Wird das Pensum oder der Lohn während eines Anstellungsverhältnisses markant verändert, stolpert man zwangsläufig über die Frage: Was passiert mit den angehäuften Ansprüchen an Ferien-, Feier-, Ruhetagen und Überstunden? Leider findet man in der Literatur und auch in Gerichtsurteilen keine Antworten.
In der heutigen Zeit müssen Arbeitgebende eine hohe Flexibilität an den Tag legen und dem Wunsch von Mitarbeitenden, das Arbeitspensum zu verändern, nachkommen. Sonst verliert man Mitarbeitende. Kommt ein Kind auf die Welt, möchte der Vater von bisher 100 auf 60 Prozent reduzieren. Oder in Feriendestinationen: Die Mitarbeiterin will während der Sommersaison 80 Prozent, aber über die Wintersaison nur 40 Prozent arbeiten. Beim Pensumswechsel wird es selten so sein, dass alle Ferien- und Feiertageguthaben auf Null stehen. Und so kommt die rechtliche Frage auf: Wie baut man das bei hohem Pensum angehäufte Guthaben an Ferien oder an Feiertagen bei tieferem Pensum ab?
Praktische Frage ist rechtlich ungeklärt
Wenn beispielsweise nach der ersten Sommersaison viele Ferien-, Feier- und Ruhetageguthaben zugunsten der Mitarbeitenden vorhanden sind, wird es kaum als gerecht empfunden, wenn diese während der Wintersaison und damit bei der Hälfte des Lohnes abgebaut werden. Wie in solchen Fällen genau gerechnet wird, weiss niemand so genau. Nach unserem Wissensstand wurde dies auch noch nie von Gerichten beurteilt. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch hoch, dass die Gerichte es nicht akzeptieren würden, wenn in einer Phase mit markant tieferem Pensum Guthaben von früher eins zu eins abgebaut werden. Der umgekehrte Fall wird wohl eher zugunsten der Mitarbeitenden entschieden: Wenn in der Wintersaison bei einem Lohn von 40 Prozent keine Ferien bezogen werden, müssen sie später real bezogen oder allenfalls am Ende des Anstellungsverhältnisses ausbezahlt werden. Ist dann das Pensum höher, dann kosten die Ferientage auch entsprechend mehr.
Auf der Basis des letzten Lohnes entschädigen
Wenn am letzten Tag der Anstellung noch Ansprüche der Mitarbeitenden aus Ferien-, Feier- oder gar Ruhetagen vorhanden sind, dann müssen diese grundsätzlich mit dem Lohn am Ende des Anstellungsverhältnisses abgegolten werden, auch wenn die einzelnen Guthaben aus einer Periode mit tieferem Pensum stammen. Arbeitgebende müssen sich in solchen Fällen bewusst sein, dass die Saldi von Ferien-, Feier- und Ruhetagen von den Gerichten vermutlich nicht nach den verschiedenen Perioden gesondert betrachtet werden, ausser die Mitarbeitenden würden dadurch schlechter gestellt. Das Hauptargument dürfte sein, dass die Arbeitgebenden ja die Planung machen.
Pensumswechsel planen
Am gerechtesten für beide Seiten ist, wenn entstandene Ansprüche auf Frei- und Ferientage abgebaut werden, bevor das Pensum wechselt. Sind die Saldi vor einem Pensumswechsel mehr oder weniger bei null, wird es kaum Streit geben. Die Empfehlung ist deshalb klar: Bei Pensumwechseln sollten die offenen Saldi vorgängig ausgeglichen werden. Das geht aber nicht mit Geld, sondern nur mit Freizeit. Bezüglich Ferien gibt es während des laufenden Anstellungsverhältnisses ein zwingendes Verbot der Abgeltung mit Geld (Art. 329d Abs. 2 OR). Ähnlich wird es für die Feier- und Ruhetage sein, weil für diese das Abgeltungsverbot nach Art. 22 ArG zur Anwendung kommen dürfte.
Überstunden besser vor Lohnerhöhung abgelten
Bezüglich Überstunden hat man eine ähnliche Problematik, aber nur dann, wenn der Lohn hochgerechnet auf 100 Prozent verändert wird. Der vertragliche Stundenlohn verändert sich ja nicht, wenn zwar das Pensum reduziert oder erhöht wird, aber der Lohn hochgerechnet auf 100 Prozent gleich bleibt. Grundsätzlich klar ist, dass aufgelaufene Überstunden immer zu dem Lohn abzugelten sind, der im Moment der Auszahlung vereinbart ist. Hat ein Mitarbeiter bei der Lohnerhöhung von CHF 4500 auf CHF 5000 deren 100 Überstunden, werden diese später entweder durch Freizeit kompensiert oder aber dann auf der Basis des Lohnes von CHF 5000 abgegolten. Weil Überstunden jederzeit ausbezahlt werden können, macht es aus betrieblicher Sicht Sinn, diese vor der Lohnerhöhung in Geld auszuzahlen. Hinzu kommt noch, dass Überstunden sowieso günstige Stunden sind, weil darauf keine Ferien- und Feiertageentschädigung und allenfalls auch kein 13. Monatslohn geschuldet sind.
Theoretisch gibt es noch den umgekehrten Fall: Es findet eine Reallohnsenkung statt. Der Grundsatz dürfte derselbe bleiben, nämlich dass der Lohn zum Auszahlungs- oder Kompensationszeitpunkt gilt. Aber sicher wissen wir es nicht. Denn das würden Arbeitnehmende kaum einfach so hinnehmen.
Martin Schwegler, lic. iur. / RA
Der Autor dieses Beitrags ist seit 1994 Dozent für Arbeitsrecht an der SHL Schweizerischen Hotelfachschule Luzern. Hauptberuflich ist er in der von ihm gegründeten Anwaltskanzlei Schwegler & Partner Rechtsanwälte und Notare AG in Menznau (LU) tätig. 2020 hat er die correct.ch ag gegründet, die arbeitsrechtliche Dienstleistungen für die Hotel- und Gastrobranche anbietet. Ein Produkt der Firma ist correctTime, eine Zeiterfassung, die nach L-GAV und ArG korrekt rechnet.