Die Konferenz zum Frieden in der Ukraine auf dem Bürgenstock hat die Beziehung Hotel-Politik-Diplomatie wieder bewusst gemacht. Zur Menage à trois: Micheline Calmy-Rey, frühere Bundesrätin und Aussenministerin; Michael Ambühl, ehemaliger Staatssekretär; Paul Widmer, ehemaliger Botschafter und Historiker. Chris Franz, General Manager des Bürgenstocks, erzählt von Staatschef-Selfies und Kühnen, die einen Premierminister begeisterten.
Nicht die politischen Ergebnisse der Bürgenstock-Konferenz sind hier zu würdigen. Vielmehr ist aufgefallen, dass die Hotellerie oder der Hotelier beim aussenpolitischen, weltweit wahrgenommenen Akzent, den unser Land mit der Konferenz setzte, ein Thema war.
Tadellose Hoteliers
Micheline Calmy-Rey wurde im Interview mit der NZZ, das am 22. Juni erschienen war, gefragt, ob sie mit den Resultaten der Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock zufrieden sei. In unserem Kontext ist ihre Bemerkung zur internationalen Rolle der Schweiz interessant: «Ich bin sehr zufrieden, dass die Schweiz die Initiative ergriffen hat. Sie hat probiert, Einfluss auf die Weltpolitik zu nehmen, sie hat sich aus der Komfortzone hinausgewagt. Und man kann sagen: Wir sind tadellose Hoteliers gewesen. Es wurde mit dieser Konferenz versucht, eine Grammatik des Friedens zu formulieren, die von der Staatengemeinschaft wahrgenommen und diskutiert wird.»
Mehr als eine gute Hotelière
Bereits im Vorfeld der Konferenz, ebenfalls in einem NZZ-Interview, erschienen am 14. Mai, hatte sich Michael Ambühl, ehemaliger Staatssekretär und Chefunterhändler der Schweiz für die bilateralen Verträge II, zum Ukraine-Gipfel auf dem Bürgenstock geäussert. Auch stellte er Vergleiche mit der Schweiz als Hotelier und Gastgeber an. Die NZZ fragte, ob die Rolle der Schweiz über die einer grosszügigen Gastgeberin hinausgehen könne. Ambühl antwortete: «Sicher (…). Unsere Diplomatie könnte der Welt zeigen, dass die Schweiz im geplanten Prozess auch weiterhin eine konstruktive Rolle einnehmen will.» Die Journalistin Christina Neuhaus fragte, wie das gelingen soll. «Dann, wenn die Schweiz die wichtigsten Akteure überzeugt, dass sie mehr als eine gute Hotelière ist. Wenn sie konsensfähige und kreative Lösungsvorschläge aufzeigen kann, um zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker beizutragen.»
Hotel hilft unbehauster Zunft
Der Historiker und Ex-Diplomat Paul Widmer hat sich in einem Gespräch mit Blick-TV (15. Juli 2023) über die Rolle des Hotel Bellevue Palace in Bern geäussert. Dieses Haus, angrenzend ans Bundeshaus, beherbergt oft Staatsgäste und dort finden Staatsbankette statt. Neben den festlich polit-diplomatischen Anlässen finden im Bellevue ungezählte formelle und noch mehr informelle Gespräche statt. Für Widmer ist das Bellevue ein «legendärer Ort für die Schweizer Diplomatie.» Auch für Geheimdienste habe das Hotel immer wieder eine wichtige Rolle gespielt. «Hier hat sich vieles abgespielt, von dem man nichts weiss».
Warum sind Hotels für Diplomaten so wichtig und anziehend? Widmer meinte: «Die Diplomatie ist eine unbehauste Zunft, die viel reist und Hotels braucht, um ihrer Aufgabe nachzukommen.» Es gehöre zum diplomatischen Auftrag, die staatlichen Interessen zu vertreten. «Diplomaten wollen andere für sich einnehmen und beeindrucken. Man lädt ins schönste Hotel ein – da spielt das «Bellevue Palace» in Bern eine zentrale Rolle.» In dieser Hinsicht, so Widmer, gelte Bellevue «als erste Adresse».
Rishi Sunak: «real Switzerland»
Chris Franzen, Hotelier und Gastgeber der Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock, hat beim Gipfeltreffen «1 zu 1 viele Hände von Staatschefs geschüttelt». Besonders beeindruckt haben ihn US-Vizepräsidentin Kamala Harris und ihr Sicherheitsapparat. Auch der portugiesische Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa hinterliess einen bleibenden Eindruck. Der Grund ist kein politischer, sondern weil er mit den portugiesischen Mitarbeitern des Bürgenstock Resort Selfies machte. Und der damalige Premierminister von Grossbritannien, Rishi Sunak, meinte zu Franzen: Auf dem Bürgenstock habe er «real Switzerland» gesehen. Für Sunak waren das die Kühe mit Glocken.
Pannen gab es nicht. Es habe alles geklappt, dank der sehr guten Zusammenarbeit mit dem Bund, zog der General Manager in der Radiosendung «Regional Diagonal» (22. Juni) zufrieden Bilanz. «Die Intensität generell» der beiden Konferenztage hatte ihn überrascht. «Wir haben 92 Delegationen mit 57 Staatschefs in knapp 48 Stunden beherbergt und bewirtet. Da muss alles stimmen. Wenn es irgendwo knatscht, verzögert sich alles.» Im Hotel knatschte es nicht. Auch nicht in der diplomatischen Politik bzw. der politischen Diplomatie in der (Inner-)Schweiz.