Piquenique – geselliges Gesellschaftsprogramm damals und heute

Der deutsche Philosoph und evange­lische Theologe Friedrich Schleier­macher (1768–1834) wollte die Tischgesellschaft zum «Kunstwerk der Ge­selligkeit» entwickeln. Er plädierte für eine freie und «gesellige Gesellschaft». Und die hatte nur einen Zweck: «Der Zweck der freien Gesellschaft kann in nichts anderem als in ihr selbst be­­stehen».

Die Zeitschrift «Der Gesellige» (1748 erstmals er­­schienen) trug dieses Gesellschafts-Programm in die damalige Welt hinaus. «Wir wollen eine wahre Re­­publik in dem geselligen Leben errichten. Wir wollen, es soll keine andere Gesellschaft seyn, als zu welcher ein jeder in vollkommener Gleichheit das Eine bey­tragen kann.»

Die beinahe perfekte alimentäre Ausdrucksform ­dieser Gesinnung, dieses Programms war (und ist) das Picknick, folgt man Schleiermacher. «Ein jeder trägt das Seinige bey und die Verschiedenheit der ­Speisen, der freundschaftliche Tausch einer Schüssel gegen die andere, und das Unvermuthete macht die Mahlzeit noch schmackhafter. Freilich kommt es vor allem darauf an, dass ein Piquenique für den Geist ­aufgebracht würde. Wie angenehm und lebhaft würde nicht eine Gesellschaft seyn, in welche jedes Mitglied etwas brächte, dadurch das Vergnügen der Seele unterhalten würde.»

Was Mitte des 18. Jahrhunderts eine Idealform, ein Programm des Geselligen war, ist heute die Realität fast jeder WG-Party: Jeder bringt etwas mit, gekauft oder selbst gemacht: Sushi, Selleriesalat, Apfelwähe, Hörnlisalat, Humus, Rotwein, Rum etc. Eine Ent­deckungs- und Überraschungsreise – durch die Kul­turen der Kulinarik. Mit dem Unterschied, dass das Picknick damals eine Form der «Tischgesellschaft» der höheren, arrivierten Gesellschaft war. Während es heute wohl eher ein gesellschaftliches Meeting ­darstellt, das von Knappheit mitbestimmt ist.

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