Weintrends 2024

Wir leben in einer Zeit grosser Umbrüche, Unruhen und Krisen, aber auch bahnbrechender Innovationen, die neue Sphären eröffnen. Das hat auch Folgen für die Weinwelt, die sich so vielfältig wie noch nie zu präsentieren scheint.

«Anything goes – as long as it works» lautet die Devise, auch wenn das Jahr bis jetzt geprägt ist von Inflation, der durch den Ukraine-Konflikt verursachten Energiekrise und Störungen der globalen Lieferketten. Vor diesem Hintergrund kam es in vielen Märkten zu erheblichen Preissteigerungen bei Wein, die zu einem leichten Rückgang der weltweit konsumierten Mengen führten. Im kommenden Jahr wird die Weinwelt noch mehr auf den Klimawandel und neu auch auf den Generationswechsel reagieren. Obwohl die Babyboomer immer noch das obere Ende des Marktes dominieren, haben die aktuellen Mainstream- Weintrinker eine andere Sensibilität als ihre Eltern. Die anrückende Generation Z zeichnet sich jetzt schon als wahre Herausforderung aus, zumal sie voller Widersprüche steckt und unberechenbar wirkt, da sie einerseits Nachhaltigkeit und ethische Philosophie predigt, diese aber nicht zwingend selber lebt. Marken ist sie nur so lange treu, wie sie ihren Werten entsprechen oder sie etwas Besseres gefunden hat. Das ist aber erst der erste Teil der Situation, die künftige Weintrends beeinflussen wird, zumal die Pandemie dafür gesorgt hat, dass Veränderungen schneller und unvorhersehbarer sind und auch zufälliger sein können.

Glücklicherweise ist eine Ordnung in der Weinwelt unverändert geblieben, und zwar die, dass einmal im Jahr geerntet wird und dass je nach Weinregion oder Weinproduzent ein anderer Weintypus aus der Ernte vinifiziert wird. 2022 wurden weltweit 258 Millionen Hektoliter Wein produziert – 1 % weniger als im Jahr zuvor. Konsumiert wurden laut OIV (International Organisation of Vine and Wine) 232 Millionen Hektoliter – ebenfalls 1 % weniger als im Vorjahr, wobei wertmässig mit 38 Milliarden Euro (+ 9 %) ein Rekord aufgestellt wurde. Ein zentraler Auslöser dieses bemerkenswerten Wertzuwachses ist die starke Marktnachfrage nach Schaumweinen – ein absoluter Trend, insbesondere für die Champagne. Sie profitiert von der Post-Covid-Euphorie und der zunehmenden Durchdringung des riesigen US-Marktes und auch des japanischen Marktes – was dazu geführt hat, dass 2022 mehr verkauft als produziert wurde und die Preise auch bei schwach sinkender Nachfrage nach oben explodiert sind. Der Moment will gefeiert werden (es könnte ja bald der letzte sein), und dazu gehören Bollicine. Sie sind absolut begehrt. Sehr interessante Entwicklungen sind dabei auch in unseren Nachbarländern zu entdecken. Aus Italien zum Beispiel Prosecco, Franciacorta und Trento DOC – um nur einige zu nennen. Oder dann bei den deutschsprachigen Nachbarn die jungen Gütesiegel Sekt Austria und Sekt Deutschland.

Aus Deutschland kommt ein weiterer Trend: Riesling. Da für junge Weingeniesser expressive Aromatik und auch Süsse nicht zu knapp sein kann, ist der Riesling mit seiner bunt-parfümierten Aromatik sozusagen der prädestinierte Weisswein. Das Entziffern der Angaben auf den Etiketten ist nicht immer ganz einfach – aber dank dem Smartphone auch keine Hexerei.

Ein weiterer grosse Trend ist die Nachhaltigkeit und alles, was biologisch oder zumindest im Sinne der Natur vinifiziert wird. Und zwar auch bei den grössten Detailhändlern. Coop feiert dieses Jahr das 30-Jahr- Jubiläum der Einführung des Naturaplan-Gütesiegels (das auch auf immer mehr Weinen zu sehen ist) und bei Denner nimmt der Anteil der nachhaltig produzierten Weine mit dem Label IP-Suisse (Marienkäfer) mit jedem Jahrgang zu. Nicht mehr wegzudenken ist auch die Welt der Naturweine, deren Name zwar eher Indie- oder Chaosweine lauten sollte, aber allein mit ihren ständig wechselnden und auffallend kreativen Etiketten und dem höchst widersprüchlichen Aromaprofil passen sie ins Bild der Zeit. In dieses Kategorie gehen auch die autochthonen Rebsorten und neuen Hybride (PiWi), zumal sie mit den neuen, durch die globale Erwärmung bedingten extremen Wachstumsbedingungen besser zurechtkommen werden, wie übrigens auch sehr alte Rebstöcke, die man überall auf der Welt findet. Keine geringere als Jancis Robinson, die Grande Dame du Vin, hat erst vor Kurzem die «Old Vine Registry» (www.oldvineregistry.org) gegründet und meint: «In erster Linie ist die Rettung alter Reben kein romantisches Unterfangen, sondern die Lösung einer weltweiten Krise. Alte Reben tragen die Geheimnisse des Überlebens in sich und haben sich über Jahrzehnte und sogar Jahrhunderte an Stress angepasst. Sie sind oft widerstandsfähiger in Zeiten von Dürre und Hitzewellen, sie haben gelernt, mit Schädlingen und Krankheiten zu leben oder eine Immunität gegen sie zu entwickeln, sie haben extreme Wetterereignisse überlebt.»

Weitere gesellschaftliche Themen sind die boomenden Roséweine, die sich besonders auf Instagram-Bildern gut machen, sowie die NOLO-Weine (No and low-alcohol), also Weine mit keinem oder tiefem Alkoholgehalt und die massive Lust am Reisen. Allen Umweltdiskussionen zum Trotz, wird im Moment fast schon übertrieben gereist – auch in Weingebiete. Ganz nach dem Motto «Urlaub im Glas» boomen Inselregionen wie Sardinien, die Kanarischen Inseln oder Mallorca, ganz zu schweigen von Griechenland mit seiner vielfältigen Weinkultur. Oder östlichere Regionen wie Ungarn, Armenien, Slowenien und Georgien sowie auch Südengland mit seiner noch jungen Schaumweinkultur.

Auch in der Schweiz nehmen die Besuche bei den Winzern und in Weinbaugebieten zu. Weinkeller und Weinregionen organisieren vermehrt spezielle Events, um die önologischen Köstlichkeiten lokal zu entdecken. Eine Weisheit im Wein besagt, dass er meist am Ort seiner Herkunft besonders gut schmeckt. Auch wenn unser Weinland klein ist, so ist die Vielfalt an Trauben, Weintypen und Landschaftsbildern, die manchmal von Seen, manchmal vom Gebirge und andere Male von Tälern geprägt sind, doch einmalig. Und eine solche Vielfalt, in der Nachhaltigkeit erst noch gross geschrieben wird, entspricht im Grund ganz dem Zeitgeist.

Statistik Weinwelt

Die weltweite Rebfläche wird im Jahr 2022 erneut auf 7,3 Mio. ha geschätzt. Seit 2017 scheint sie sich stabilisiert zu haben. Hinter der aktuellen Stabilisierung verbergen sich jedoch heterogene Entwicklungen in den wichtigsten Weinanbauländern. Italien (50,2 Mio. hl), Frankreich (37,6 Mio. hl) und Spanien (35,3 Mio. hl) machten im Jahr 2021 zusammen 47 % der weltweiten Weinproduktion aus. Es sind auch diese drei Länder, die zusammen 59,9 Millionen Hektoliter Wein exportierten, was 54 % der weltweiten Weinexporte ausmacht.

Die Weinexporte wurden jedoch durch die hohe Inflation und die Störungen der globalen Lieferkette, die zu einer deutlichen Verlangsamung der Seefracht führten, stark beeinträchtigt. Diese Kombination von Ereignissen führte zu einem insgesamt geringeren Weinexportvolumen zu einem viel höheren Durchschnittspreis (+15 % im Vergleich zu 2021), wobei der weltweite Weinexportwert auf 37,6 Mrd. Euro geschätzt wurde, den höchsten jemals verzeichneten Wert.

Zur Schweiz: Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz 99 Millionen Liter Wein produziert, was gegenüber dem Vorjahr einer Zunahme um 63 Prozent entspricht. Zur Erinnerung: Die Weinernte 2021 war historisch gesehen die niedrigste seit 1957 – dies aufgrund der schwierigen Witterungsbedingungen, die je nach Region unterschiedlich ausgeprägte Auswirkungen hatten. Die Zunahme im Vergleich zum Vorjahr variierte demnach je nach Region stark. In der Deutschschweiz wurden insgesamt 16 Millionen Liter Wein produziert, was einem Anstieg um 94 Prozent entspricht. In der Westschweiz waren es mit einem Erntevolumen von 78 Millionen Litern 63 Prozent mehr als noch 2021. In der italienischen Schweiz (Tessin und Mesolcina) war der Anstieg weniger ausgeprägt. Dort fiel die Ernte mit insgesamt 5 Millionen Litern um 8 Prozent höher aus als im Jahr 2021.

Die Wärme und die Trockenheit des Jahres 2022 waren für die Reben günstig, sowohl für die Reifung der Trauben als auch für die Bekämpfung von Krankheiten. Das Jahr war auch durch das fast vollständige Ausbleiben von Frühjahrsfrost und Hagel gekennzeichnet. Dies begünstigte eine gute Blüte und eine optimale Entwicklung der Trauben. Die Niederschläge Ende August trugen dazu bei, dass die Trauben an Volumen zulegen konnten, was nicht nur in Bezug auf die Qualität, sondern auch hinsichtlich der Menge eine hervorragende Ernte ergab.

Die gesamtschweizerische Rebfläche betrug im Jahr 2022 insgesamt 14 609 Hektaren; das sind 20 Hektaren weniger als im Vorjahr (–0,1 %). (Quelle: Organisation of Vine and Wine (OIV), Bundesamt für Statistik)

Top-10-Länder (Rebfläche)

Spanien 955 000 ha
Frankreich 812 000 ha
China 785 000 ha
Italien 718 000 ha
Türkei 410 000 ha
USA 390 000 ha
Argentinien 207 000 ha
Chile 196 000 ha
Portugal 193 000 ha
Rumänien 188 000 ha

Top-10-Länder (Weinproduktion)

Italien 49,8 mhl
Frankreich 45,6 mhl
Spanien 35,7 mhl
USA 22,4 mhl
Australien 12,7 mhl
Chile 12,4 mhl
Argentinien 11,5 mhl
Südafrika 10,2 mhl
Deutschland 8,9 mhl
Portugal 6,8 mhl

Top-10-Länder (Weinkonsum)

USA 34 mhl
Frankreich 25,3 mhl
Italien 23 mhl
Deutschland 19,4 mhl
UK 12,8 mhl
Russland 10,8 mhl
Spanien 10,3 mhl
China 8,8 mhl
Argentinien 8,3 mhl
Portugal 6 mhl

 

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