Positionierung, hybride Konzepte, Longstay-Produkte, Stadtresorts, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Gesundheit … – Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Schweizer Hotelmarkt und wie sieht das Hotel der Zukunft aus? Die Hospitality-Expertinnen Gisela Loidolt und Nora Hoffmann kommen zum Schluss: Wer seine Chancen im derzeit volatilen Marktumfeld nutzen möchte, muss auf kluge Konzepte setzen.
Die Corona-Pandemie hat die Hospitality-Branche hart getroffen und das Reiseverhalten insgesamt etwas verändert. Der Rückgang der ausländischen Logiernächte betrug 2020 66 %, im Vergleich zu 9 % bei den Schweizer Gästen (laut HESTA). Statt den vormals beliebten Fernzielen rücken regionale Urlaubsziele, die mit dem Auto oder Zug angesteuert werden können, stärker in den Fokus. Zu beobachten ist zusätzlich ein Gefälle zwischen Stadthotels und peripheren Resorts: So verzeichneten Anlagen in den Bergen im vergangenen Sommer und Herbst sowie in der Skisaison viele Besucher – gleiches galt für Resort-Betriebe an attraktiv gelegenen Seedestinationen. Die Stadthotellerie hingegen hatte durch den Wegfall von Geschäftsreisen, Konferenzen und Veranstaltungen stärker zu kämpfen und verzeichnete einen Rückgang in der Nachfrage um bis zu 67 % gemäss HESTA.
Wie geht es nach Corona weiter?
Während sich vor der Pandemie auch weniger attraktive, nicht mehr zeitgemässe Hotelkonzepte aufgrund der hohen Nachfrage auf dem Markt behaupten konnten, werden sich diese Häuser differenzierter aufstellen müssen, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Dies wird vor allem Stadthotels in B- und C-Lagen sowie grosse Konferenz- und Seminarbetriebe betreffen. Noch mehr als bisher kommt es auf die Marktfähigkeit des Produktes am jeweiligen Standort und die betriebliche Effizienz an. Zusätzlich spielt der Dienstleistungs- und Personalisierungsgrad, vor allem in der Schweiz, eine nicht zu vernachlässigende Rolle.
Alternative Konzepte und die Drittverwertbarkeit werden zukünftig auch in der Entwicklungsphase und bei der Finanzierung solcher Projekte von Bedeutung sein. Aufgrund der geänderten Nachfragestruktur betrifft dies auch Bestandshotels in schwierigen Lagen und herausfordernden Märkten, für die eine Umwandlung z. B. in Studierendenapartments oder Mikro-Apartments geprüft wird.
Resort-Hotellerie im Aufschwung
Hervorzuheben ist allerdings auch die gesteigerte Attraktivität von Ferienhotels aufgrund der Nachfrageentwicklung sowohl von Betreiber- als auch Investorenseite. Vor der Krise galten Ferienresorts als zu saisonal und risikobehaftet. Heute sind sie eine gute Ergänzung zum Stadthotel-Portfolio und eine sinnvolle Erweiterung des Tätigkeitsfeldes. Zudem verschwimmt auch hier die Trennlinie zwischen Städtereisenden und Feriengästen; zukünftig werden Stadthotels, eingebettet in die entsprechende Infrastruktur, um den typischen Feriengast werben. Aufgegriffen wird dieser Gedanke bereits von Betreibern wie z. B. der Schweizer Gruppe The Living Circle, die diesen Trend früh erkannte und ihre drei Häuser in Zürich als «City & Lake Resorts» betitelt, mit der Schaffung eines entsprechenden Freizeitangebotes.
Gute Zukunft für Longstay-Konzepte
Ebenfalls einen Wachstumsschub können Longstay-Konzepte verzeichnen, die sich auf die Zielgruppe Geschäftsreisende fokussieren und ihren Gästen als USP ein «Zuhause auf Zeit» bieten mit allen Annehmlichkeiten wie Co-Working-Bereiche, Fitnessstudio, Restaurant oder einem Waschsalon. Erfolgreich mit diesem Konzept am Markt etablieren konnte sich beispielsweise die europäisch tätige Corestate Capital Group, die sich im April 2021 mit ihrem Serviced-Apartment-Projekt «Joyn Zürich» neu am Schweizer Markt positioniert hat und ihr Serviced-Living-Portfolio, ergänzend zu den Standorten Wien, Frankfurt, Köln, Düsseldorf und München, trotz Corona ausbauen konnte. Die Gründe: Das Selbstversorgungskonzept (mit eigener Kochmöglichkeit) erweist sich als besonders nachgefragt. Es entspricht dem Wunsch vieler Gäste nach einer gewissen Unabhängigkeit, unter Beibehaltung des entscheidenden Service-Charakters, den man auf Reisen und bei einem längeren Aufenthalt nicht vermissen möchte.
Hybride und flexible Immobilien
Dementsprechend haben Konzepte wie Co-Working und Co-Living Konjunktur; die Trennlinie zwischen Urlaubs- und Geschäftsreisen sowie Wohnen und Beherbergung verschwimmt zunehmend. Hybrid und flexibel soll die Immobilie von morgen schon heute sein. Zudem eignen sich diese hybriden Wohnkonzepte für studentisches Wohnen oder für Senior:innen-Wohnmodelle und können so Antworten auf gesellschaftliche Megatrends wie die Urbanisierung oder den demographischen Wandel geben. Hybride Modelle bieten Übernachtung, Remote Working und Socializing an einem Ort und damit dem Gast ein vielfältiges Angebot zu einem All-In-Preis. Dem Eigentümer:innen bieten diese smarten Konzepte wiederum solide Einkommensströme und eine konstante Belegung des Hauses und damit eine erhöhte finanzielle Sicherheit.
Hotels werden digitaler und nachhaltiger
Auch die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit, sowohl alleinstehend als auch in Kombination, zählen zu den derzeit stark nachgefragten Konzepten. Denn durch den gezielten Einsatz von digitalen Helfern können sich für Hotels ökologische und ökonomische Effizienzsteigerungen ergeben. Derzeit liegt der Schwerpunkt hierbei noch auf den vertrieblichen Aspekten. So sind etwa smarte Vernetzungen während der Guest-Journey, der digitale Check-in sowie Zimmerzutrittsmöglichkeiten, Menükarten per QR-Code, das Buchen von Hotelserviceleistungen per App oder intelligente Marketing- und Kommunikationskampagnen zur Loyalitätssteigerung auf dem Vormarsch.
Doch auch während des Aufenthalts liessen sich weitere wertvolle Informationen sammeln und nutzen, um diese mit den Dienstleistungen des Hotels und mit dem Hotelgebäude bzw. Zimmer zu synchronisieren. Die dadurch optimierten internen Prozesse könnten mittels eines digitalen Client Management Systems erreicht werden. Weitreichende Veränderungen könnten aber auch durch die Digitalisierung der Immobilie für Investoren, Eigentümer und Betreiber von Hotels herbeigeführt werden. So könnte über eine intelligente Steuerung der haustechnischen Anlagen bei geringer Belegung das Dienstplansystem entsprechend angepasst werden. Dies würde nicht nur manuelle Prozesse durch die Mitarbeitenden einsparen, sondern auch reichlich Energie im ökologischen Sinne!
Gesundheit und Regionalität
Nicht zuletzt können Hotels über gesunde und nachhaltige Konzepte einen Wettbewerbsvorteil erzielen, denn beide Themen nehmen in der Bevölkerung einen immer höheren Stellenwert ein. Dabei werden neben Gesundheits- und Wellness-Resorts Aspekte wie Bio-Verpflegung, Regionalität, CO2-Neutralität oder eine kreislauffähige Bauweise eine immer wichtigere Rolle im Gesamtangebot spielen. Denn smart, ökologisch und verantwortungsvoll aufzutreten ist nicht erst seit Corona oberstes Gebot für alle Stakeholder der Branche.
Fazit
Für hotelaffine Investoren mit dem entsprechenden Know-how ist die Asset-Klasse Hotel weiterhin auf lange Sicht ein attraktives Investment. Projektentwicklungen und Ankäufe werden jedoch stärker unter die Lupe genommen.
Hotels ohne ein ausgefeiltes Konzept und die Berücksichtigung diverser Gästebedürfnisse werden es in der derzeitigen Marktsituation schwieriger haben, sich gegen smarte Konzepte mit hohem Gäste-Appeal zu behaupten. Die auf den Markt strömenden Produkte mit innovativen Konzepten (Capsule Hotel Zürich Flughafen), digitalen Vertriebs- und Marketingmodellen (Ruby), hybriden Produkten (Meininger) und Apartmentbetreiber (Yotelpad) unterstreichen den Wandel.
Wohin die Reise genau geht und welches Konzept das Richtige ist, muss jeder Betrieb für sich definieren. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit werden jedenfalls in einem stark umkämpften Markt auch zukünftig die ausschlaggebenden Faktoren für einen resilienten Betrieb sein. Die Integration eines hybriden Produktes ist hierbei einer der Trends, jedoch nicht für jeden Betrieb, Standort und Produkt das Richtige.
Ob hybrides Konzept, Serviced Apartments, Stadthotels mit Resortcharakter oder digitale und nachhaltig effiziente Betriebe – wichtig ist, das Reiseerlebnis mitzugestalten und geschichtsträchtige Aufenthalte zu ermöglichen, die in Erinnerung bleiben. Ein durchdachtes Konzept, das genau diese Geschichten erzählen kann, bildet das Erfolgsrezept für den Betrieb von morgen!
Die Autorinnen
Gisela Loidol, ist Hospitality Consulting Managerin Europe bei Drees & Sommer und bringt eine 15-jährige Erfahrung in der Hotelbranche mit. Sie unterstützt Investoren, Betreiber und Entwickler im Projektverlauf bei der Konzept- und Strategieausrichtung sowie der kommerziellen Beratung im Hotelbetrieb.
Nora Hoffmann ist als Real Estate Consultant bei Drees & Sommer Schweiz in der Organisations- und Prozessberatung tätig, mit einem Background in Hospitality Management und Erfahrung in unterschiedlichen Hotelbetrieben.