4-Tage-Woche wird erwartet

4-Tage-Woche wird erwartet

Stress, Überstunden und niedrige Löhne sind die wichtigsten negativen Elemente in der Hotellerie und im Gastgewerbe. Als wirksame Korrekturmassnahme wird die 4-Tage-Woche vorgeschlagen. Damit könne die Work-Life-Balance ­verbessert werden, hält eine neue Studie der Fachhochschule Wallis fest.


Das Hotel- und Gastgewerbe befindet sich im Wandel, und diese Tendenz wurde durch die Coronakrise noch verstärkt. Die Arbeitnehmenden, insbesondere jene der Gene­rationen Y (Jahrgänge 1980 bis 2000) und Z (nach 2000), messen den Arbeitsbedingungen ebenso viel oder sogar mehr Bedeutung bei als dem Gehalt. Sie streben ein Gleichgewicht zwischen Privat- und Berufsleben an.

In Zusammenarbeit mit GastroValais ha­­ben die Absolvierenden des Studiengangs Tourismus der Hochschule für Wirtschaft (HES-SO Valais-Wallis) – unter Leitung von Professor Roland Schegg – eine wissen­schaftliche Umfrage zur Wahrnehmung der Berufe im Sektor durchgeführt. Ein zentrales Motiv zur Durchführung der Untersuchung war der Fachkräftemangel im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die ­forschungsleitende Frage lautete: «Was kann im Hotel- und Gastgewerbe getan werden, um dem von den jungen Erwachsenen geäusserten Wunsch nach Sinn und Wohlbefinden am Arbeitsplatz gerecht zu werden?» An der Online-Umfrage im Mai 2022 haben sich 326 Studierende der HES-SO Valais-Wallis beteiligt.

Stress, Lohn, Überstunden

Die Umfrage zeigt, dass Stress bei der Arbeit, zahlreiche Überstunden und niedrige Löhne als die grössten Nachteile der Berufe im Hotel- und Gastgewerbe ange­sehen werden. Weiter wurde die mangelnde Wertschätzung dieser Berufe durch die Ge­­­sellschaft genannt. Die unregelmässigen Arbeitszeiten tauchen ebenfalls in der Spitzengruppe der Nachteile auf. So ist es nachvollziehbar, wenn sich die angehenden Berufsleute eine bessere Work-Life-Balance wünschen.


Erwartungen an die Unternehmen

Auf der Basis der Umfrageergebnisse sowie der entsprechenden Fachliteratur wur­­den verschiedene Ansätze vorgeschlagen, um die Attraktivität der Tourismusberufe zu steigern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Studierenden er­­warten von ihren zukünftigen Arbeitgebenden höhere Löhne, weniger Überstunden sowie die Einführung einer 4-Tage-Woche.

Die Ergebnisse der Umfrage bestätigen, was in den verschiedenen Branchen des Tourismus bekannt ist und seit längerem diskutiert wird. Die Studienautoren meinen deshalb, es sei an der Zeit, die allgemeinen Arbeitsbedingungen in der Branche zu überdenken. So könne ein wesent­licher Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Branchen geleistet werden.


Konkrete Denkanstösse

Die Studie formuliert auch konkrete Denkanstösse, um die Arbeitssituation für junge Berufsleute attraktiver zu machen. Dabei stehen nicht finanzielle Aspekte im Vordergrund, die sich ein Unternehmen unter Um­­ständen nicht leisten kann. So wird ­beispielsweise gewünscht, mehr «ge­­plan­te Wochenende» oder eine bessere Kontrolle über die Überstunden zu haben. Zudem solle die Vier-Tage-Arbeitswoche eingeführt werden. Weiter hält die Studie fest, dass «Unternehmen die Art und Weise, wie sie die Arbeit organisieren, überdenken» müssten. Man geht davon aus, dass all die vorgeschlagenen Massnahmen zu einer besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben führen, wie der «Hauptwunsch der Genera­tionen Y und Z» laute. Die Vorschläge seien als «kleiner Katalog zu sehen, aus dem jedes Unternehmen nach seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten schöpfen kann.»


Vorstellungen der Studierenden von Jobs im -Gastgewerbe

Das Gastgewerbe wird von einer grossen Mehrheit (75 %) der Befragten als schwierige Branche mit belastenden Arbeitsbedingungen wahrgenommen. Es gibt keine grossen Unterschiede in den Antworten zwischen den Studiengängen, jedoch einen Unterschied in der Wahrnehmung -zwischen den Geschlechtern. Mehr Studentinnen (64 %) als Studenten (44 %) sind der Ansicht, dass der Beruf gleich viele -Nachteile wie -Vorteile hat, was möglicherweise damit zusammenhängt, dass Studentinnen im Vergleich zu Studenten mehr praktische Erfahrung in dem Sektor haben.


Von Studierenden wahrgenommene Vorteile von Jobs im Gastgewerbe



Der internationale Aspekt des Sektors ist eindeutig der am häufigsten genannte Vorteil, gefolgt von der familiären Dimension. Interessanterweise betrachten Männer die Arbeitsplätze in diesem Sektor grösstenteils (54 %) als «Berufe mit Leidenschaft», während dies bei Frauen weniger der Fall ist (37 %). Die Reisemöglichkeiten sprechen vor allem Studierende des Gesundheits-wesens an (54 %); Tourismusstudierende schätzen die Kundenzufriedenheit (45 %); Wirtschaftsstudierende erkennen das grosse Potenzial der Geschäftsmodelle in diesem Sektor (30 %).


Wie kann das Hotel- und Gaststättengewerbe für Studierende attraktiv gemacht werden?


Wenig überraschend ist die Erhöhung der Löhne mit 65 % der Antworten die wichtigste Massnahme für die Studierenden. Bei den Tourismusstudierenden steigt dieser Anteil auf 81 %. Mehr Kontrolle über Überstunden zu haben, ist eine Massnahme, die im Vergleich zur Gesamtstichprobe (50 %) vor allem von Studierenden der Fachrichtungen Gesundheit (69 %) und Soziale Arbeit (59 %) befürwortet wird. Die Einführung einer 4-Tage-Arbeitswoche wäre nach Ansicht der Studierenden in Bildender Kunst (67 %), Informatik (50 %) und Sozialer Arbeit (43 %) ein Vorteil.


Von Studierenden wahrgenommene Nachteile von Jobs im Gastgewerbe (I)

Es lässt sich schnell feststellen, dass die Antworten aus dem Fragebogen mit den in der Literatur gefundenen Informationen übereinstimmen. Die Studierenden sehen die Hauptnachteile des Sektors in der stressigen Arbeitsumgebung, den vielen Überstunden und den niedrigen Löhnen. Weitere wichtige Aspekte sind, dass über 50 % der Befragten finden, dass diese Art von Arbeit in unserer Gesellschaft nicht wertgeschätzt wird, dass die Arbeitszeiten unregelmässig und manchmal belastend sind und dass die Verein-barkeit von Berufs- und Privatleben schwierig ist.


Von Studierenden wahrgenommene Nachteile von Jobs im Gastgewerbe (II)

Sexismus und Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen sind für 37 % der Studentinnen ein Problem, verglichen mit 19 % der Studenten. Die folgenden Punkte werden von Frauen ebenfalls deutlich problematischer gesehen als von Männern und spiegeln wahrscheinlich die Sorge der Studentinnen wider, ihr Privatleben (Familienleben) mit den Einschränkungen einer Arbeit in -diesem Sektor in Einklang bringen zu können: Versetzte, flexible und nicht aufeinander folgende freie Tage. Mangelndes Gleichgewicht zwischen Berufs- und Privatleben. Vielfältige, flexible, versetzte und belastende Arbeitszeiten. Mangelnde Anerkennung der Arbeit / des Aufwands. Es gibt keine grossen Unterschiede in der Wahrnehmung von Nachteilen auf der Ebene der Studiengänge: Studierende der Tourismusbranche betonen im Vergleich zu Studierenden anderer Fachrichtungen stärker (32 %), dass es in diesem Sektor Missmanagement gibt. Studierende der Sozialen Arbeit sehen fehlende Absatzmöglichkeiten nicht als Problem an (nur 6 % im Vergleich zu 16 % in der Gesamtstichprobe).


Gründe, warum Studierende nicht im Gastgewerbe arbeiten wollen

81 % der Studierenden im Studiengang Tourismus wollen nicht in diesem Sektor arbeiten, weil sie die Arbeitsbedingungen als schlecht empfinden. Dieser Wert ist signifikant höher als in allen anderen Studiengängen (der Mittelwert dieser Antwort für die Gesamtstichprobe liegt bei 52 %).




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