Ob Weinkönigin oder Weinhoheit, es geht um Tradition und Innovation

Marc Almert: ASI Best Sommelier of the World 2019, ­Stellvertretender Geschäfts­führer Baur au Lac Vins, Chef Sommelier Baur au Lac


Tradition und Innovation – das war das Motto (heute würde man vermutlich «Claim» sagen) meines Aus­bildungs­hotels. Dies passt, denke ich, für viele Be­triebe der Hotelle­rie und Gastronomie, sind wir doch eine in Tradition geborene Branche, die man behutsam in die Zukunft führen muss.

Ähnlich erging es kürzlich auch der Pfälzer Weinwerbung in Deutschland. Die seit beinahe hundert Jahren jährlich stattfindende Wahl zur Weinkönigin sollte nach deren Wunsch umbenannt werden in «Weinbotschafter». Neu sollten auch Männer das Amt ausführen dürfen. Wer es nicht kennt: Die Weinmajestäten sind Botschafterinnen ihres Anbaugebiets bzw. Weinbaulandes, absolvieren zahlreiche repräsentative Termine und müssen profunde Weinkenntnisse vorweisen.

Die Reaktion? In der Branche überwog der Zuspruch, allen voran von der (jungen) Pfälzer Winzerschaft so­­wie der Sommel­lerie. Auch die Fachpresse war be­­geis­tert, z.  B. der Falstaff brachte ein flammendes ­Plädoyer, dass man Traditionen nicht nur aus Bequemlichkeit weiterleben sollte, sondern angesichts der Innovationskraft der Branche immer wieder neu denken müsse.

Doch vor allem in der Lokalpolitik regte sich Widerstand. Man befürchtete, mit einer Umbenennung und Veränderung ­dieser liebgewonnenen Tradition wichtige Sprachrohre für die Region zu verlieren. Der Disput lief so heiss, dass er es sogar in die Tagesschau und die Frankfurter Allgemeine Zeitung schaffte.

Das Resultat? Der Gegenwind blies zu stark. Man ruderte zurück. Als Kom­promiss steht das Amt neu nebst den Weinköniginnen (der Name bleibt) auch männlichen Bewerbern unter dem Titel «Weinhoheit» zur Verfügung. Allerdings wird er zukünftig nicht nur vom Weinbauverband vergeben, sondern von einer neu gegrün­deten Interessengemeinschaft «Pfälzer Weinhoheiten».

Welches Fazit gilt es zu ziehen? Auch die Hotellerie ist eine Branche, die mit Innovationen immer wieder Akzente gesetzt hat. Sollte man bei Widerspruch aus der Öffentlichkeit nachgeben? Nun ja, dann hätten wir wohl weder Revenue Management noch Double Seat­ings, noch On­­line-Vorstellungsgespräche, noch Check-in-Automaten, noch vegane Küche etc. Und all diese Dinge sind heute längst ­etabliert, auch wenn am Anfang oft starker Gegenwind blies.

Wir als Branche waren schon oft mutig. Den Drang zur Innovation sollten wir beibehalten – und auch unsere Zulieferer-branchen, in diesem Falle die Weingüter, darin bekräftigen, Traditionen behutsam in die Mo­­derne zu führen, und Mut zu zeigen. In den Worten von Henry Ford: «Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.»

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