Zukunftsszenarien für die Gastronomie
Die eigentliche Pandemie ist Vergangenheit. Gastronomen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) hoffen jetzt auf eine «neue Blütezeit». Der renommierte Trendforscher Pierre Nierhaus schildert im folgenden «Hotelier»-Fachbeitrag, wie die Gastronomie im DACH-Raum in den nächsten Monaten aussehen könnte.
In seinem aktuellen Trendreport 2022/23 verdichtet Gastronomieberater und Trendexperte Pierre Nierhaus die wichtigsten Entwicklungen. Er will Orientierung für die kommenden Monate geben. Sein Fazit nach einem weiteren Krisenjahr: «Der Druck ist weiterhin da, aber die Gastronomen haben sich neu aufgestellt und ihre Resilienz gestärkt. Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden noch stärker, Einfachheit ist Trumpf, die Wertschätzung für Gäste und Mitarbeitende ist ein Muss, Erlebnis und Freundlichkeit sind die Basis.»
15 Haupttrends für 2022/23
Auch in seinem Trendreport 2022/23 blickt Pierre Nierhaus auf die gesamte Hospitality-Branche – national wie international. Aus unternehmerischer und konzeptioneller Sicht analysiert er die wichtigsten Entwicklungen und leitet eine Prognose sowie 15 Haupttrends ab. Dabei schlägt er den Bogen von Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Bäckereien, Gemeinschaftsverpflegung bis Shopping.
Prognose: Change is coming
Die Megatrends gelten immer noch, sind aber durch die Pandemie verändert: Gesundheit und Sicherheit, Urbanisierung, Mobilität, Nachhaltigkeit, Konnektivität in Form von «Work everywhere» und neuen Services. Die Branche ist noch professioneller geworden. Gewinner sind die Systemer, Ketten und Gastro-Gruppen. Die Individualgastronomie, die wegen ihrer Einzigartigkeit, Vielfalt und Fröhlichkeit geliebt wird, ist nach wie vor hart getroffen. Nicht alle Betriebe werden überleben. Freiwerdende Locations sind eine Chance für Start-ups und innovative Macher.
Selbstverwirklichung über Food
Food ist Lifestyle und dabei, mit Musik und Mode gleichzuziehen. Food wird zum Ausdruck einer Einstellung, ist Statussymbol und dient der Selbstverwirklichung über Essen. Plant-Based, Bio, No Waste und CO2-Footprint sind Facetten dieses Lifestyles und Demonstration für verantwortungsbewusste Nachhaltigkeit. Nicht Veganer und Vegetarier bestimmen den Markt, sondern die Flexitarier.
Einfachheit und Menschlichkeit
sind der neue Luxus. Einfachheit, weil es Trend ist, die persönliche Komplexität zu reduzieren und – für alle Foodprofessionals – weil es aus Kostensicht notwendig ist. Freundlichkeit im Umgang miteinander ist Trumpf und Ausdruck von Menschlichkeit und Respekt. Im Businessbereich sind Gastfreundschaft und Persönlichkeit die Super-USPs für Individualgastronomie und Hotellerie und damit nahezu ein Gegenpol zur Digitalisierung und Vereinfachung. Freundlichkeit steht auch bei den Mitarbeitenden im Mittelpunkt: Der Mensch zählt – und der Mitarbeitende ganz besonders. Schlechte Kultur wird abgestraft.
Die neuen Stars
Plattformen wie Netflix, Uber, aber auch Too good to go sind die neuen Stars. Plattformen kooperieren untereinander, gehen Partnerschaften mit Ketten ein und werden noch mächtiger: PayPal mit Amazon, Uber Eats mit Starbucks.
Gastronomie im Wandel
Preise wurden angehoben und werden weiter steigen. Konzepte wurden überarbeitet: Einfacher, digitaler, profilschärfer. Immer mehr Gastronomen entdecken neue Bereiche, etwa bio zertifizierte Kita-Versorgung, Betriebsrestaurants, Online-Handel.
Wichtige Gästegruppen sind Millennials und Babyboomer
Sie schätzen ihre Freizeit, sind reise- und kontaktfreudig. Die Babyboomer gehen in Rente, haben Zeit, Geld und sind fit.
Wirtschaftlichkeit ist das, was am Ende zählt: Profit first, also Gewinn vor Umsatz. Die Krise hat den Markt grundlegend verändert: Schliessungen und Pächterwechsel, die wirtschaftlich Erfolgreichen haben zugekauft. Perspektive: Die Umwandlung von Büros in Wohnungen und die Besetzung freiwerdender Handelsflächen durch Gastronomie zu bezahlbaren Mieten.
Die Innenstadt wird zum Erlebnis. Die Krise am besten überstanden hat Quickservice und hier die grossen Ketten. Am stärksten betroffen waren der Tourismus und damit die Verkehrsgastronomie, Catering, besonders Eventcatering sowie Bars und Clubs. Insgesamt steht der DACH-Raum immer noch etwas besser da als andere Regionen in Europa.
Mitarbeitende und Auszubildende fehlen
Die knappen Personalressourcen verändern das Dienstleistungsangebot speziell in der Gastronomie. Als Reaktion steigen die Löhne deutlich an. Entscheidend wird sein, ob die Wirte sich diese Lohnsteigerungen leisten können – auch im Hinblick auf die höheren Energie- und Lebensmittelkosten. Weitere Ansätze: flexibles Personalrecruiting weltweit, neue Arbeitszeitformen (4-Tage-Woche), entkoppelte Produktion und prozessorientierte Küche.