Was faszinierend ist, Räume oder Umgebungen kommunizieren mit uns, immer. Doch nicht durch Worte, sondern durch visuelle, haptische und emotionale Reize. Sie sprechen unsere Sinne an und beeinflussen, wie wir uns fühlen, handeln und mit dem Raum interagieren. Diese Form der Kommunikation ist entscheidend für das Wohlbefinden und die Funktionalität eines Raums und bestimmt, wie wir uns in ihm bewegen und ihn nutzen. Sobald Menschen irgendwo eintreten und mit all ihren Sinnen wahrnehmen entsteht eine Atmosphäre.
Wir spüren Atmosphären, denn sie sind stark mit unserer persönlichen Wahrnehmung verbunden. Alle kennen die Existenz und sie ist auch für alle zugänglich. Das Spürbare lässt sich aber nur sehr schwer in Worte fassen, geschweige denn ist dessen Wirkung messbar.
Primär bezeichnet das Wort Atmosphäre eigentlich die gasförmige Hülle um unsere Erde. Aus dem griechischen Atmos > Dampf, Dunst, Hauch und Sphäre/sphaira > Kugel. Doch finden wir Atmosphären auch in der Ästhetik-Lehre. Dieses «Dazwischen» ist für uns spürbar, aber flüchtig und befindet sich quasi in einem speziellen, luftleeren Raum. Der Philosoph Gernot Böhme sieht die Atmosphäre, als das, was sich zwischen einem Subjekt und Objekt befindet oder auch zwischen dem Wahrnehmenden und dem Wahrgenommenen. Sozusagen eine Wechselwirkung oder -beziehung zwischen dem Menschen und Material oder Raum.
«Räume interagieren mit uns durch Atmosphären»
Die Atmosphäre wirkt unbewusst auf unsere Emotionen und unser Verhalten. Wir können sie durch bewusste Gestaltungselemente wie Licht, Farbe, Geräusche und soziale Interaktionen aktiv beeinflussen, um die gewünschte Stimmung zu erzeugen – sei es für Entspannung, Produktivität oder Geselligkeit. Aus dem Blickwinkel der Architektur wird weniger die Wirkung, sondern die Entstehung der Atmosphäre angeschaut. Wie können Räume gestaltet und Umgebungen geschaffen werden, die eine affektive Betroffenheit auslösen? Da für die Wahrnehmung einer Atmosphäre alle Sinne aktiviert sind, spielt eigentlich auch alles, was diese beeinflusst eine Rolle. Licht, Material, Textur, Farben, Formen, Raumgrössen und -aufteilungen, Akustik, Schall, Duft und Gerüche. Hinzu kommen auch die generelle Nutzung und die Funktionalität des Raumes. Parallel dazu haben wir Gesetze und Reglemente, die eingehalten werden müssen. Die eigentliche Kunst besteht nun darin, die passende Kombination aus den Möglichkeiten zu implementieren, um dann die gewünschte Stimmung bei den Menschen auslösen zu können. Angesichts der vielen Möglichkeiten eine hochkomplexe und vielschichtige aber durchaus spannende Aufgabe.
Zusammengefasst, in der Ästhetik-Lehre ist die Atmosphäre ein entscheidendes Konzept, dass das Wechselspiel zwischen Wahrnehmung, Sinneseindrücken und der emotionalen Wirkung eines ästhetischen Erlebnisses beschreibt. Sie ist ein entscheidender Faktor für das subjektive Erleben von Architektur und Umgebungen. Wenn wir es schaffen, möglichst viele Sinne positiv anzusprechen und in Einklang zu bringen, schaffen wir angenehme und schöne Atmosphären.
Ivo Christow
Head of Design
krucker.swiss
Bildnachweis: Das Titelbild wurde mit einem Bildgenerator mithilfe von Künstlicher Intelligenz erstellt.