Booking-Plattformen: Nationalrat verbietet Paritätsklauseln: Kooperationsverträge von Booking-Plattformen mit Hotels behindern die freie Preisgestaltung ihrer Angebote. Diese «Knebelverträge» hat der Nationalrat in der Frühjahrsession verboten. Sogenannte Paritätsklauseln in Verträgen zwischen Hotels und Booking-Plattformen sind nicht mehr gestattet. Hier die markantesten O-Töne der engagierten Parlamentsdebatte.
Die Ausgangslage
«Verbot von Knebelverträgen der Online-Buchungsplattformen gegen die Hotellerie.» So lautete im Jahr 2016 der Titel einer Motion von Ständerat Pirmin Bischof (Mitte, SO). In der Frühjahrssession kam das Thema ins Plenum des Nationalrats. Mit Änderungen im Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb sollten Preisbindungsklauseln gegenüber Beherbergungsbetrieben in Verträgen mit Online-Buchungsplattformen verboten werden.
Florence Brenzikofer (Grüne, BL) erläutert für die nationalrätliche Kommission, die das Gesetz vorberaten hat, Vorentscheidungen und Zielsetzung der Gesetzesanpassungen: «Die Änderung hat zum Ziel, Hotels und anderen Gasthäusern eine freie Preisgestaltung zu ermöglichen und so ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.»
«In der Kommissionsberatung wurde das Ersetzen des Wortes ‹Preisbindungsklausel› durch das Wort ‹Paritätsklausel› beschlossen. Diese Formulierung der Kommissionsmehrheit entspricht der Regelung der Nachbarländer wie Frankreich, Italien und Österreich.»
Wettbewerbsrecht ist kein Kiosk
Das Eingreifen in die Vertragsfreiheit zwischen Booking-Plattformen und Hotels wird kritisiert. Das Wettbewerbsrecht sei kein Kiosk. Protektionistische Eingriffe wirkten wettbewerbsverzerrend, wurde kritisiert. Zudem würden Buchungsplattformen internationale Märkte öffnen.
Judith Bellaiche (GLP, ZH): «Mit einer branchenspezifischen Änderung des UWG will das Parlament in privatrechtliche Verträge zwischen zwei Parteien eingreifen. Das ist in vielerlei Hinsicht falsch. Es ist einerseits systemfremd, ein allgemeingültiges Gesetz für eine einzelne Branche zurechtzubiegen, das öffnet Tür und Tor für weitere Begehrlichkeiten. Das Wettbewerbsrecht ist kein Kiosk.»
«Werden einzelne Branchen aus protektionistischen Motiven – ‹protéger l’hôtellerie suisse›, der Kommissionssprecher hat es genauso gesagt – gesondert behandelt oder sogar bevorzugt, wirkt sich das wettbewerbsverzerrend aus.»
«Die Vorlage ist auch materiell zu hinterfragen, denn die Hotels, die Beherbegungsbetriebe und damit der gesamte Tourismusstandort profitieren von der internationalen Reichweite der Plattformen. Erst dank diesen Plattformen und deren Netzwerkeffekten erscheinen die Schweizer Hotels überhaupt auf dem Schirm von Touristen und Gästen im In- und Ausland.»
«Diese Gesetzesänderung ist ein klarer Eingriff in diese Vertragsfreiheit. Wir müssen der Versuchung widerstehen. (…) Bevor es die Digitalplattformen gab, wurden Hotels über Reiseagenturen vermittelt. Da gab es keine Transparenz über die Vermittlungsgebühr und auch kein Verbot von Paritätsklauseln. (…) Ich beantrage, die Vorlage abzulehnen.»
Verbote bringen keine Dynamik in den Wettbewerb
Pirmin Schwander (SVP, SZ): «Ich ging bis jetzt immer davon aus, dass eine Mehrheit des Parlamentes davon ausgeht, dass wir mit Verboten keine Wettbewerbsdynamik fördern können, im Gegenteil.»
«Es stellt sich grundsätzlich die Frage, warum die Beherbergungsbetriebe überhaupt auf diese Plattformen wollen. Ich gehe davon aus, wegen der Attraktivität. Von diesen Plattformen profitieren eben alle – marketingmässig, ökonomisch, unternehmerisch, (…) insbesondere auch die Beherbergungsbetriebe. Sie profitieren massiv von den Marketingmassnahmen.»
«Nun kommen die gleichen Beherbergungsbetriebe und sagen, diese Attraktivität wollen wir natürlich, selbstverständlich auch die Marketingmassnahmen und so weiter, so müssen wir weniger investieren, aber wir wollen einfach die Nachteile nicht. Vorteile ja, Nachteile nein – wir sind nicht da, um diesen Mechanismus hier zu unterstützen.»
Vertragsfreiheit ist heute eine Illusion
Buchungsplattformen sind für die Linke kein Problem an sich. Die heute geltenden Geschäftsbedingungen hätten aber nichts mit Vertragsfreiheit zu tun.
Baptiste Hurni (SP, NE): Die Haltung von Nationalrat Schwander «ne constitue pas un casus belli pour le groupe socialiste. En effet, les offres de plateformes d’hôtellerie, comme Booking.com, ne nous dérangent pas en soi, mais elles deviennent problématiques lorsqu’elles imposent des conditions qui ne permettent plus la liberté économique des hôtels et des consommateurs.»
«Face aux conditions générales de ces plateformes, parler de liberté contractuelle est simplement, à notre sens, contraire à la réalité.»
Min Li Marti (SP, ZH): «Diese Gesetzesrevision ist eigentlich eine kleine Sache, sie berührt aber gewisse Grundsatzfragen im Umgang mit der Digitalisierung. Es geht hier aber nicht in erster Linie um eine Diskussion über Technologie, sondern um eine wettbewerbsrechtliche Frage.»
«Die SP-Fraktion wird dieser Vorlage zustimmen. Wir stehen einer wirtschaftlichen Übermacht von grossen Online-Plattformen, insbesondere solchen mit monopolartigem Charakter, skeptisch gegenüber.»
«Le groupe des Verts appelle à soutenir ce projet de modification de la loi fédérale contre la concurrence déloyale.»
Grosser Nutzen für die Kunden
Für die Kunden bringen die Buchungsplattformen mit ihren transparenten Informationen einen grossen Nutzen, zeigt sich die SVP überzeugt. Die FDP erachtet ein Verbot aus liberaler Sicht als sehr problematisch.
Barbara Steinemann (SVP, ZH): «Die hier ins Recht gefassten Plattformen verfügen über einen eher lädierten Ruf, Gaststättenbetreiber – ihre Vertragspartner – sprechen mitunter von einem Knebelvertrag. Diesen Plattformen dürfen aber mit Fug und Recht grosse Verdienste zugeschrieben werden: Konsumenten haben einen Nutzen, wenn externe Dienstleister das weltweite Beherbergungsangebot und die Preis-, Leistungs- und Nutzungsbedingungen übersichtlich und vergleichend darstellen.»
«Die verpönten Plattformen übernehmen ein tadelloses Marketingkonzept für alle Hotels.»
«Die Wettbewerbskommission hat den drei grossen Plattformen Booking.com, Expedia und HRS Group bereits im Herbst 2015 die Anwendung von sogenannten weiten Preisparitätsklauseln verboten. Die obersten Wettbewerbsschützer der Schweiz sind damit den Hoteliers bereits weit entgegengekommen.»
«Es ist unbestritten, dass in vielen Fällen tatsächlich ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Beherbergungsbetrieb und Buchungsplattformen besteht. Wer einen solchen Vertrag eingeht, kann nachher nicht den Staat um Hilfe rufen und ihn bitten, ihn doch vor den negativen Folgen des Vertragsabschlusses zu bewahren.»
Christa Markwalder (FDP, BE): «Online-Buchungsplattformen für Hotels bieten sowohl den Kundinnen und Kunden als auch den Beherbergungsbetrieben viele Vorteile. Sie haben eine grosse internationale Reichweite, sodass Reisende überhaupt auf die Angebote der Hotels aufmerksam werden. Zusätzlich erlauben Buchungsplattformen Hoteliers derzeit auch die Gewährung von tieferen Preisen, zum Beispiel bei Buchungen per Telefon.»
«Die vorgeschlagene Regelung schafft aus liberaler Sicht zahlreiche neue Probleme. So schränkt sie die verfassungsmässig garantierte Wirtschafts und insbesondere Vertragsfreiheit auf unzumutbare Weise ein.»
«Sie ist auch nicht geeignet, um die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Hotellerie zu stärken. So werden gemäss brancheninterner Umfrage nur etwa 15 Prozent der Buchungen direkt über die Websites der Hotels gebucht, die von den Preisbindungsparitäten gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen betroffen sind.»
Eringer Politikkampf
Müssen die mittelständischen Hotels vor internationaler Marktmacht geschützt werden? Für die Mitte war klar, ohne Verbot der Preisbindungsklauseln geht es nicht. Es gehe um gleich lange Spiesse für die Schweizer Hotels. Zu dieser Frage entwickelte sich zwischen zwei Walliser-Politikern ein kleiner Eringer Politikkampf.
Philipp Bregy (Mitte, VS): «Eigentlich geht es um eine simple und einfache Frage: Wollen wir die rechtlichen Bedingungen so regeln, dass grosse internationale Plattformen profitieren, oder wollen wir die eigenen, die schweizerischen, die mittelständischen Hotels schützen? Damit sie der Marktmacht, zumindest der relativen Marktmacht dieser internationalen Plattformen, nicht ausgeliefert sind?»
«Ein kleines oder mittleres schweizerisches Hotel kann nicht wählen, ob es dort mitmacht. Daher ist es gefährlich, wenn man diese Preisbindungsklauseln und – noch idealer – die Preisparitätsklauseln nicht verbietet.»
«Wenn wir der schweizerischen Hotellerie gegenüber dieser internationalen Marktmacht den Rücken stärken wollen, dann müssen wir für ein Verbot von Paritätsklauseln eintreten. Damit passen wir uns quasi nahtlos dem direkten Umfeld unserer Nachbarstaaten an, damit bieten wir den schweizerischen Hotels die gleichen Spielregeln wie im nahen Ausland.»
«Wenn ich heute gehört habe, es gehe darum, abzuwägen, welche Vorteile es für unsere schweizerischen Unternehmen gibt. Ich schaue insbesondere die SVP-Fraktion an, die heute hier in der Tendenz sagt: Wir unterstützen die internationalen Konzerne statt die schweizerischen Unternehmen. Das ist für mich völlig unverständlich.
«Die Mitte-Fraktion ist bereit, die Hotellerie und den Tourismus zu stärken, ohne dass man hier eine grosse Szene darüber veranstaltet, wie stark in den Markt eingegriffen wird.»
Philipp Nantermod (FDP, VS): «Monsieur Bregy, vous m’avez presque convaincu. Ces plateformes sont vraiment affreuses et vampirisent le marché. Est-ce qu’il ne serait pas plus efficace de les interdire purement et simplement?»
Philipp Bregy (Mitte, VS): «Es handelt sich nicht um ein Verbot, Herr Kollege Nantermod. Die Frage ist: Wollen wir akzeptieren, dass es eine marktbeherrschende Stellung gibt, die unsere kleinen und mittleren Betriebe schwächt? Sie selber kommen aus einem Kanton, in dem es viele Hotels gibt, die auf diese Weise unter Druck kommen. Offensichtlich sind Ihnen diese egal.»
Der Nationalrat hat sich in der Gesamtabstimmung mit 109 gegen 70 Stimmen bei 13 Enthaltungen für ein Verbot von Paritätsklausel bzw. Preisbildungsklauseln ausgesprochen. Damit ist das Gesetz unter Dach und Fach. Der Ständerat hatte der Vorlage bereits früher zugestimmt.