Pionierfamilien, Eisenbahn und Schützenfest machten Lugano zum Hotelparadies

Der Eisenbahntunnel durch den Gotthard (1882) und das Eidgenössische Schützenfest 1883 gaben der Hotellerie in Lugano einen Kick. Hotel-Pionierfamilien liessen grossartige Hotels entstehen, die bis heute traumhafte Geschichten erzählen. Eine kleine historische ­Sammlung, die Guido Clericetti, der Direktor des prächtigen Hotels Majestic und Innocente Cereda, der joviale Besitzer des «Walter», erzählten. 

Hotel-Pioniere legten in der Stadt und ihrer Umgebung den Grundstein, der Lugano mit seinen namhaften Hotels und dem Tourismus der Destination in der ganzen Welt zu grosser Beachtung verhalf. Aber der Start in Lugano war schwieriger und langsam. Es besteht kein Zweifel, dass vor 1883, d. h. vor der vollständigen Eröffnung der internationalen Gotthard-Bahnlinie und vor dem Eidgenössischen Schützenfest in Lugano, das Hotel­gewerbe sich auf einige wenige Häuser beschränkte. Der Aufenthalt von ausländischen Touristen in Lugano war eher eine Sache wohlhabender Familien, die sich den Luxus langer Reisen mit Post- oder Privat­kutsche leisten konnten.

Hotels aus der Pionierzeit
Damals bestand die Hotellerie in Lugano vorerst aus dem «Bellevue», das von der Familie Pozzi in den Räumlichkeiten der späteren Banca della Svizzera Italiana betrieben wurde. Das «Washington» der Familie Molo, im künftigen Rathaus, wo der Gemeinderatssaal der ehemals berühmte Speise- und Tanzsaal war. Die Albergo Svizzero, geführt von der Familie Trabatton, die sich in der heutigen Casa degli Italiani, im Besitz von Torricelli, befand. Das alte Hôtel du Parc (heute Grand Hôtel) war im Besitz Ciani und unter der Leitung des be­­kannten Alessandro Béha. Zum «Riviera Sportsmann», das als Hôtel Lugano gestartet und von der Familie Brocca geführt wurde, gesellte sich später das alte «Victoria» hinzu, das inzwischen abgerissen wurde.

Die aus der Pionierzeit stammenden Hotels wurden, mit Ausnahme des «Du Parc», im Laufe der Zeit alle ­entweder aufgegeben oder abgerissen. Das Hotel Reichmann (später Primerose), von der Familie Reichmann selbst betrieben, und die Villa Castagnola in Cassarate entstanden unmittelbar um das Eidge­nössische Schützenfest Lugano von 1883. Es war die russische Adelsfamilie von Ritter, die sich am Fusse des Monte Brè, direkt am Seeufer, 1880 eine Residenz baute. Die grosszügige Villa wurde dann an die ­Luzerner Familie Schnyder von Wartensee verkauft, die den Besitz erst in eine Pension und 1885 in ein Hotel umwandelte.


Hoteliervereinigung
Erst nach der Eröffnung des Gotthardtunnels im Mai 1882 und dem Eidgenössischen Schützenfest im ­Sommer 1883 kam es zum ersten touristischen Aufschwung der Luganeser Region. Der Name Lugano wurde nach und nach im In- und Ausland bekannt. Mit der steigenden Zahl der Besucher nahm auch jene der Hotels zu. Die Società Albergatori di Lugano e ­dintorni (Hoteliers-Vereinigung Lugano und Umgebung) wurde 1885 von den zwei weitsichtigen Bürgern Jean Torricelli und Alfredo Buzzi ins Leben gerufen. Es gelang ihnen, die wenigen Hotelier-Pioniere im Verein zusammenzuschliessen. 

Ab 1900 – Wachstum hält an
Ab 1900 etablierten sich eine Reihe neuer Hotels: das Albergo Splendido der Familien Fedele-Guidi-­Gianella. Das «Schweizerhof» von Giuseppe Cleri­cetti. 1907 das «Walter» von Walter Forni (ehemaliger Concierge im Wiener «Imperial»). Er war es auch, der aus der Brasserie Walter Galleria das Albergo Lloyd machte. Das neue «Washington» der Familie Molo, das das Stadthaus verliess und nach Massagno zog. Das «San Gottardo» der Brüder Miraldi. Das «Beau Rivage» der Ehrets. Das «Beauregard», erst im Besitz der Familie Hirth-Wyss. Die Familie errichtet, nachdem sie das «Beauregard» verlassen hatte, das «Europe». Das «Bellevue» in Paradiso (ehemalige Kunstausstellung der Familie Landgraf). Das «Meister» der Familie Meister. Sie ­wurden selbst zu Hoteliers, nachdem sie lange Zeit Luxusbrot an die dama­ligen Hotels geliefert hatten. Ebenfalls um die Jahrhundertwende entstand das «Métropole», das den Enderlins gehörte, jedoch von der Familie Brocca betrieben wurde. Das «Bristol» wurde 1903 von den D'Ambrogios eröffnet und ging vier Jahre später zum Innerschweizer Columban Camenzind über.

Die Luzerner Anton Diesler und Albert Riedweg ­zeichneten ab 1906 für das «Internazionale» verantwortlich. Die Familie Jannet, die seit 1899 das alte «Victoria» besass, eröffnete 1908 das zweite «Victoria», beide in Paradiso. Dort entstand aus der ehe­maligen Villa ­Torrini das Hôtel Sommer, das später zum «Savoy ­Ritschard» wurde. Josef Huhn und seine ­Familie, Be­­sitzer des «Eden» und des «Beau Rivage», hatten sich schon 1894 in Lugano niedergelassen.


Und es wurde Licht
Zu den ältesten Luganeser Hotels gehört das «Biaggi», im Besitz der gleichnamigen Familie und bereits seit 1803 in Betrieb, zunächst als Hotel und Restaurant, später nur noch als Restaurant. Dann gibt es noch das Albergo della Corona an der Kreuzung der Via Pessina, geführt von den Pozzis. Das Albergo Grütli in der Via Battaglini der Familie Sassella. Das Albergo Scaletta in der Via Nassa, wo heute das «Condor» der Familie Bussinger steht. Das Albergo Pozzo, noch heute in Betrieb, gehört ebenfalls zu den ältesten Hotels in der Stadt. Ebenfalls in diese Kategorie gehört die ehemalige Villa Posillipo in Castagnola. Sie wurde 1888 von Adolfo Moritz von Hannover in ein Gästehaus umgewandelt und als Hôtel Carlton Villa Moritz Eigentum der Familie Wyss wurde. 

Beginn des neuen Jahrhunderts vergrösserte vorerst die Familie Fedele das «Splendide». 1904 wurde das alte «Parc» um zwei Etagen aufgestockt und erhielt den neuen Namen Grand Hôtel Palace dank dem Duo Bucher-Durrer und dem Architekten Paolito Somazzi. Sie brachten das elektrische Licht ins Hotel und ­wirkten am Bau der Standseilbahn des San Salvatore mit. Der Wiederaufbau des alten «Beauséjour» wurde von den Herren Ehret und Zähringer in Angriff genommen. Nach Abschluss der Arbeiten erhielt das Haus den glorreichen, alten Namen Hôtel du Parc zurück. 

Viele Deutschschweizer Hoteliers
Auffallend ist, wie viele Deutsch sprechende Initianten das Luganeser Hotelleben verkörpern. Carlo Reichmann errichtete sein neues Eden. Alexander Béha kam 1850 aus Bern, er erkannte vielleicht als erster das in Lugano vorhandene Hotelpotenzial, und baute das «Impérial de la Paix». Der Deutsche Franz Kappenberger aus Rastatt in Baden-Württemberg installierte 1910 das «Adler-Stadthof» unterhalb des Bahnhofs und be­­teiligte sich mit Jakob Bisinger am «Weissen Kreuz» und der Pension Erica & Central.

Nach dem Ersten Weltkrieg 1914–1918 setzte eine touristische Flaute ein und brachte mehrere Krisenjahre. Ab 1923 stieg die Popularität Luganos wieder an und die Tourismuswirtschaft erlebte einen grossen Aufschwung. Die Hotels, die in technischer und dekora­tiver Hinsicht statisch geblieben waren, holten die ­verlorene Zeit nach. Sie vergrösserten sich und stat­teten ihre Räumlichkeiten neu aus, um den Anforderungen der modernen Zeit und der anspruchsvollen Gäste gerecht zu werden. 


Billigpreise bringen und vertreiben Gäste
Überall entstanden Alberghetti (kleine Hotels) und Pensionen in sehr grosser Zahl, die mit Billigpreisen viele Leute lockten und die Popularität Luganos erhöhten. Diese Entwicklung entpuppte sich als Nachteil im Allgemeinen und vertrieb einen grossen Teil der elitären und grosszügigen Kundschaft aus Lugano. Das war wie eine Warnung, die von der Hotellerie und den Behörden erkannt aufgenommen worden ist. Es galt für die Zukunft wieder eine weitsichtigere und rentablere Hotel- und Tourismuspolitik zu betreiben. 

 

* (Im Rahmen der Organisation des Grossen Preises der Schweiz für Motorräder 1930, der in Lugano auf einem ­Rundkurs um den Monte San Salvatore stattfand, war der Luganeser Hotelierverein ein fester Bestandteil der ­Organisation. Im damaligen Renn­programm «Numero Unico» (Einzelnummer), stellten sie ihre Aktivitäten vor).

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