Alkoholfreie Weine sind gekommen, um zu bleiben

Alkoholfreie Weine sind gekommen, um zu bleiben

Marc Almert: ASI Best Sommelier of the World 2019, ­Stellvertretender Geschäfts­führer Baur au Lac Vins, Chef Sommelier Baur au Lac


Bis vor Kurzem gab es Artikel zu diesem Thema nur im «Dry January». Warum schreibt also ausgerechnet ein Sommelier kurz vor der genussvollsten Zeit des Jahres zum Thema alkoholfrei? Offen gesprochen: Weil es Umsatz bringt.

Wie viele andere Zürcher auch, war ich neugierig, was Michel Péclard im «Lulu» an der Oper an Wein ­ausschenkt. Siehe da, beim Besuch auf der Terrasse verbarg sich inmitten der offenen Weine ein alkoholfreier Riesling aus dem Rheingau – im glasweisen ­Ausschank. Auch im «Baur au Lac» haben wir schon lange alkoholfreie Weine auf der Karte, und im ­«Marguita» schenken wir einen französischen alkoholfreien «Bubbly» aus. Für diesen Weisen spannten ein Topmodel, eine Guide-Michelin-Direktorin und ein Champagnerhaus erfolgreich zusammen.

Im Moment erlebe ich kein Wein-Event, bei dem dieses Thema nicht besprochen wird. Sei es bei einem Bildungsbootcamp für junge Sommelièren und ­Sommeliers in Sevilla, oder auf der französischen ­Leitmesse Vinexpo in Paris. Der Tenor: «Die Weinbranche kommt um dieses Thema nicht herum. Nicht zuletzt aufgrund der neuen Losung der Weltgesundheitorganisation (WHO): ‹Jedes Glas ist eins zu viel›.» Das mag nicht jedem in der Weinbranche schmecken, aber den Kopf in den Sand zu stecken, hilft wohl noch weniger.

Bis vor kurzem waren es vor allem Health Resorts, die stark auf alkoholfreie Begleitungen setzten, z. B. das Memories im «Grand Resort Bad Ragaz». Oder vegetarische Restaurants, wie das Zürcher Hiltl. Lange waren diese Begleitungen dominiert von Säften, (Eis-)Tees, Kombuchas, Mocktails, Bieren und anderen Alternativen. Zunehmend findet man ernst zu nehmende alkoholfreie Weine und vor allem Schaumweine auf den Getränkekarten.

Woher kommt der Wandel? Nun, um einem Wein den Alkohol zu entziehen, müssen die Weingüter recht brutal vorgehen. Umkehrosmose, Schleuderkegel­kolonnen oder Vakuum-Destillation sind die gän­gigsten Methoden. Dabei geht nebst dem Alkohol auch viel vom Geschmack verloren. Doch dank tech­nischer Optimierungen und erlaubten Zusätzen wie z. B. Zitronensäure gewinnen diese Produkte zunehmend an Finesse und Aroma.

Ferner spürt man auf Gastseite einen zunehmenden Wunsch nach spannenden Alternativen, die gleichwertig wie Wein offeriert und serviert werden. Aus Gastgebersicht sollte ich somit als Sommelier mehr anbieten können als nur einen Orangensaft oder eine Cola. Hier meine ich explizit nicht nur die Restaurantkarte, sondern vor allem auch das Eventgeschäft. Dort wird bislang nur selten proaktiv ein alkoholfreier (Schaum-)Wein angeboten. Mein Tipp: Probieren Sie es aus, Sie werden überrascht sein, wie stark sich der Umsatz im Vergleich zu Wasser, Cola und Saft steigern lässt.

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