Bienenhaltung bei Hotels macht nicht immer Sinn

Hotels weisen im Kontext ihrer Anstrengungen zur Nachhaltigkeit darauf hin, dass sie Bienenvölker auf ihrem Areal halten. Der Zufall will es, dass Rechtsanwalt Martin Schwegler, der für den Hotelier regelmässig zu arbeitsrechtlichen Themen schreibt, auch Imker ist. Wir nutzen die Gelegenheit, ihm einige Fragen zum Thema Bienen und Hotels zu stellen. 



Martin Schwegler, seit April 2024 sind Sie ­Präsident des Imkerverbandes BienenSchweiz, der rund 14 000 Imkerinnen und Imker aus der deutschsprachigen und rätoromanischen Schweiz vereint. Sie sind sozusagen der höchste Imker im Land. Lassen Sie mich deshalb gleich mit der Bienen-Gretchenfrage einsteigen: Macht es Sinn, dass Hotels auf ihrem Areal Bienenvölker halten? Bringt das der Natur etwas?
Die Frage kann man nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Es kommt drauf an, was ein Hotel damit bezweckt. Will man möglichst regionale Produkte im Hotel anbieten oder verarbeiten, so gehört es dazu, dass man nicht Honig unbekannter Herkunft in den üblichen Portionendöschen auf das Frühstücksbuffet stellt. Eine andere Frage ist, ob man deswegen unbedingt eigene Bienenvölker halten muss. 

Ihre selbst gestellte Frage verlangt nach Ihrer ­Antwort.
Dazu muss ich etwas ausholen. In der Schweiz haben wir grundsätzlich eher zu viele Bienenvölker im Verhältnis zum natürlichen Nahrungsangebot. Bienen brauchen Nektar von Blühpflanzen oder Honigtau von Bäumen oder Tannen, damit sie diesen sammeln und im Stock zu Honig verarbeiten können. Für die Aufzucht einer gesunden Brut brauchen sie Pollen als Ei­­weissnahrung, diese kommt nur von Blütenpflanzen. Leider ist es so, dass die Pflanzenwelt in den letzten Jahrzehnten eher verarmt ist. Wenn ich beispielsweise Familienfotos aus meiner Kindheit auf einem kleinen Bauernhof im Luzerner Hinterland anschaue, so sehe ich viele Obstbäume und viele Blumen, die es auf den Heuwiesen hatte. Heute sieht das ganz anders aus. Die Graslandflächen haben eine ganz andere Zusammensetzung von Pflanzen. Im Frühling sieht man vielleicht noch Löwenzahn, aber ab Mai sind die Graswiesen eigentlich nur noch grün und nicht mehr bunt. Heutzutage müssen gute Futterpflanzen produziert werden, damit die Kühe viel Milch geben. Deshalb finden Bienen heute eher in den Städten ein ganzjähriges Nahrungsangebot, das ihnen entspricht als in Gebieten mit intensiver Landwirtschaft. Wer also Bienenvölker irgendwohin stellt, sollte sich Gedanken darüber machen, ob die Bienen das ganze Jahr über blühende Pflanzen finden, welche Nektar und Pollen hergeben. 

Es scheint mir eine verbreitete Meinung zu sein, man tue etwas Gutes für die Natur, wenn man Bienen hält. Tue Gutes und sprich darüber, ist dann auch die Kommunikationsstrategie von Hotels zu diesem Thema.
Das ist leider der falsche Ansatz. Wie gesagt, wir haben im Vergleich zum Nahrungsangebot sogar eine eher zu hohe Bienendichte. Wer etwas Gutes für die Natur tun will, der sollte zuerst in seinen Garten schauen. Viele Hotels haben einen grossen Umschwung. Es bringt für die Natur oder die Bienen allerdings gar nichts, wenn man Hunderte von Quadratmeter grünen Rasen um das Haus herum perfekt pflegt, damit es schön aussieht. Es ist wirklich verfehlt, zu meinen, man tue etwas Sinnvolles, wenn auf diesen Rasen Bienenkästen gestellt werden. 

Müsste man eher von einer Art Greenwashing sprechen, wenn Bienenvölker auf dem Hotelareal aufgestellt werden, wie Sie es beschrieben?
Ich denke, die meisten meinen es redlich. Nur ziehen sie vielleicht die falschen Schlüsse. Jene Betriebe, welche vor allem aus Imagegründen Bienenvölker hinstellen und meinen, sie würden etwas Gutes für die Natur tun, verstehen leider die Zusammenhänge in der Natur zu wenig. Denn Bienenhaltung ist keine per se ökologisch gute Tat. In der Juristerei kennt man den Begriff des untauglichen Versuchs. Bienenhaltung mit der Ab­­sicht, das eigene Haus in ein grünes Licht zu stellen, ist, plakativ gesagt, so ein untauglicher Versuch. 

Gehen wir davon aus, dass ein Hotel den ehr­lichen Willen hat, etwas Sinnvolles für die Bienen zu tun. Was müsste unternommen werden?
Das wäre sehr einfach. Ein Teil der Rasenfläche müsste in eine Blühfläche verwandelt werden, auf der es viele Pflanzen hat, welche zu unterschiedlichen Jahres­zeiten blühen. Nur muss ich warnen: Bis auf einer Landfläche wertvolle Bienenpflanzen wachsen, braucht es in der Regel mehrere Jahre Pflege. Man braucht dazu viel Gärtnerwissen. Zudem sollten ge­­wisse Bereiche der Landfläche sich selber überlassen und nicht aufgeräumt werden. 



Rasenflächen in Blühflächen zu verwandeln, ist für die Bienennahrung sinnvoll und nachvollziehbar. Aber wieso sollen gewisse ­Flächen sich selbst überlassen werden?
Den Honigbienen wird geholfen, denn sie haben einen Imker oder eine Imkerin, die nötigenfalls eingreifen und sie bei Futterknappheit mit Zuckersirup füttert. Deshalb geht es den meisten Honigbienen hierzulande grundsätzlich gut. Aber sie haben Verwandte. In der Schweiz gibt es rund 600 Wildbienenarten, wovon rund die Hälfte akut gefährdet ist. Denn ein grosser Teil der Wildbienen nistet im Boden, ein Teil beispielsweise in abgebrochenen Pflanzenstängeln. Unsere aufgeräumte Natur ist für die Wildbienen ­ähnlich wie eine Sandwüste für uns Menschen. Um im Bild zu bleiben: Ein Wildbienen-Hotel, wie es häufig aufgestellt wird, ist für Wildbienen eine Oase. Aber es ist längst nicht tauglich für die Mehrheit der Wild­bienenarten. Wer ein echter Naturfreund ist, der lässt die Natur auch etwas machen und stutzt sie nicht immer zurecht. 

Projekt Blühflächen hilft Bienen wirklich
Gesunde Honigbienenvölker und starke Wildbienenpopulationen brauchen eine stabile Lebensgrund­lage. Wesentlich ist ein grosses, vielfältiges und möglichst kontinuier­liches Blütenangebot. Dieses fehlt vielerorts, besonders in den Sommermonaten. BienenSchweiz hat deshalb 2022 eine Initiative zur ­Förderung von Blühflächen ­lanciert. Wer sich für Bienen ein­setzen möchte, vernetzt Leute, die Blüh­flächen auf Landwirtschaftsland und im Siedlungsraum schaffen möchten. Weitere Angaben zum Projekt ­finden sich hier: https://bienen.ch/projekt-bluehflaechen/

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