Drei Diskussionen über Weinpreise aus diesem Frühsommer sind mir besonders im Gedächtnis geblieben. Sie können als anschauliches Lehrmaterial zum Thema Weinpreise dienen.
Diskussion eins: Ein namhafter Bündner Winzer äusserte beim Gespräch über manch ambitionierte Weinprojekte den Ausspruch «Die Geschichte darf nicht grösser als Wein sein». Gemeint war, dass immer mehr Winzer sich auf ihre Prestigeprojekte konzentrieren und nach hohen Bepunktungen jener auch ihre Einstiegsweine oftmals preislich anheben. Der Preisanstieg ist oft so stark, dass kein Gastronom oder keine Hotelière sie mehr offen ausschenken kann. Fehlende Sichtbarkeit in der Differenzierung der Weinmerkmale und in der Weinpreisgestaltung in der Gastronomie führen dann nicht selten zu sinkenden Absätzen in anderen Kanälen. Das führt nicht selten dazu, dass letztlich auch der stolz ins Feld geführte Top-Wein in den Kellern liegen bleibt. Erst recht, wenn dessen Differenzierungsmerkmale für die Konsumenten nicht ersichtlich oder nachvollziehbar sind und die Preis-Hausse somit – trotz hoher Bewertung und vielen Punkten – auf Unverständnis trifft.
Diskussion zwei: Auf einer spanischen Weinmesse mutmasste einer der spanischen Winzerlegenden, dass der Markt für extrem hochpreisige spanische Weine wohl langsam gesättigt sei. Als «Beweis» verwies er auf den Messekatalog, in dem so manches bordelaiser Grand Cru Classé weit unter einigen spanischen Weinen dotierte, die erst wenige Jahre auf dem Markt sind. Seine kommentierende Frage hierzu: «Wer soll das alles kaufen? Erst recht in diesem Marktumfeld.» Paradoxerweise nannten die meisten von mir befragten Erzeuger dieser hochpreisigen Weine eben diese Winzerlegende als Beispiel bzw. Rechtfertigung für die hohen Preise und grossen Mengen. Sie liessen jedoch völlig ausser Acht, dass die Weinlegende drei Jahrzehnte Vorsprung im Markt hat und daher stark vom «First Mover Bonus» profitiert.
Diskussion drei: Parallel dazu gab es wohl selten so desaströse Schlagzeilen zur «Bordeaux en Primeurs»-Kampagne als heuer. Ein internationales Fachmedium titelte gar von einer «Autopsie» anstelle einer Analyse. Weshalb? Weil die namhaften Châteaux zum einen zu lange auf Asien als Wachstumsmarkt setzten und ihre historischen Kunden vernachlässigten. Zum anderen, weil durch das ungewöhnliche Distributionsmodell «La Place» nur we-nige Châteaux wirklich wissen, wer ihre Weine trinkt. So können sie zu spät auf Markttrends reagieren. Mit der aktuellen Weinschwemme im Markt und einem nicht ganz so glanzvollen 2024er-Jahrgang kassierten sie ergo die Quittung mit einer der erfolglosesten «en Primeurs»-Kampagnen aller Zeiten.
Was lernen wir daraus? Es sind vier Dinge für Weinkarten-Schreibende und die Weinhändler:
– Kenne Deine Kunden.
– Überschätze nicht Dein Produkt.
– Sei vorsichtig bei starken, sprunghaften Preiserhöhungen.
– Denn auch bei hohen Punkten wird Wein vor allem dann bestellt und getrunken, wenn er Freude bereitet – dazu gehört ein fairer und moderater Preis.
Marc Almert
ist ASI Best Sommelier of the World 2019
und Geschäftsführer Baur au Lac Vins & Chef Sommelier Baur au Lac