Hotel der Zukunft – Zentrum für Dienstleistungen im Dorf

Was, wenn ein Hotel nicht nur für touristische Gäste da ist, sondern ein Dienstleistungszentrum für ein ganzes Dorf bildet? Damit Hotelbetriebe krisenresistenter werden, braucht es neue Ansätze. Dazu müssen wir uns zuerst Fragen stellen, die richtigen und auch die unangenehmen.


Wie genau sieht das Hotel der Zukunft aus? Gefragt sind je länger je mehr krisensichere Ideen – doch viele Hotelièren und Gastronomen geben sich dabei mit wenig zufrieden. Ein Bett für die Nacht, dazu Frühstück oder Halbpension, und fertig ist das Angebot. «Das war schon immer so», sagen die Alteingesessenen gerne. Mit dieser Haltung gibts heute nichts mehr zu gewinnen.

Hub bringt mehr Stabilität

Die Hotellerie wird von einer Serie von ­Krisen erschüttert: Covid, Krieg in Eu­­ropa, Energieknappheit, teurer Eurokurs. Überleben wird nur, wer anpassungsfähig ist. Das Hotelgeschäft allein ist zu krisenan­fällig, neue Dienstleistungen und breitere Kundenkreise könnten hier mehr Stabi­lität bieten. Ideen dazu werden bereits umgesetzt: So befindet sich die Poststelle von Kastanienbaum im Kanton Luzern an der Reception des Seehotels. Die Einheimischen gehen hier ein und aus. Oder Brigitte und Marc A. Trauffers Bretterhotel im bernischen Hofstetten ist zugleich ein Laden, eine Bäckerei, eine Beiz und so ein Treffpunkt für die Dorfbevölkerung.

Spinnen wir diesen Ansatz konsequent weiter: Einem Hotel könnten wir eine Kinderkrippe oder ein Altersheim angliedern. Es könnte eine Bankfiliale eingerichtet, ein kleines Shopping- oder ein Fitnesscenter eröffnet werden. Schon wäre der Betrieb ein Dienstleistungshub, der im ganzen Dorf abgestützt ist.

Die Hotelièren und Hoteliers haben mit Stolz und Engagement viel aufgebaut und erreicht. Das steht ausser Frage. Doch wir können nicht immer weiter das Gleiche tun; das bringt langfristig keinen Erfolg. Gefragt sind neue Geschäftsmodelle, das Verschmelzen von Alt und Neu. Nehmen wir doch das Beste von beidem!


Attraktiv für junge Talente

Der Fachkräftemangel hat die Branche fest im Griff. Während der Pandemie sind viele gute Leute abgewandert. Sicher waren ­an­­genehmere Arbeitszeiten und höhere Löhne anderswo attraktiv – aber es geht nicht nur darum. Die Branche hat es schlicht verpasst, einen Blick in die Zu­kunft zu werfen und sich der aktuellen Problematik anzunehmen. Wie machen wir die Jobs in der Hotellerie für junge Menschen wieder attraktiv?

Heute stellt die Generation Z ganz andere Anforderungen an eine Arbeitsstelle als ihre Vorgänger-Generationen. Viele von ihnen arbeiten bei einem Start-up mit, ­helfen in einem Familienunternehmen aus, übernehmen Kinderbetreuung und einen Teil des Haushaltens. Sie alle suchen nach flexiblen Arbeitsmodellen und Teilzeit­stellen. Es wird höchste Zeit, dass die Branche dazu Hand bietet, diesen Lebensstil aufnimmt, Neues ausprobiert. Die Jungen hinterfragen herkömmliche Arbeitsformen und althergebrachte Karriereschritte. Wir sollten ihnen Antworten liefern und neue Vorschläge unterbreiten können.

Branche lebt von Quereinsteigern

Unsere Welt und damit unsere Werte sind schnelllebiger geworden. Was heute gilt, ist morgen bereits überholt. Ist es da noch richtig, unser Bildungssystem allein auf die Vermittlung von Wissen zu beschränken? Würden wir den jungen Menschen nicht besser Handlungskompetenzen wie Leadership oder Sozialverantwortung mit auf den Weg geben? Die klassischen beruflichen Werdegänge sind immer seltener anzutreffen. Die Branche lebt von Quer­einsteigerinnen und Leuten, die anderswo Erfahrungen gesammelt haben. Es ist wichtig, dass zwischen den verschiedenen Systemen und Ausbildungen eine gute Durchlässigkeit besteht.


Exportgut Hotelfach-Ausbildung

Gehen wir mutig einen Schritt vorwärts: Wieso unsere Lehrstätten nicht weiterentwickeln und als Geschäftsmodell im grösseren Stil anbieten – und zwar weltweit? Eine Kooperation unter den bestehenden Hospitality-Schulen mit einem gemeinsamen Ausbildungssystem würde uns einen Schritt weiterbringen und ermöglichen, die Lehrgänge als Exportgut zu vermarkten. Mehr junge Menschen aus der ganzen Welt könnten so eine Ausbildung an un­­seren renommierten Institutionen besuchen – mal mit Präsenzunterricht in der Schweiz, mal in hybrider Form. Wichtig ist, dass wir dabei unserem guten Ruf und den grossen Qualitätsanforderungen jederzeit gerecht werden.


Mehr geben als nehmen

Vieles hat sich in den vergangenen zwei Jahren verändert oder verschoben. Doch nach und nach kehren alte Gewohnheiten zu­­rück. Das Gedränge an den Flughäfen nimmt wieder zu. Die Menschen zieht es in die Ferne – die Sehnsucht nach Reisen er­­wacht neu. Aber nicht bei allen – oder nicht bei allen gleichermassen. Gerade ein Teil der jungen Generation schwört den Flugreisen ab, befasst sich ernsthaft mit Nachhaltigkeit und verlangt nach Alternativen. Und was tun Touristikerinnen und Hote­liers? Viele haben heute nur den kurzfris­tigen Erfolg vor Augen und orientieren sich primär an der Gewinnmaximierung. Sie wollen zurück zu den Rekordzahlen von 2019. Aber ist das der richtige Weg? Einfach die Hotels, Beizen und Bergbahnen wieder vollstopfen?

Die unangenehmen Fragen stellen

Wenn wir uns ernsthaft mit einer nach­haltigen Entwicklung befassen, kommen wir um einen Grundsatz nicht herum: Wir müssen der Erde mehr geben, als wir nehmen. Das schaffen wir nur, wenn wir Denkweise und Verhalten ändern. Es darf keine Tabus geben. Wir stellen Fragen, die richtigen und auch die unangenehmen Fragen. Und zwar auf allen Stufen: im eigenen Betrieb, in der Destination, im Kanton, auf Bundesebene.

Wir müssen vorwärtsschauen und unsere Chancen in der Krise erkennen. Die Zu­kunft gehört jenen, die aktiv und dynamisch handeln und innovativ sind. Nur wenn wir andere Ansätze finden und ­frische Blickwinkel suchen, kann etwas Neues entstehen. Etwas Gutes und Fas­zinierendes, das unsere Gäste entdecken und schätzen lernen. Gemeinsam statt ­einsam! Einen solchen Effort schaffen wir, wenn wir zusammenspannen.




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