Massgeschneidert individuell statt one-size-fits-all

Massgeschneidert individuell statt one-size-fits-all

Der erste «State of Food and Hospitality Report» bestätigt es: Das Erfolgsrezept der Hotellerie heisst Individualisierung. Das zeigt die gemeinsame Studie des Gottlieb-Duttweiler-Instituts und der Schweizer Hotelfachschule Luzern. ­Individualisierung ist dabei multidimensional zu verstehen: im Angebot für die Gäste, in den Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden und im Hotelbetrieb. 

One-size-fits-all. Das war die betriebliche Verlockung der Vergangenheit. Das Maximum an Effizienz sollte er­­reicht werden. Das Konzept, mit einem Produkt die Bedürfnisse aller Gäste, aller Kundinnen und Kunden abzudecken, ist gescheitert. Zumindest in der Hotellerie gibt es diese Illusion nicht mehr. In der Branche hat sich Individualität weitgehend durchgesetzt. Die Devise lautet seit längerem: Massgeschneidertes statt Mas­se. Dafür ist Kreativität gefragt, um den Wünschen der Gäste gerecht zu werden, denn beide ändern sich immer wieder – sowohl die Wünsche als auch die Gäste. 

Mit dieser Ausgangslage haben sich die Forscherinnen und Forscher des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI) und die Stu­dierenden sowie Alumni der Schweizer Hotelfachschule Luzern (SHL) ans Werk gemacht. Um sich aktiv in die Diskussion über die Zukunft der Hospitality-Branche einzubringen, wollten sie zuallererst eine gemeinsame Diskussionsgrundlage schaffen. Sie entschieden sich folglich, einen «State of Food and Hospitality Report» zu verfassen, der künftig jedes Jahr erscheinen soll. Darin sollen die neusten Entwicklungen in der Hospitality-Branche dargestellt und zur Diskussion gestellt werden. 

Konsumbedürfnisse, Human Capital und nachhaltige Betriebspraxis sind die Themenfelder, auf die sich die erste Ausgabe des «State of Food & Hospitality Report» fokussiert. Der Grund ist naheliegend: «In diesen Bereichen können besonders viele Ressourcen gespart oder besser eingesetzt werden.» Dabei will der Report – ausgehend vom Ist-Zustand – praxistaugliche Lösungsansätze skizzieren.


Die These
Seit dem Kick-off im Juni 2023 hat das SHL-GDI-Projektteam intensiv an der Studie gearbeitet. Massgeblich unterstützt wurde das Team von Josef Jans, Leitung Business Development & Innovation SHL, Christine Schäfer, Senior Researcher am GDI, und Peter Herzog, Head of Operations GDI.

Der Ausgangspunkt für das Projektteam und seine Studie war folgende These:
«Das Ressourcenproblem der Hospitality-Branche lässt sich mit Individualisierung lösen.»

Um die These zu überprüfen, befasste sich das Team eingehend mit der Fachliteratur, führte Umfragen durch und befragte Expertinnen und Experten in Einzelgesprächen – darunter Markus Conzelmann, General Manager, Radisson Blu Hotel Luzern; Cristian Marguth, Market Team Manager, Booking.com; Dr. Torsten Petersen, Chief Executive Officer, Perspective Food; Jochen Pinsker, Industry Advisor Foodservice Europe, Circana und Markus Segmüller, Inhaber, Carlton Zürich. 

In der Recherche und bei den Gesprächen konkretisierte sich für das Projektteam mehr und mehr die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinende Hypothese. «Zwar erfordert die Implementierung von individualisierten Dienstleistungen an­­fangs meist zusätzliche Ressourcen, doch langfristig könnte sie zu mehr Effizienz führen und Kosten sparen.» Seine Ergebnisse präsentiert der «State of Food and Hospitality Report» unter drei Haupt­aspekten: 

– Die Gäste von morgen – Bedürfnisse im Wandel
– Mitarbeitende im Fokus – Fachkräfte halten, Talente fördern
– Nachhaltige Praxis – Food Waste vermeiden, Umsätze steigern

Die Ausgangsthese wird durch den Report weitgehend bestätigt: «Das aktuelle Ressourcenproblem in der Hospitality-Branche lässt sich mit Individualisierung lösen – vermutlich nicht zu 100 Prozent, aber immerhin zu einem Teil. Dabei erfordert Individualisierung kein aufwändiges Customer-Relationship-Management-System, auch müssen nicht alle Gästewünsche stets erfüllt werden. Doch wenn sich Hospitality-Unternehmen in die Gäste hineinversetzen, empathisch mit ihren Mitarbeitenden kommunizieren und genau wissen, wo sie welche Ressourcen im Betrieb verschwenden, können sie leicht mass­geschneiderte Konzepte und Arbeitsmodelle entwickeln. Das führt zu steigenden Umsätzen, zufriedenen Mitarbeitenden und effektiv eingesetzten Ressourcen im Unternehmen.»


Massgeschneiderter Erfolg
Die Studien-Autorinnen und -Autoren sind sich bewusst, dass sich nicht alle Lösungsansätze 1:1 auf alle Betriebe anwenden lassen. Sie müssten in Bezug auf die eigene Klientel und den vorhandenen betrieblichen Umständen des Unternehmens angepasst werden. Dafür sei es notwendig, sich als Hotelière oder Hotelier mit «grundlegenden Fragen» auseinanderzusetzen, wie es im Report heisst. Dabei geht es um Be­­dürfnisse: Bedürfnisse der Gäste, der Mitarbeitenden und des Betriebs (Abläufe, Kosten). Es sei nicht erstaunlich, dass die Massnahmen zur Individualisierung an­­fänglich «mit Mehrkosten verbunden» sind. «Die Analyse des Betriebs und seiner Zielgruppen, die Einführung neuer tech­nischer Systeme, die Entwicklung neuer Angebote oder die Förderung und Bindung der Mitarbeitenden – das alles kostet Geld», stellt der Report nicht ganz über­raschend fest. Encouragierend folgt der Bericht allerdings: «Die Investitionen lohnen sich. Denn langfristig wird der Betrieb mit den Individualisierungsmassnahmen die Kosten senken, Ressourcen einsparen und den Umsatz steigern können.»

Das Fazit des ersten «State of Food and Hospitality Report» stellt kein (vollkommen) neues oder überraschendes Ergebnis dar. Aber es ist deshalb nicht weniger zu­­treffend und zukunftsweisend: «Um langfristig erfolgreich zu sein, benötigt ein Hospitality-Betrieb zufriedene Gäste, mo­­tivierte Mitarbeitende und eine ökologisch und finanziell nachhaltige Unternehmensstrategie.»

 

Viele Schlussfolgerungen, viele nützliche Tipps
Die «Konklusionen» bzw. die wichtigsten Erkenntnisse der Studie «State of Food and Hospitality Report» ­präsentieren wir hier 1:1.



Die Gäste von morgen – Bedürfnisse im Wandel
Individualisierung als neuer Standard: Gäste haben unterschiedliche Erwartungen, die weit verbreitete Standardisierung vernachlässigt indivi­duelle Bedürfnisse.

Erwartungshaltung und Zahlungsbereitschaft: Die Mehrheit der Gäste erwartet eine individuelle Betreuung und ist frustriert, wenn sie ausbleibt. Diese Gäste sind bereit, mehr für personalisierte Unterkünfte zu bezahlen.

Veränderte Bedürfnisse: Trends wie New Work, Digitalisierung, gesellschaft­licher Wandel und die Wirtschaftslage beeinflussen die Konsumbedürfnisse und erfordern eine flexible, kundenorientierte Herangehensweise.

Identifikation der Gästebedürfnisse: Ein gutes Verständnis für Gäste und ihre Wünsche ist entscheidend für eine erfolgreiche Individualisierung.

Integration von Technologie: Künstliche Intelligenz (KI) und smarte Datenanalyse ermöglichen eine effektive Individualisierung von Dienstleistungen sowie eine effizientere Nutzung von Ressourcen.

Fachkräfte halten, Talente fördern
Mehr als eine Ressource: Mitarbeitende sorgen wesentlich dafür, dass sich Gäste wohlfühlen und prägen das Image eines Hospitality-Betriebs. Die Mitarbeitenden sind entscheidend für eine flexible und individuelle Gästebetreuung.

Fachkräfte halten: Gute Mitarbeitende zu finden und zu halten, gehört zu den grössten Herausforderungen der Branche.

Kostenpunkt Fluktuation: Die hohe Fluktuation in der Branche verursacht er­­hebliche Kosten, vor allem bei der Personalsuche, in Auswahlprozessen und durch Effizienzverluste in Einarbeitungsphasen.

Hauptgründe für Wechsel der Mitarbeitenden: Mangelnde Work-Life-Balance, zu niedriges Gehalt, fehlende berufliche Entwicklung und mangelnde Anerkennung.

Ansätze zur Eindämmung der Fluktuation:
Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sicherstellen
– In individuelle Aus-, und Weiterbildungen von Mitarbeitenden investieren
– Offene Kommunikationskultur entwickeln
Abwechslungsreiche, sinnstiftende Aufgaben anbieten
– Transparente Organisationsstruktur etablieren
– Führungskräfte mit ausgeprägten Leadership-Kompetenzen fördern

Food Waste vermeiden, Umsätze steigern
Höhere Ausgaben: Ohne wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit wird ein Hospitality-Betrieb nicht erfolgreich sein. Food Waste, No-Shows und steigende Kosten für Lebensmittel, Energie und Personal stellen bedeutende Herausforderungen dar.

Less is more I: Ein spezifisches Konzept mit überschaubarer Menükarte verhindert Überproduktion und kann die Be­­dürfnisse einer eng definierten Zielgruppe passgenau erfüllen.

Less ist more II: Die Anpassung der Portionengrösse reduziert Tellerrückgänge, eine kluge Präsentation der Speisen kann einen positiven Einfluss auf das Sättigungsgefühl und die Zahlungsbereitschaft der Gäste haben.

Datenbasiert arbeiten: Technologische, KI-basierte Lösungen können helfen, Mitarbeitende und Waren bedarfsgerecht einzuplanen.

No-Shows vermeiden: Die negativen Effekte von No-Shows können durch offene Kommunikation, persönliche Bestätigungen, Erinnerungsnachrichten, flexible Buchungsbedingungen, Belohnungssysteme und intelligentes Buchungsmanagement reduziert werden.

Dynamisches Pricing: Preisanpassungen, bereits in der Hotellerie etabliert, können eine Lösung sein, um die Gäste an den steigenden Kosten zu beteiligen und die Auslastung zu optimieren.

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