Im Circle beim Flughafen Kloten wurde Anfang März ein neues Negishi eröffnet. Ein Grossstadtrestaurant mit Take-away für Leute aus der Umgebung.
Zwei Welten, eine Geschichte und drei Dinge, die das Restaurant zum Fliegen bringen sollen. Eigentümer Daniel Wiesner und Innenarchitekt Ivo Christow erzählten «Hotelière» die Design-Geschichte der Negishi Sushi Bar.
Was war die Konzeptidee für das Restaurant Negishi im Circle?
Daniel Wiesner, Eigentümer, Restaurateur: Der Circle und der Flughafen Kloten sind zwei Welten. Im Circle gibt es mittlerweile 6000 Arbeitsplätze, hier lebt der Geschäftsalltag, wo Leute arbeiten und essen. Die Mittagsverpflegung und ein Take-away sind an einem solchen Ort wichtig und werden nachgefragt. Am Abend wird das Restaurant eine Destination. Da ist es mondän. Da ist Grossstadt. Da wird etwas Spezielles geboten. Da gibt es echtes Sushi.
Der Circle ist eine prominente, teure Fläche, und ein Gastrolokal muss wirtschaftlich funktionieren. Wir erwarten vor allem Gäste aus der Umgebung. Die gute Verkehrsanbindung in die ganze Region ist hier sehr wichtig. Unsere Kunden, so denken wir, besuchen uns gelegentlich und immer wieder.
Wie packen Sie einen Raum – im Circle das Restaurant Negishi – gestalterisch an? Welches sind die ersten Schritte?
Ivo Christow, Innenarchitekt: Hinter jedem Projekt, unabhängig davon, welchen Raum ich gestalten will, steht immer eine Geschichte. Diese gibt mir die Möglichkeit, einen roten Faden zu bilden. Um eine Geschichte zu starten, braucht es drei Faktoren: die Protagonisten, die Zeit und den Ort, wo die Geschichte spielt. Dann schreibe ich drauflos, und das geschriebene Resultat dient dann als Grundlage für das Gestaltungskonzept. So entsteht eine Haltung, der berühmte rote Faden, der sich durch das ganze Konzept hindurchzieht. Beim Schreiben versuche ich stets, Bezüge zur Realität zu finden oder beizubehalten, sodass ein fliessender Übergang zwischen der Fiktion und dem Wahrhaftigen entsteht.
Beim Circle war es die Story eines Mädchens, welches als Kind bei ihrem Grossvater in der Nähe von Kyoto die Kunst des Sushizubereitens kennenlernte. In dessen Haus kam sie erstmals mit einer Geisha in Berührung. Sie war derart von ihrer Schönheit und ihrem aussergewöhnlichen Auftreten begeistert, dass sie ein paar Jahre später beschliesst, ebenfalls eine Geisha zu werden, und begibt sich in ein Okiya, so nennt man die Schulen, wo die Mädchen ausgebildet werden. Hier verliebt sich die junge Frau in eine andere Geisha, eine für die damalige Zeit «verbotene Liebe». Die Geschichte spielt in drei verschiedenen Zeitetappen. Das gab mir die Möglichkeit, verschiedene Phasen räumlich abzubilden. Einerseits traditionelle Elemente aus ihrer Kindheit und andererseits später, wenn die Geschichte in der Neuzeit ankommt, immer urbaner und moderner. Am Ende bauen die zwei Frauen mit einem befreundeten Künstler die Schule zu einem hippen Restaurant und Club um.
Das Ziel der drei Protagonisten war es, einen Ort zu schaffen, der offen und frei von Vorurteilen ist, da sie selbst stets von diesen betroffen waren. In meiner Interpretation der räumlichen Umsetzung gestaltete ich den Gastraum wie einen Aussenbereich, ein Gestaltungselement, das ich im Übrigen immer wieder gerne einsetze. Ich liebe die nicht greifbare Verschmelzung von Innenarchitektur, Architektur, urbaner Umgebung und Natur. Die verspiegelten Wände und die verspiegelte Decke im Zusammenspiel mit den «fliegenden» Bäumen und unzähligen Lampions geben dem Raum eine surreale Note von Freiheit und Offenheit. Am Ende geht es mir nicht darum, die Geschichte eins zu eins abzubilden oder gar ein Bühnenbild zu bauen, vielmehr ist es eine räumliche Übersetzung dramaturgischer Zusammenhänge.
In meinen Geschichten und demzufolge in den von mir gestalteten Räumen braucht es, wie im wahren Leben, auch immer zwei Seiten. Es braucht eine Kontroverse. Es soll sowohl lieb und zart als auch «dirty» und grob sein. Chic, aber auch «shabby».
Die Negishi Sushi Bar im «The Circle» am Flughafen Zürich.
Daniel Wiesner, lassen Sie Ivo Christow völlig freie Hand in der Entwicklung seiner Story? Oder wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Für Restaurants, so wie wir sie in unserer Gruppe betreiben und konzipieren, braucht es drei Dinge: 1. Ein Design mit einer funktionierenden Story. 2. Gutes Essen – 08/15-Essen anzubieten, reicht allein nicht aus, etwas Show muss sein. 3. Hervorragenden Service.
Die Gastfreundschaft und der Dialog mit den Gästen sind das Wichtigste. Die weiteren Kriterien bilden die Grundlage für den Service und das Gästeerlebnis.
Mit Ivo arbeite ich schon länger zusammen, und es läuft eigentlich immer gleich ab. Ich frage ihn nach seiner Meinung zu einer Location. Dann sprudelt es aus ihm heraus. Es folgt ein Ping-Pong-Spiel, auf dem wir uns austauschen, Lösungen und Resultate finden und so Entscheidungen treffen. Inzwischen sind wir recht eingespielt und finden uns eigentlich schnell und leicht.
Ivo Christow, wie sehen und erleben Sie dieses Ping-Pong-Spiel?
Dieses Spiel ist für uns sehr wertvoll und wir nehmen uns gerne Zeit dafür. Wir profitieren vom Know-How- und Erfahrungsaustausch und gelangen so zu optimalen Lösungen.
Wie sind Sie mit dem Negishi-Design zufrieden?
Daniel Wiesner: Die Weite, die Spiegelungen, die wir im Restaurant erreichen, das könnte in New York sein. Grossstadt – Ziel erreicht.
Ivo Christow: Anfänglich gab es eine Vision. Jetzt ist diese Vision erreicht. Das erfüllt mich mit Stolz und vor allem Freude.
Ivo Christow
Head of Design
krucker.swiss