraum bleibt, ist klar und sinnvoll. Wir wollen erreichen, dass die Sterne den Hoteliers nützen und zugleich nahe bei den Gästebedürfnissen sowie den Trends liegen. 

Zufall – Schicksalszahl
Erst hatte ich mir überlegt, für das Interview einen besonderen, einen originellen Einstieg zu suchen. Die Gedanken schweiften von der Historie der beiden Hotels, die Martin von Moos führt oder auch zur Numerologie. Da blieb ich ­hängen, und zwar bei der «Schicksalszahl», die sich zum neu angetretenen Präsidentenamt ermitteln liess. Eine Spielerei. Gesagt, getan. Es ergab sich ein verblüffender Zufall. Die «Schicksalszahl», errechnet aus den beiden Begriffen ­Präsident & HotellerieSuisse, lautet 6. Sie kommt aufgrund der Addition der Zahlenwerte zustande, die den Buchstaben der beiden Begriffe zugeordnet sind – 123. Die Quersumme von 1+2+3 ergibt 6. Die 6 gilt als eine der vollkommenen ­Zahlen. Sechser-Menschen sollen perfektionistisch, schöngeistig und ausdauernd sein. Ob das Schicksal des ­Hotel­lerieSuisse-Präsidentenamtes damit umschrieben werden soll oder kann, das ist und bleibt einzig eine Spielerei. 

 

 

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