Mirakulöses Heiligtum wird Erlebniswelt sinnsuchender Gäste

Mirakulöses Heiligtum wird Erlebniswelt sinnsuchender Gäste

Herkunft braucht Zukunft – und umgekehrt. Dieser Devise verpflichtet, wandelt sich der Wallfahrtsort ­Heiligkreuz derzeit zur Erlebniswelt. Rony Bieri, Präsident der Pflegschaft und der Stiftung Heiligkreuz, zeigt, wie mit eigenen Ideen und dem Tourismus-Masterplan der UNESCO ­Biosphäre Entlebuch eine neue Zukunft für den Ort geschaffen wird. Dabei will man Sorge tragen für die persönlichen Ressourcen sinnsuchender Gäste und für die Natur. 



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arkant hängt das gros­se, eiserne Wirtshausschild an der Fas­sade über dem Eingang zum Hotel Kurhaus Heiligkreuz. Die holzschnittartige Skulptur zeigt einen Ochsen, der ein Kreuz zwischen den Hörnern trägt. Sie illustriert die Entstehungsgeschichte des schmucken Weilers auf der Geländeterrasse über dem Entlebucher Haupttal. Der Legende nach begründete im Mittelalter ein heil von einem Kreuzzug nach Jerusalem zurück­gekehrter französischer Soldat genau da den Kraftort, wo sich sein wilder Ochse nach monatelanger Reise endgültig niederlegte. Diesem hatte er ge­mäss seinem Ge­­löbnis ein Stücklein des heiligen Kreuzes Jesu auferlegt und war ihm gefolgt, um genau da eine Kapelle zu bauen. 

Sakraltourismus ist in die Jahre gekommen
Während Jahrhunderten besuchten Pilger aus Nah und Fern Heiligkreuz im Ent­le­buch, um besagte Kreuzreliquie zu ver­ehren. Diese ist eingelassen in einer Monstranz, die golden glänzend im Hochaltar der Wallfahrtskirche steht. Der Wahr­heitsgehalt der Legende und die Echtheit der Kreuzpartikel seien dahingestellt. Mit technischen Messungen hat man aber ­festgestellt, dass sich just beim Hochalter der Wallfahrtskirche zwei energetische Kraftlinien kreuzen …

Alte Urkunden berichten von 5000 bis 6000 Pilgern, die das «mirakulöse Entlebucher Landesheiligtum» an besonderen Wallfahrtstagen besuchten. Obwohl die tra­ditionelle, religiöse Wallfahrt auf Heiligkreuz nach wie vor eine gewisse Bedeutung hat und zum Beispiel mit den sogenannten Märzenfreitagen aktiv gepflegt wird, ist das Versiegen der Pilgerströme absehbar. 



Die Pflegschaft Heiligkreuz, der gemäss ihren Satzungen der ganzheitliche Erhalt des Wallfahrts- und Kraftortes anvertraut ist, schaut dieser Entwicklung proaktiv ins Auge. Überzeugt, dass Herkunft auch Zukunft braucht (und umgekehrt!), ist sie bestrebt, die Heiligkreuz-Geschichte sinngemäss und sinnvoll weiterzuschreiben. Nach dem Motto «Erhalten heisst auch Gestalten» hat sie schon vor Jahren be­­gonnen, das «Wallfahrtsangebot» ausserhalb der Kirche zu erweitern. Seelensteg, Kraftbaum, Barfusspfad und verschiedene Themenwege inmitten einer einzigartigen Naturlandschaft ziehen Sinn- und Lö­sungs­suchende der modernen Gesellschaft an. Einzelpersonen, Paare, Gruppen und Teams verbringen auf Heiligkreuz die «Zeit, die es braucht», um (sich) zu be­­geg­nen, zu er­­leben und zu entwickeln. 

Dem entsprechend ist auch der unlängst erarbeitete Tourismus-Masterplan der UN­ES­­CO Biosphäre Entlebuch ausge­­stal­tet: Er beschreibt Hasle Heiligkreuz als «Er­­leb­niswelt Kraft für Körper, Geist und Seele». In der Modellregion für Nachhaltigkeit soll nicht nur zu den Schätzen der Natur, sondern auch zu den persönlichen Ressourcen Sorge getragen werden – um sie (weiterhin) nachhaltig in Wert zu setzen. 



Refugio Heiligkreuz steht für ­innovative Zukunft
Die Umsetzung des Tourismus-Masterplans wurde mit einem Vorprojekt der Neuen Regionalpolitik (NRP) angegangen. Unterstützt mit öffentlichen NRP-Geldern identifizierten die Träger Massnahmen mit grosser Hebelwirkung. Im Fokus stehen die überbetriebliche Destinationsentwicklung, der Aufbau einer integralen Betriebsorganisation nach dem Bottom-up-Prinzip sowie die infrastrukturelle Ertüchtigung des Ortskerns. 

Das parallel dazu initiierte Projekt «Refugio Heiligkreuz» trug massgeblich zur Schärfung der Positionierung bei. Ausgehend von einem visionären Letter of Intent fanden Pflegschaft, Stiftung Pro Heiligkreuz und künftige Betreiber gemeinsam Mittel und Wege, um das denkmalgeschützte ehemalige Kapuzinerhospiz einer neuen Nutzung zuzuführen. Nach 350 Jahren Wallfahrtsseelsorge durch die Kapuziner hatte der letzte Ordensbruder Heiligkreuz vor sieben Jahren verlassen. Seither stand der Grossteil des Hauses mit zehn Gästezimmern leer. Ab Januar 2025 werden hier Gesundheitswochen nach Pfarrer Sebastian Kneipp angeboten. Dafür haben die designierten Mieter ein Netzwerk mit 35 Wegbegleitern geschaffen, deren Kursangebot auf den fünf Kneippsäulen Bewegung, Wasser, Ernährung, Kräuterkunde und Lebensbalance aufgebaut ist. Das Konzept war als eines von drei Projekten für den Schweizer Hotel Innovations-Award 2024 nominiert (https://www.youtube.com/watch?v=57_lBzwUksQ&t=1s).



Mit Pfarrer Kneipp zu Longevity
Gesegnet mit Naturschätzen und Sakralperlen passt die Positionierung als Kneipport zum geschichtsträchtigen Selbstverständnis und ist in verschiedener Hinsicht authentisch. Vieles kann aus Bestehendem entwickelt werden. Das Thema entspricht dem Zeitgeist mit dem Megatrend Longevity (Langlebigkeit) und Gesundheitsoptimierung. Pfarrer Sebastian Kneipp würde heute wohl als «Biohacker» bezeichnet.

Ins gleiche Horn bläst eine vom Besitzer des ehemaligen Ferienheims der Ordens­gemeinschaft der Ingenbohler Schwestern in Auftrag gegebene Potenzialanalyse. Unabhängig von den übrigen vor Ort laufenden Initiativen erstellt, sieht sie die besten Chancen ebenfalls in einem Angebot für die Gesundheitsprävention. Folglich wird nun ein Investor bzw. eine Betreiberin gesucht. Die Baute mit sechzig Zimmern steht seit zehn Jahren leer. Die weit gediehenen Heiligkreuz-Pläne für eine Schweizerische Kochakademie haben sich im letzten Moment ebenso zerschlagen wie ein Folgeprojekt mit dem Entlebucher Sternekoch, dem «Hexer» Stefan Wiesner. 

Dank der übereinstimmenden Konzepte und des gemeinsamen, vielversprechenden Gedankenguts wird die Geschichte des kleinen Wallfahrts- und Kraftortes Heiligkreuz weitergeschrieben. Es gilt aber, weiter zu «ochsen» und Neues zu bauen.



UNESCO Biosphäre Entlebuch 
Kaum eine andere Region der Schweiz besitzt so viele ­Naturschätze wie die UNESCO Biosphäre Entlebuch. Hier sind die grössten und zahlreichsten Moorlandschaften der Schweiz, eindrückliche Karstgebiete und eine Tier- und Pflanzenwelt von (inter)nationaler Bedeutung. Kein Wunder, wurde das Entlebuch von der UNESCO vor 20 Jahren als erstes Biosphärenreservat der Schweiz ausgezeichnet. Seither verpflichtet sich der Gemeindeverband UNESCO Biosphäre Entlebuch in verschiedenen Handlungsfeldern und Foren der Nachhaltigkeit. Insbesondere setzt die UBE auf sanften Tourismus mit natur- und klimaverträglichen Angeboten. 2011 erhob die UNESCO das Entlebuch zu einer Modell-Biosphäre für die Welt. Diese Auszeichnung wurde 2021 bestätigt. 


Rony Bieri engagiert für den Kraftort Heiligkreuz



Der ehemalige Lehrer, Redaktor des Entlebucher Anzeigers und Geschäftsführer des Entlebucher Medienhauses weiss um die Geschichte, Bedeutung und Ausstrahlungskraft des Ortes Heiligkreuz, dem Identifikationsort der Entle­bucherinnen und Entlebucher. Heute engagiert er sich als Präsident der Pflegschaft Heiligkreuz und der Stiftung Pro Heiligkreuz. Die Pflegschaft ist der Verband Entlebucher Kirch­gemeinden, der gegenüber dem Domkapitel des Bistums Basel für die Verwaltung der Heiligkreuz-Güter ­
verantwortlich ist. Nebst der Wallfahrts­kirche und dem ehemaligen Kapu­zinerhospiz (neu: Refugio Heiligkreuz) gehören das Hotel Kurhaus, das alte Pächterhaus (Ferien im Baudenkmal), die Kultur-Schür, ein Landwirtschaftsbetrieb mit Alp, die Wasserversorgung sowie rund 180 Hektaren Wald und Weiden zum altkirchlichen Verwaltungsbesitz. Heiligkreuz gehört zum Inventar der Schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS). – Die privat gegründete Stiftung Pro Heiligkreuz bezweckt die Schaffung von Kultur- und Bildungsangeboten im Entlebucher Wallfahrts- und Kraftort.

 

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