Friede ist nicht natur- oder gottgegeben. Das erfahren wir gerade in diesen Zeiten. Friede ist eine «Aufgabe», wie der Königsberger Philosoph Immanuel Kant (1724–1804) meinte. Und er erkannte, dass die Friedensaufgabe mit der allgemeinen Gastlichkeit verbunden ist.
Die Tischgesellschaft diente ihm als Modell für die nicht-kriegerische Bewältigung von Konflikten. Die beim Gastmahl geltenden Regeln würden einen «Schutzwall» bilden, der den «unvermeidbaren ernstlichen Streit vor dem Umschlag in die endgültige Entzweiung und tätige Auseinandersetzung» – sprich Krieg – bewahren könne.
Das Gastmahl beinhaltet für Kant «auch ohne einen besonderen dazu getroffenen Vertrag, eine gewisse Heiligkeit und Pflicht zur Verschwiegenheit». Vom Tisch nichts hinauszutragen, diene dem «offenen Verkehr der Menschen und ihrer Gedanken».
Clemens Brentano (1778–1842), der romantische Dichter und Gründer der Berliner Tischgesellschaft, beschrieb diese schwärmerisch: «Es gibt etwas grösseres als die Liebe, ich fühle es deutlich, es ist der Verein vortrefflicher Menschen in Freiheit, die bewusstlos (im heutigen Verständnis gemeint ist: absichtslos) zum Kunstwerke der Geselligkeit werden.»
Auch Kant war nicht die «leibliche Befriedigung» einer guten Mahlzeit wichtig. Wichtiger war ihm die «ästhetische Vereinigung» miteinander essender und kommunizierender (zeit- und kulturbedingt nur) Männer. Diese Runde war ihm ein Vorzeichen «wahrer Humanität». Humanität, so seine Vorstellung, entstand durch die Verbindung von «geselligem Wohlleben» mit der «Tugend».
Ein «gutes Mahl» passiert dem essenden Wesen Mensch nicht einfach so. Vielmehr müsse man sich tätig – auch essend – seiner «weltbürgerlichen Bestimmung» annähern. So könne man sich der «Menschheit würdig machen». Das «gute Mahl in guter Gesellschaft» war für Kant eine friedensfördernde Massnahme.
Diese bedenkenswerten Klugheiten zur Tischgesellschaft, zum gemeinsamen Essen, finden sich im Buch «Figuren des Politischen» von Iris Därmann. Gerade in einer Gesellschaft, die in «Formen des getrennten Zusammenlebens» funktioniere, hätten Tischgesellschaften eine besondere – wenn auch nicht im engen Sinne politische, so doch gesellschaftliche – Bedeutung, schreibt Därmann. So ist es.