«Dézaley ist Teil der Schweizer Weinkultur»

«Hotelier»-Weinexpertin Chandra Kurt über Dézaley Nur gerade eine Handvoll Weinbaubetriebe kultiviert im exklusivsten Schweizer Terroir Wein – die Rede ist vom Dézaley, das steil am ­Genfersee emporragt und sich in der Appellation Lavaux befindet. «Hotelier»-Weinexpertin Chandra Kurt besuchte den Winzer Patrick Fonjallaz und sprach mit ihm über die Hintergründe des Dézaley.


Die Familie Fonjallaz arbeitet seit dem 16. Jahrhundert in den Rebbergen des La­­vaux und ist eines der ältesten Familien­unternehmen der Schweiz. Patrick Fonjallaz repräsentiert die 13. Generation und ist der Besitzer der Domaine, die wie ein Juwel über dem Genfersee ruht. Seine Familie bewirtschaftet eine Fläche von 38 Hektaren und vinifiziert daraus eine solide Palet­te an traditionellen Schweizer Klassikern.

Patrick Fonjallaz ist nicht nur eine Waadtländer Weinpersönlichkeit, seine Weine stammen aus bekannten Appellationen – darunter Epesses, Villette, St. Saphorin, Calamin oder Dézaley. Zwei Drittel der Weine sind Weiss mit primär Chasselas, Viognier und Sauvignon Blanc. Die Rotweine stammen aus den Sorten Pinot Noir, Gamay, Diolinoir, Plant Robert, Garanoir und Gamaret. Zu den bekanntesten Weinen der Domaine gehört der «Clos de La République».




55 Hektaren Dézaley


Dézaley Grand Cru AOC ist einer der letzten Klassiker des alten Europas, in dem die Zeit etwas stehengeblieben ist. Die Weine aus dieser mystisch-charismatischen Re­­gion haben trotz ihrer aromatischen Milde eine unglaubliche Tiefe und Langlebig­-keit. Das Weingebiet Dézaley liegt am Genfersee in der Gemeinde Puidoux, umfasst 55 Hektaren (von denen 90 Prozent mit Chasselas bepflanzt sind) und wird von unzähligen Steinmauern mit einer Ge­­samtlänge von 400 Kilometern gestützt. Das Terroir ist geprägt von einem kargen, steinigen, kalkreichen Boden bestehend aus Moränenschutt des Rhonegletschers, der auf harten Nagelfluhschichten ruht. Das erklärt die charakteristische Minera­lität des Dézaley. Dazu kommt das besondere Mikroklima, das durch das Zusammenspiel von Steilhang, See und Steinmauern entsteht.



100 Prozent Chasselas-Trauben


Der nach Süd-Südwest exponierte Grand Cru Dézaley findet hier ideale Wachstums- und Entwicklungsbedingungen vor. Was sich Dézaley nennt, muss zu 100 Prozent aus Chasselas-Trauben aus dem Appella­tionsgebiet stammen. Das Dézaley – das ist auch das Terroir mit den steilsten Lagen im Lavaux. Bis heute ist die Arbeit in diesen Weingärten mühsam, und es genügt, einmal einen Rebberg von unten nach oben und umgekehrt zu gehen, um nie mehr zu vergessen, wie viel Arbeit in jedem Schluck Wein steckt. Eine Hilfe sind da schwin­del­erregende Einschienenbahnen – so ge­nann­­­te Monorails. Sie transportieren Menschen und Material bis in die obersten ­Terrassen und helfen die gelesenen Trauben zu bergen.



Abwechslungsreiches Tag-Nacht-Klima


Der schroffe und äusserst imposante Steilhang garantiert die maximale Einstrahlung der Sonne auf die Reben, der See wirkt als gigantischer Spiegel, der das Licht zu­­rückwirft, und die Steinmauern speichern tagsüber die Sonnenwärme, die sie nachts wieder abgeben. Dass die Trauben tagsüber nicht «verkochen», liegt an der nachmittäglichen Brise des Dézaley, einem küh­­len, trockenen, zeitweise heftigen Wind, der die Pflanzen kühlt und den Reifeprozess der Trauben verlangsamt. Das ab­­wechslungsreiche Tag-Nacht-Klima sorgt für den charaktervollen, an Honig, Karamell, Mandeln und Quitten erinnernden Geschmack des Dézaley Grand Cru, der zudem von fein würzigen, blumigen Aromen umrundet wird. Der Chasselas er­­reicht hier eine höhere phenolische Reife als anderswo und präsentiert sich daher be­­sonders tiefgründig und kraftvoll.




Ältere Weine werden nicht besser


Eine lange Tradition, ein einzigartiges ­Terroir mit einer ideal dazu passenden Rebsorte sowie unverwechselbare, typische Weine mit einer ungewöhnlichen Alterungsfähigkeit – das ist die beste Vorraussetzung für eine Grand-Cru-Lage. Tatsächlich vermögen die Weine aus dem Dézaley bestens zu altern. Zeigen sie in den ersten Jahren Aromen von Mandeln, ge­­röstetem Brot und Honig, so kann man mit zunehmendem Alter Noten von Haselnüssen, Bienenwachs und eingemachten Früchten erkennen. Obwohl sie auch in ihrer Jugend mit ihrem intensiven, frisch-fruchtigen Bouquet grosse Trinkfreude bereiten können, gewinnen sie doch mit zunehmendem Alter an Komplexität und Geschmacksfülle. Was mir immer wieder bei Verkostungen von älteren Jahrgängen auffällt: Die Weine werden nicht besser (so wie in anderen Weingebieten), sondern anders. Als ob sie sich in etwas Neues verwandeln.



Die Geschichte des Dézaley


… geht weit zurück: Im 12. Jahrhundert hatte der Lausanner Bischof Guy de Malagny die Idee, aus dem Steilhang des Dézaley einen ausgezeichneten Weinberg zu kreieren. Im Jahr 1141 gab er das verwilderte Land den Zisterziensermönchen in der Hoffnung, dass diese Baufachleute und guten Weinbauern dieses Niemandsland in einen Weinberg verwandeln würden. Er­­forderlich war auch das Mitwirken der lokalen Bevölkerung, um das Land zu ro­­den, zu terrassieren, endlose Steinmauern zu bau­en, den Boden zu bearbeiten und die Reben zu pflanzen. Im Jahr 1797 reiste Napoleon durch das Dézaley und war über diese aufgehängten Gärten so erstaunt, dass er ein paar Worte in Stein gravieren liess. Einem Stein, der seither den Namen «Napoleon­stein» trägt.


Für Patrick Fonjallaz ist der Genuss eines Dézaley immer ein spezieller Moment. So meint er: «Es ist ein Wein, mit dem man die Schweizer Weinkultur zelebrieren kann. Dézaley hat den Charakter eines grossen Burgunders, der mit dem Reifen besser wird und den man am besten dekantiert und mit Musse und etwas Zeit geniesst.»


closdelarepublique.ch



«Hotelier»-Insider-Tipp



Was ist die ideale ­Trinktemperatur?


Die Servicetemperatur des Weins ist genauso wichtig wie die Wahl des richtigen Weinglases. Wird ein Wein (Rot- oder Weisswein) zu kalt ­serviert, erkennt man seine Aromatik kaum, zumal seine Aromastoffe wie blockiert oder, anders ausgedrückt, «eingefroren» sind. Wird der Wein hingegen zu warm serviert, kann es vor­kommen, dass er bitter, pappig, müde oder gar klebrig wirkt. Aromatische Weine werden kühler serviert als solche, deren Nase weniger explizit wahrgenommen wird. Ein Sauvignon Blanc oder ein Riesling ist daher etwas kühler zu geniessen als ein üppiger Chardonnay. Das gilt auch bei ­Rotweinsorten: Pinot Noir oder Gamay können problemlos eine Spur kühler als ein Merlot aus­geschenkt werden. Hat man einen Wein, der nicht auf der Höhe, etwas müde oder von minderer Qualität ist, sollte man ihn (falls man ihn überhaupt trinken will) eher etwas gekühlt servieren, zumal man seine Fehler dann weniger schmeckt.


Schnellste Methode, um eine zu warme Flasche abzukühlen: 50 Prozent Eiswürfel und 50 Prozent kaltes Wasser in einem Kübel mischen. Flasche reinstellen (zuerst verkehrt, damit sich auch der Wein im Flaschenhals kühlt). In drei bis vier ­Minuten ist der Wein gekühlt. Andere Methode, die etwas länger geht: Flasche nass machen und in den Tiefkühler. Das Wasser gefriert und kühlt den Wein. Doch aufgepasst: Im Gegensatz zum Wodka gefriert der Wein nach einer gewissen Zeit (bei etwa minus 5 bis 8 Grad), und die Flasche bricht auseinander.



Ideale Trinktemperaturen sind:

  • leichter Rotwein: 15 bis 16 Grad
  • schwerer Rotwein: 16 bis 18 Grad (oftmals ist Zimmertemperatur schon zu warm)
  • spritziger Weisswein: 8 bis 10 Grad
  • schwerer, barriquebetonter Weisswein: 10 bis 12 Grad
  • Rosé: 8 bis 11 Grad
  • einfacher Schaumwein: 6 bis 10 Grad
  • Top-Champagner: 8 bis 11 Grad
  • Süsswein: 6 bis 8 Grad


Bisher im «Hotelier» erschienen:
  • Dekantieren oder nicht? (Ausgabe 03, 2021)
  • Naturweine auf die Weinkarte? (04/05, 2021)
  • Was tun bei Korkgeschmack? (06, 2021)


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