Tofu statt Tafelspitz: Mit der erstmals durchgeführten vegetarisch-veganen Kochlehre wird Österreich zum weltweiten Pionier an den Pfannen der Zukunft. Wie fällt die Resonanz darauf bisher aus? Brodeln solche Bestrebungen auch in Schweizer Kochtöpfen?
Wenn der Duft von Linsenbraten durch die Lehrküchen weht, wenn Sellerie zum Steak wird und Kräuter statt Koteletts als Krönung gelten, dann werden neue «Seitan» aufgezogen: In Österreich hat sich etwas Grundlegendes verändert. Nicht am Schnitzel selbst, aber am Verständnis dessen, was gekocht und gelehrt wird. Nach jahrelangem Hickhack treten diesen Herbst erste Auszubildende die Lehre zur «Fachkraft für vegetarische Kulinarik» an. Die entsprechende Verordnung des Ministeriums ist seit dem 1. Juli 2025 in Kraft. Damit schwingt sich das Land der Mehlspeisen und Fleischhauereien zu einem weltweiten Pionier auf dem dampfenden Pfad des fleischlosen Genusses auf.
50 Bewerbungen auf eine Lehrstelle
Dieser Meilenstein folgt dem seit 15 Jahren anhaltenden Trend «weg vom Fleisch» im Alpenland; Österreich ist mit 5 Prozent vegan lebenden Menschen gar europäischer Spitzenreiter. «In den Mensen werden täglich teilweise schon 45 Prozent vegetarische Speisen bestellt – das sind die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger von morgen», beschreibt Felix Hnat. «Zudem herrscht ein Fachkräftemangel in der Gastronomie. Für ein Drittel der Jugendlichen fällt der Kochberuf weg, weil sie kein Fleisch verarbeiten wollen», führt der Geschäftsführer «Vegane Gesellschaft Österreich» weiter aus, welche die Umsetzung der Lehre vorangetrieben hat. «Eine vegetarisch-vegane Lehre löst beide Probleme auf einmal», ist er überzeugt. Die Nachfrage sei so gross gewesen, dass eine eigene Lehrstellenbörse eingerichtet wurde: Bei manchen Betrieben wie «Tian», «Jola» oder «Tisch» – allesamt in Wien ansässig – seien für eine Lehrstelle 40 bis 50 Bewerbungen eingegangen. «Wir rechnen damit, dass im ersten Jahr zwischen 20 und 30 Lernende mit der Ausbildung beginnen», schätzt Felix Hnat.
Und hierzulande?
Umfang und Dauer entsprechen jenen der üblichen Kochlehre, bloss steht im Fokus, was sonst eher Beilage war: Es gilt die gesamte kulinarische Bandbreite abzudecken, von deftig bis süss, von traditionell bis innovativ. In Österreich wird also der pflanzliche Paradigmenwechsel gerade professionell abgeschmeckt. Da lohnt sich ein Blick unter die «eigenen Deckel»: Wie steht es eigentlich in der Schweiz um die pflanzliche Berufsausbildung? Grundsätzlich begrüsse er Initiativen, die dem Wandel der Essgewohnheiten Rechnung tragen und beobachte mit Interesse, wie sich dieses Projekt in Österreich entwickle, so Thomas Nussbaumer, Präsident des Schweizer Kochverbands. Er sei überzeugt, dass die Grundausbildung für alle Köchinnen und Köche dieselbe bleiben sollte: «Eine solide kulinarische Basis ist essenziell, unabhängig von einer späteren Spezialisierung», begründet Thomas Nussbaumer. «Eine rein vegetarisch-vegane Ausbildung von Anfang an halte ich für zu einseitig – gerade in jungen Jahren, in denen die berufliche Orientierung oft noch offen ist.»
«Nachfrage nicht erkennbar»
Der Wandel hin zur pflanzlichen Ernährung steht hierzulande auf der Menükarte – und zum Teil auch bereits im Lehrbuch: Die im letzten Jahr revidierte Ausbildung berücksichtigt vegetarische und zunehmend auch vegane Zubereitungsarten bereits in Theorie und Praxis. Das zeige sich sowohl in den Bildungsplänen als auch im Berufsalltag: «Viele Betriebe erwarten von ihren Lernenden, dass sie pflanzenbasierte Gerichte eigenständig zubereiten und kreativ interpretieren können – sei es im À-la-carte-Bereich, in der Gemeinschaftsgastronomie oder in der gehobenen Küche», stellt Thomas Nussbaumer fest. Die Ausbildung entwickle sich also laufend weiter – und trage aktuellen gastronomischen Anforderungen und Trends bereits umfassend Rechnung.
Es gebe punktuelle Diskussionen darüber im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit, Food-Trends oder Betriebskonzepten, doch: «Eine breit abgestützte Nachfrage nach einem eigenständigen Bildungsgang für vegetarisch-vegane Köchinnen und Köche ist bislang nicht erkennbar», lautet das Resümee des Präsidenten des Schweizer Kochverbands.
Thema vom Tisch?
Der Schweizer Kochverband zeigt sich grundsätzlich offen gegenüber neuen Wegen, betont aber die Wichtigkeit einer einheitlichen, fundierten Grundausbildung.
«Eine Spezialisierung – etwa im Rahmen einer Berufsprüfung, Weiterbildung oder in der praktischen Berufslaufbahn – ist aus unserer Sicht der richtige Zeitpunkt und Weg, um sich auf vegetarisch-vegane Küche zu fokussieren», sagt Thomas Nussbaumer.
Zudem müsste geklärt werden, wie stark sich eine rein pflanzenbasierte Spezialisierung oder gar Grundausbildung mit den Anforderungen des Schweizer Arbeitsmarkts vereinbaren lässt.
Derweil haben in Österreich erste Betriebe die Genehmigung zur Ausbildung der «Fachkräfte für vegetarische und vegane Kulinarik» erhalten. So werden sich gemäss Zeitplan vom Burgenland über das Salzburgerland bis nach Vorarlberg im September die ersten Lernenden die Kochschürzen umbinden. Wo sie die Berufsschule besuchen, klärt sich voraussichtlich im Herbst. Allerdings haben bereits die allermeisten Lehrkräfte die Schulungen von «Vegucation» besucht, der von Felix Hnat initiierten Plattform. Was wünscht er den angehenden Vegi-Köchinnen und Köchen? «Ich wünsche mir, dass sie Spass an der Ausbildung haben. Berufschancen sind ihnen sicher, schliesslich ist die Lehre zeitgemäss – und ein Vorbild für ganz Europa.» Ein Blick über die Landesgrenzen (und die Tellerränder) bleibt also «brutzelnd», paniert mit Neugier.
Links: «Zeitgemäss und vorbildlich»: Felix Hnat, Geschäftsführer «Vegane Gesellschaft Österreich», Initiant «Vegucation». Rechts: «Derzeit kein Bedarf erkennbar»: Thomas Nussbaumer, Präsident des Schweizer Kochverbands.