«Es war Wow»

«Es war Wow»

Am Anfang dieser Geschichte steht eine Mail: «Grüezi Herr Gernet, mit grossem Interesse verfolge ich regelmässig Ihr Magazin Hotelière und schätze die fundierten Einblicke in die Welt der Hotellerie. Dabei ist mir aufgefallen, dass auf Ihren Covern meist Männer im Fokus stehen. Ich möchte Ihnen daher einen spannenden Vorschlag unterbreiten: Mit der Cachet Hotel Collection führen wir – vier Frauen – insgesamt fünf Boutique-Design-Hotels in der Schweiz und in Kroatien. Unsere Geschichte steht für gelebte Frauenpower, unternehmerischen Mut und eine klare Vision für moderne, individuelle Hotellerie. (…) Gerne geben wir Ihnen weiterführende Einblicke in unsere Philosophie, unsere Hotels und die Menschen dahinter. Lassen Sie uns wissen, ob Sie Interesse an einer Zusammenarbeit haben. – Jessica Schmiederer, Gastgeberin & Resident Manager, Limmathof Baden»

Hilmar Gernet

Vor zweieinhalb Wochen trank ich mit Jessica Schmiederer, Geschäftsführerin und Gastgeberin des Limmathofs in Baden, einen Kaffee. Den Mantel ausgezogen, hingesetzt und bereits waren wir mitten im Gespräch. Kein Small Talk zum Anwärmen. Passt. 

Dass die fünf Häuser der Cachet Hotel Collection – drei in Baden: Limmathof, City Hotel, Trafo Hotel, das Hotel Kettenbrücke in Aarau und das «Blue Mare» in Kroatien – derzeit alle von Frauen geführt würden, sei keine bewusste strategische Entscheidung des Eigentümers Werner Eglin gewesen. «Es hat sich er­­geben. Es hat nichts mit einer Gender-Ideologie zu tun», erläutert Jessica Schmiederer gleich zu Beginn des Gesprächs freimütig. (Warum ihr dieser Akzent wichtig ist, weiss ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.) Selbstverständlich spreche man sich unter den Di­­rektorinnen alle drei Monate in einem Meeting unter den Häusern im Aargau ab. Man nutze gemeinsame Möglichkeiten beim Einkauf, der Wäscherei oder generell bei Massnahmen zur Nachhaltigkeit. 

Besondere Bewerbung
Jessica Schmiederer arbeitet seit zwölf Jahren – erst als Rezeptionistin, dann als Empfangsleiterin – im Hotel Limmathof. Seit 2021 ist sie Gastgeberin und Limmathof-Direktorin. Zu ihrem Job ist sie mit einer besonderen Bewerbungsmethode gekommen. «Ich ging als Gast in den historischen Teil des Hotels ­Limmathof, um zu sehen, wie mein persönliches Empfinden ist. Das musste stimmen.» Das Ergebnis kennen wir. Statt differenzierter Ausführungen zum Ergebnis des Inkognito-Besuchs und ihrer direkten Frage, ob eine Stelle frei sei, sagt Jessica Schmiederer nur einen Satz: «Es war Wow». Heute ist ihre Grund­haltung dieselbe und sie fügt bei: «Es ist ein Privileg und eine Freude, hier arbeiten zu dürfen – nicht zu müssen.» Im Limmathof Baden haben sich zwei gefunden. 

Weg zum eigenen Traum
Die Gedanken wirbeln weiter. Es sei ihre Verant­wortung, den Mitarbeitenden – 26 Frauen und vier Männer – «Perspektiven im Wohlfühlen zu geben». Zwar im gegebenen Rahmen, aber mit dem Anspruch, dass sich alle individuell entfalten können. «Das ist meine simple Überzeugung.» Besonders wichtig ist Jessica Schmiederer, jedes Bewerbungsgespräch selbst zu führen. Gute Chancen, so sagt sie, haben bei ihr «Persönlichkeiten mit Herz. Die Hotellerie ist eine emotionale Geschichte». Gerne gibt sie auch jenen eine Chance, «die auf den Papieren nicht ganz so top waren». «Ich will Leuten eine Chance geben, die Be­­geisterung mitbringen, alles andere kann man lernen.»

Diese Haltung habe sie schon in der DDR gelernt, als Kind einer alleinerziehenden Mutter. In Berlin fiel die Mauer, da war Jessica Schmiederer neunjährig. «Wir mussten schauen, dass es reicht. Mama musste immer die Ausgaben im Blick haben. Ich musste viel mehr lernen als andere, wurde gemobbt und musste kämpfen. Aber von meiner Mutter habe ich das Ur­­vertrauen mitbekommen, den Weg zum eigenen Traum zu gehen.» Sie lernte von ihr, Situationen und Perspektiven analytisch zu beurteilen. «Was ist das Schlechteste, das dir passieren könnte? Wenn du da­mit leben kannst, musst du es tun.» Mit dieser Methode von Mama ging sie bisher gut und erfolgreich durchs Leben. 



Gedankenschwenk
Ein Mobbing-Opfer wollte Jessica Schmiederer nie sein. Im Gegenteil. Sie habe aus dieser Erfahrung in der Schule gelernt, andere Menschen nicht zu ver­ur­teilen oder zu bewerten oder gar zu dominieren. «Ich weiss, wie es sich anfühlt, runtergemacht zu werden.» Es geht ihr deshalb immer darum, den Menschen zu sehen. Dann macht Jessica Schmiederer einen über­­raschenden Gedankenschwenk: «Frauenförderung, Frauenquoten, darin steckt schon das Problem». Daraus folgernd meint sie, Bewerbungen sollten immer ohne Foto und nur mit Nachnamen eingereicht ­werden. «Was zählt, sind die Erfahrungen, die Werte und das Warum man einen Job will.» Es gehe um die Antwort auf die Frage, wer bist du. «Allerdings», wirft Jessica Schmiederer ein, «wissen viele heute nicht mehr, wer sie sind. Sie sind mit einer Antwort überfordert.»

Machtinstrument Sprache
Und es taucht im Gespräch ein zweites, ebenfalls grosses Thema auf – die Sprache im Umgang mit ­Mitarbeitenden. «Worte sind mir sehr wichtig. Worte sind ein Machtinstrument. Ich möchte täglich dran arbeiten.» An sich selbst stellt sie den Anspruch, «nicht aus dem Bauch» heraus ein Feedback zu geben. Es müsse konstruktiv sein, unabhängig davon, ob sie selbst einen guten oder schlechten Tag habe. «Der Ton darf nie verletzend sein. Wichtig aber ist die direkte, persönliche Ansprache – alles andere ist Ge­döns.» So entstehe Vertrauen – «eine sensible Geschichte» – und gegenseitiger Respekt.

Tatsächlich «gelebte Frauenpower», wie Jessica Schmiederer versprochen hatte und «ohne Gedöns». Dann führt mich Jessica Schmiederer auf einen kurzen Rundgang durch die drei Häuser des historischen und des jüngeren Limmathofs direkt am Fluss.

 

Vom blauen Teppich, Hochzeitsanträgen und einem Salzschleck

Muriel Suter und Jessica Schmiederer 

Der heutige Limmathof Baden steht in einer jahrhundertealten Tradition der Wellness, des Wohlfühlens, des Badens. Gastgeberin und Resident Manager Jessica Schmiederer und Muriel Suter, die Verantwortliche für Kommuni­kation und Marketing des Hauses, zeigen uns mit ihren Bildern interessante Ecken und erzählen kleine Ge­­schichten.


Blue Carpet: 
Der Limmathof in Baden empfängt seine Gäste im histo­rischen Gebäude mit einem eindrucksvollen Entrée, aber nicht mit einem klassischen roten Teppich. Hier erstrahlt der Teppich für die Gäste in majestätischem Blau und ­verweist so auf das geschichtsträchtige Erbe der Region. Diese besondere Farbwahl symbolisiert den Bezug zur ­Limmat, die das Bäderquartier durchzieht und beide sind für die Region von grosser Bedeutung. Blau erinnert an die Thermalwasserquelle (47 Grad), die sich unmittelbar vor den Mauern des Limmathofs befindet und die seit Jahr­hunderten für Erholung und Wohlbefinden der Gäste sorgt. 



Achtsamkeitskarten: Eine besondere Überraschung erwartet die Gäste in ihren Hotelzimmern: sieben ­farbige Postkarten, jede mit einem achtsamen Spruch versehen. Diese liebevoll gestalteten Karten laden dazu ein, innezuhalten und sich bewusst Zeit für sich selbst zu nehmen. In der Hektik des Alltags erinnern sie daran, den Moment zu geniessen und auf das eigene Wohlbefinden zu achten. Ob bei einem entspannten Spaziergang entlang der Limmat, einer wohltuenden Massage im Spa oder beim stillen Beobachten des sanften Flusses – die ­Botschaften auf den Postkarten sind eine Einladung, sich selbst etwas Gutes zu tun. Jede Karte vermittelt eine kleine In­­spiration, die die Gäste während ihres Aufenthalts begleitet und vielleicht sogar darüber hinaus in Erinnerung bleibt. So wird aus einer einfachen Geste ein wertvoller Impuls für mehr Achtsamkeit, Ruhe und Selbstfürsorge – eine Überraschung, die über den Aufenthalt im Limmathof hinaus nach­wirken kann.



Salzoase im Thermalbad: Die Salzoase im Thermalbad des Limmathofs lädt zum Durchatmen und Entspannen ein. Bei ihrem Einbau vor drei Jahren wollte sich Direktorin ­Jessica Schmieder persönlich vergewissern, dass die beeindruckenden rosa­farbenen Blöcke tatsächlich aus echtem Salz bestehen. Ein, zwei Schlecks haben sie von der Echtheit dieses Naturmaterials überzeugt. Die Salzoase bietet den Gästen eine wohltuende Um­­gebung, die speziell für freie Atemwege förderlich ist. Alle 15 Minuten wird feiner Salznebel im Raum verteilt, der diese Wirkung intensiviert und für ein erholsames Erlebnis sorgt.



Bäderquartier einst und jetzt: Vor einigen Jahren startete der Limmathof Baden eine besondere Social-Media-Kampagne, die seine Gäste auf eine Zeitreise mitnahm. Ziel war es, die reiche Geschichte des Traditionshauses auf moderne Weise erlebbar zu machen. Diese historische Reise zeigt, wie sich das Hotel über die Jahrzehnte ­verändert hat – von einfachen Zimmern für knapp vier Franken hin zum heutigen, ex­­klusiven Wellnesshotel. Muriel Suter, Marketingleiterin des Limmathofs, ging für die Kampagne ins Stadtarchiv von Baden, wo sie faszinierende Fotos und Do­­kumente zur Entwicklung des Limmathofs fand. Diese Schätze wurden auf Social Media geteilt, um die bewegte Geschichte des Hauses zwischen Tradition und Moderne sichtbar zu machen.




Private-Spa-Suiten: In den Private-Spa-Suiten des Limmathof Baden lässt sich das Thermalwasser in exklusiver Atmosphäre geniessen. Das mineralreiche Wasser entspringt mit einer Temperatur von 47 Grad aus der Quelle und wird mit Frischwasser auf angenehme 37 Grad abgekühlt. Ab­­geschirmt vom ­Trubel bietet sich hier die Gelegenheit, die Wärme des Wassers auf sich wirken zu lassen und die Ruhe zu geniessen. Schon viele Heiratsanträge, Hochzeitstage und andere besondere Mo­mente der Zwei­samkeit verbracht. Es gibt Gäste, für die ist der Besuch in einer Private-Spa-Suite zu einem jährlichen Ritual geworden.



Büchertauschbörse in der Wellnessoase: In der Wellnessoase des Limmathof Baden lädt eine be­­sondere Büchertauschbörse zum Schmökern ein. Die Gäste haben hier die Möglichkeit, nicht nur die üblichen Zeitschriften aus dem Ruheraum zu lesen, ­sondern auch neue literarische Werke zu ent­decken. Das Bücherregal ist immer wieder mit neuen Ge­­schichten bestückt. Gleichzeitig können Besucher ihre ausgelesenen Bücher mitbringen und ­anderen eine Freude machen. Viele Teammitglieder haben ihren Bücherschrank neu sortiert und hier für viele Bücher eine neue Leserschaft gefunden. 


Heisse Brunnen: Im Bäderquartier von Ba­­den gibt es eine besondere Möglichkeit, das Thermalwasser auf ursprüngliche Weise zu erleben: die heissen Brunnen. Unter freiem Himmel kann man hier in das mineralreiche Wasser ein­tauchen, so ist es hier seit Jahrhunderten ­Tradition. Diese historische Badekultur erfreut sich in der Stadt noch heute grösster Beliebtheit und schafft ein authen­tisches, naturnahes Erlebnis. Als Gast schlendert man entspannt im Bademantel zum heissen Brunnen und geniesst …



Fokus Nachhaltigkeit: Nachhaltigkeit ist im Limmathof Baden kein neuer Trend, sondern seit Jahren ein wich­tiger Bestandteil des Betriebs. Mit der Teilnahme am Swisstainable-Programm bekennt sich das Hotel zu einem verantwortungs­vollen Umgang mit Ressourcen und strebt in diesem Herbst die Zertifizierung auf Stufe II an. Ein konkretes Beispiel für die laufenden Massnahmen ist der Verzicht auf Einweg-Badeschlappen, von denen allein im Jahr 2023 rund 14 000 Stück verbraucht wurden. Stattdessen werden nach­­haltige Alternativen gefördert. 



Aussicht auf das Fortyseven: Die stilvoll eingerichteten Superior-Zimmer im Hotel­gebäude auf der Ennetbadener Seite bieten einen eindrucksvollen Ausblick: Direkt vor dem Fenster schlängelt sich die Limmat durchs Tal, während sich auf der gegenüberliegenden Seite die steilen Rebberge von Ennetbaden erstrecken. Besonders ins Auge fällt die markante Architektur der ­Wellnesstherme Fortyseven, entworfen von Star-Architekt Mario Botta. 



Foxtrail Baden: Der Foxtrail durch Baden führt quer durch die Stadt – und macht auch im Limmathof Halt. Eine der Stationen des Rätseltrails befindet sich direkt beim Hotelempfang. Um den nächsten Hinweis zu er­­halten, müssen die Teilnehmenden dort ein bestimmtes Codewort nennen. Erst dann geht es weiter. So ist der Limmathof im Foxtrail ein verbindendes Element zwischen historischem Gebäude und spie­lerischem Stadterlebnis.



Limmatsaal: Der Film «Justiz» von Ma­­ximilian Schell, basierend auf Friedrich Dürrenmatts gleichnamigem Roman, ­wur­­de 1993 im historischen, barock aus­­­gestatteten ­Speisesaal des Limmathof Baden ge­­dreht. Die eindrucksvolle Kulisse diente als Schauplatz für zentrale Szenen und verlieh der filmischen Inszenierung eine be­­sondere Atmosphäre.

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