Hotel-Unternehmenswerte: SGH überprüft Bewertungsmethode für Darlehen

Die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) bewertet Kundenhotels mit der Discounted Cashflow Methode (DCF). Sie hat sich in der Praxis zur Bewertung von Hotels durch­gesetzt. Der Unternehmenswert ist eine zentrale ­Richtgrösse für die Bestimmung der Kunden­darlehen. Kurz­fristige «Inflationswellen» dürften die ­Unternehmenswerte kaum beeinflussen.


Das Bundesgesetz über die Förderung der Beherbergungswirtschaft hält in Ar­­tikel 7 fest, dass ein SGH-Darlehen zusammen mit den übrigen gleichrangigen und vorrangigen Fremdkapitalfinanzierungen den Ertragswert nicht überschreiten darf. Im Rahmen einer Studie wurde vom IFZ überprüft, ob die DCF-Methode für die SGH nach wie vor das «richtige» Bewertungsverfahren darstellt und falls ja, ob die von der SGH verwendeten Inputparameter adäquat ausgewählt sind.

Eignet sich die DCF-Methode zur Bewertung von Hotelbetrieben?

Bei Anwendung der DCF-Methode werden die zukünftig erwarteten Free Cashflows mit dem WACC diskontiert. Je vorhersehbarer und konstanter Erträge, Aufwendungen und Investitionen sind, umso einfacher ist die DCF-Methode anzuwenden. Im Vergleich zu anderen Branchen dürfen die Erträge und Aufwendungen der Hotellerie in etwa durchschnittlich anspruchsvoll zu schätzen sein. Umstände wie beispielsweise Zukäufe oder Verkäufe von Unternehmensteilen, Auslandsaktivitäten, die Versorgung mit sehr preiszyklischen Rohstoffen oder das Vorhandensein von extremen Klumpenrisiken auf der Nachfrageseite, welche die Volatilität der Erträge und Aufwendungen steigern, fehlen praktisch vollumfänglich.


Eine Herausforderung ist der Umgang mit dem hohen Anteil fixer betrieblicher Aufwendungen. Ertragsschwankungen wirken sich bei hohen Fixkosten stark überproportional auf die Gewinn- und (Free) Cashflow-Volatilität aus. Es ist daher wichtig, dass die DCF-Bewertung eine Sensi­ti­vitätsanalyse umfasst, welche die Entwick­lung des Unternehmenswerts in Abhängigkeit mehrerer Ertragsszenarien darstellt.


Wie «gut» schätzt die SGH die ­zukünftigen Free Cashflows?

Anlässlich der Studie konnten im Rahmen von DCF-Bewertungen erstellte Free Cashflow-Schätzungen mit den später ef­­fektiv realisierten Free Cashflow-Werten abgeglichen werden. Der Median der Ab­­weichung der Betriebsertragsschätzung (für das Startjahr der Residualwertperio­de) vom realisierten Wert liegt bei 9 Prozent und ist damit als positiv einzuschätzen. Der Free Cashflow wird in den SGH-Bewertungen in der Mehrheit der Fälle etwas überschätzt. Dies liegt in erster Linie jedoch nicht an einer Überschätzung der Erträge, sondern an einer Unterschätzung der Betriebsaufwendungen. In Anbetracht der Unsicherheit, mit welcher Zukunftsschätzungen verbunden sind, ist der SGH eine «gute Free Cashflow-Schätz-Fähigkeit» zu attestieren.

Wie wirkt sich ein Ereignis wie die Corona-Pandemie auf den DCF-Unternehmenswert aus?

Ein Ereignis wie die Corona-Pandemie kann je nach Hotelbetrieb zu einer deutlichen temporären Ertrags- bzw. Free Cashflow-Einbusse führen. In diesem Fall fällt der DCF-Wert. Da sich mit dem Hotel zu­­künftig weniger Cashflow verdienen lässt, ist ein Rückgang des Unternehmenswerts folgerichtig. Simulationen zeigen, dass sich der DCF-Wert pro Pandemiejahr rund 5 bis 10 Prozent reduziert, falls der Cashflow bei rund Null stabilisiert werden kann (1). Im Falle eines Cashdrains fällt der Rückgang stärker aus. Nach Überstehen der Pandemie und nachdem allfällig aufgeschobene Investitionen nachgeholt sind, steigt der DCF-Wert wieder auf das Vor-Pandemie-Niveau.

Mit rückläufigen Free Cashflows reduziert sich das Potenzial der Hotelbetriebe zur Rückzahlung von Kapital an die Finan­zierenden. Es stellt sich daher die Frage, ob die SGH auf die Unternehmenswertsenkungen mit einer Reduktion des Finan­zierungspotenzials reagieren soll. Diese Frage ist kaum pauschal zu beantworten. Entscheidend ist, ob die Kundschaft dem Schuldendienst nachkommen kann. Falls nein, können die Amortisationszahlungen zwei Jahre sistiert werden. Ob dies not­wendig ist, kann eine Tragbarkeitsanalyse zeigen (2).

Zudem ist einzuschätzen, ob das betreffende Hotel die Pandemie überstehen wird. Mit «überstehen» ist einerseits gemeint, ob das verfügbare Eigenkapital ausreicht, um die Verluste zu tragen, und andererseits, ob die flüssigen Mittel zur Aufrechterhaltung der Zahlungsbereitschaft ausreichen. Handlungsbedarf betreffend An­­passung des Unternehmenswerts besteht, falls Eigenkapital und Liquidität durch die Pandemie bedroht werden. Dies könnte bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen der Fall sein:


  • Die Pandemie dauert mehrere Jahre.
  • Das Hotel verfügt über eine geringe Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung.
  • Das Hotel verfügt über hohe Fixkosten, welche bei rückläufigen Erträgen nicht zu reduzieren sind.
  • Das Hotel weist einen Investitionsstau auf.
  • Das Hotel ist stark in «pandemieanfälligen» Geschäftsfeldern tätig.

Trennscharfe Grenzen für eine Anpassung des Unternehmenswerts sind kaum zu setzen. Womöglich könnte auch das Rating mit in die Überlegungen einbezogen werden. Je schlechter das Rating ist, umso wahrscheinlicher ist ein Nicht-Überstehen der Pandemie.

Wie hoch ist der risikogerechte Kapitalkostensatz der SGH-Kundenhotels?

Die über die letzten zehn Jahre gemessene Gewinnvolatilität von SGH-Kundenhotels ist in etwa um den Faktor 1,1 höher als die Gewinnvolatilität von Hotels bzw. vor allem Hotelketten mit börsenkotierten Aktien. Im Vergleich zu einer Peergroup von kotierten Restaurants bzw. vor allem Restaurantketten fällt die Gewinnvolatilität der SGH-Kundenhotels um den Faktor 1,9 höher aus.


Gegenüber einer Gruppe von Airlines und gegenüber den im Swiss Performance In­­dex (SPI) Subindex Industrie- und Industriedienstleistungen enthaltenen Unternehmen um den Faktor 1,3. Die höhere Gewinnvolatilität der SGH-Kundenhotels steht für ein höheres Unternehmensrisiko und begründet damit ein höheres Beta und einen höheren Eigenkapitalkostensatz. Über die erwähnten Vergleichsgruppen lässt sich für die SGH-Kundenhotels ein durchschnittlicher Eigenkapitalkostensatz von 11,4 Prozent herleiten. Zuzüglich einer vorsichtig geschätzten Prämie für kleinkapitalisierte Unternehmen resultiert ein Eigenkapitalkostensatz von 13,4 Prozent.

Die aktuelle Durchschnittsverzinsung auf den SGH-Darlehen liegt bei 1,63 Prozent (3). Der tiefe Wert hängt in erster Linie vom tiefen Zinsniveau ab. Entscheidend ist auch, dass es sich vor allem um Hypothekardarlehen mit den Immobilien als Sicherheit handelt. Die Differenz von Eigenkapitalkostensatz (ohne Grössen­prämie, 11,4 Prozent) und Fremdkapitalkostensatz ist mit fast 10 Prozent sehr hoch. Für den Schweizer Aktienmarkt weist die KPMG-Kapitalkostenstudie einen Durchschnittswert von nur 4,9 Prozent (7,7 Prozent – 2,8 Prozent) aus. Für die Hotellerie scheint der Eigenkapitalkostensatz deutlich überdurchschnittlich zu sein und der Fremdkapitalkostensatz unterdurchschnittlich. Dies liegt auch daran, dass die nachrangigen SGH-Darlehen nicht marktgerecht gepreist sind.

Private, nachrangige Darlehensplatzierungen werden in der Schweizer Hotellerie zu Zinssätzen zwischen 4 und 6 Prozent abgewickelt (4). Es ist davon auszugehen, dass die durchschnittliche Bonität der Kundschaft in diesen Fällen eher etwas besser ist als im durchschnittlichen SGH-Hotel. Es muss daher wohl von einem Satz am oberen Ende ausgegangen werden. An­genommen, die Nachrangdarlehen ha­­ben eine marktgerechte Verzinsung von 6 Prozent und die Bankfinanzierungen von 1,9 Prozent, resultiert in diesem Fall ein risikogerechter Fremdkapitalkostensatz von 3,3 Prozent bzw. von 2,8 Prozent nach Steuern (15 Prozent) (5).

Der risikogerechte Kapitalkostensatz (WACC) der SGH-Kundenhotels liegt somit bei 6 Prozent. Er basiert auf den folgenden Inputparametern: Eigenkapitalkostensatz 13,4 Prozent, Fremdkapitalkostensatz nach Steuern 2,8 Prozent, Finanzierungsverhältnis 30 Prozent, Eigenkapital, 70 Pro­­zent Fremdkapital, WACC 6 Prozent.

Haben alle Hotelunternehmen den gleichen WACC?

Mit Hilfe einer linearen Regression wurde der Einfluss von vier Risikofaktoren (Anlageintensität, Zyklizität, Operating Leverage, Financial Leverage) auf den Eigenkapitalkostensatz kotierter Hotelunternehmen geschätzt. Die Erkenntnisse wurden dann mit einem Z-Score Modell auf die SGH-Kundenhotels übertragen. Die Eigenkapitalkostensätze der SGH-Kundenhotels liegen in einer Bandbreite von 10,4 bis 16,4 Prozent. Mit dem Fremdkapitalkostensatz (nach Steuern) von 2,8 Prozent resultiert eine WACC-Bandbreite von 5,1 bis 6,9 Prozent. Abbildung 1 zeigt die Verteilung der Kapitalkostensätze über die Stichprobe der SGH-Kundenhotels.


Faktoren, welche die erwähnten Risiko­faktoren und damit die Höhe des Kapitalkostensatzes beeinflussen, sind beispielsweise: Diversifikation der Gästesegmente und Klumpenrisiken, Lage des Hotels, Anlageintensität bzw. Kapitalumschlag, Fixkostenanteil, Höhe der Verschuldung, Möglichkeiten zur Auswechslung des Betreibenden / Komplexität Hotelkonzept, Keyman-Risk, Alternative Nutzungsmöglichkeiten für die Hotelimmobilie oder Anzahl der Zimmer.


Welchen WACC verlangen Investierende beim Hotelkauf?

Insgesamt liegen für 15 Hotelkauf- bzw. -verkaufstransaktionen von der SGH er­­stellte DCF-Unternehmensbewertungen vor. Indem der Transaktionspreis durch den nachhaltig geschätzten Free Cashflow dividiert wird, resultiert der im Kaufpreis implizit enthaltene WACC. Dieser liegt für die Stichprobe in einer Bandbreite von 1,9 bis 7,4 Prozent. In der Hälfte der Fälle liegt der WACC zwischen 1,9 und 4,3 Prozent. Der Mittelwert liegt bei 4 Prozent.


Somit besteht eine Diskrepanz zwischen einerseits der theoretisch gerechtfertigten risikoadäquaten Renditeforderung und andererseits der tatsächlich von Hotel­käuferinnen und -käufern verlangten ­Renditeforderung. Entweder unterschätzt die Hotelkäuferschaft die Risiken, oder sie sind bewusst zur Inkaufnahme eines Liebhaberdiscounts bereit. Dies bedeutet, dass sie sich aus «Liebe» zum Hotelobjekt mit einer tieferen Rendite zufriedengeben. Oder anders formuliert: Sie sind bereit, einen zu hohen Preis zu bezahlen. Sie be­­zahlen eine Liebhaberprämie. Eine andere Erklärung ist, dass die Käuferschaft nicht am Hotelbetrieb interessiert ist, sondern an einer alternativen Nutzung der Hotelimmobilie.


Mit welchem WACC rechnet die SGH?

Seit 2020 rechnet die SGH mit einem WACC von 5 Prozent. Dieser Wert ergibt sich aus einem Fremdkapitalkostensatz von 4,5 Pro­­zent, einem Eigenkapitalkostensatz von 5,75 Prozent und einem Fremdfinanzierungsgrad von 70 Prozent. Somit be­­rücksichtigt die SGH die mit der Hotellerie verbundenen Risiken nicht vollumfänglich. Die Folge eines reduzierten Kapitalkostensatzes ist ein überhöhter Unternehmenswert. Vor 2020 hat die SGH mit einem WACC von 5,3 Prozent gerechnet, bis zum Jahr 2009 mit einem WACC von 6 Prozent.


Inwieweit fördert die SGH die ­Schweizer Hotellerie über einen zu ­tiefen WACC?

Angenommen, ein Hotelbetrieb erwartet zukünftig einen nachhaltigen jährlichen Free Cashflow von rund CHF 500 000. Die Bank schätzt eine Verschuldungskapazität von knapp CHF 6 Mio. und finanziert das Hotel mit einem Darlehen von CHF 5,5 Mio. Mit einem risikogerechten WACC von 6 Prozent resultiert ein DCF-Ertragswert von CHF 8,3 Mio. Der Bankkredit macht rund 65 Prozent vom Ertragswert aus. Die SGH darf ihrerseits mit nachrangigen Darlehen bis maximal zum Ertragswert finanzieren. Folglich könnte die SGH noch ein Darlehen von CHF 2,8 Mio. sprechen.

Da die SGH jedoch nur mit einem WACC von 5 Prozent rechnet, macht der Bankkredit nur 55 Prozent des SGH-Ertragswerts von CHF 10 Mio. aus. Die SGH könnte daher sogar ein Darlehen von maximal CHF 4,5 Mio. vergeben. Das Hotel kann dadurch dank des tieferen SGH-WACC von einem zusätzlichen Finanzierungspotenzial von rund CHF 1,7 Mio. profitieren. Dank des WACC von 5 Prozent (anstelle von 6 Prozent) fällt das SGH-Finanzierungs­potenzial um 60 Prozent höher aus. Das gesamte Finanzierungspotenzial (SGH und Bank) fällt 20 Prozent höher aus.


Aktuell hat die SGH Darlehen mit einem Volumen von CHF 284 Mio. ausstehend. Bei dessen Gewährung hat die SGH mit einem WACC von 5 Prozent bzw. 5,3 Prozent kalkuliert. Die Verwendung eines ­risikogerechten Kapitalkostensatzes von 6 Prozent hätte dazu geführt, dass das Finanzierungspotenzial der SGH 38 Prozent (6) geringer (im Vergleich zu WACC 5 Prozent) bzw. 29 Prozent geringer (im Vergleich zu einem WACC von 5,3 Prozent) ausgefallen wäre. Unter der Annahme ei­ner gleichbleibenden Ausnutzung des Finanzierungspotenzials hätte die SGH bei Verwendung eines WACC von 6 Pro­-zent somit rund einen Drittel bzw. rund CHF 100 Mio. weniger Darlehen vergeben können (7).


Welchen Einfluss hat eine zuneh­mende Inflation auf die Bewertung von Hotels?

Die DCF-Methode kann entweder auf ­realen oder nominalen Werten basieren. Wichtig ist, dass sowohl der WACC als auch die Free Cashflows entweder beide real oder beide nominal festgelegt sind. Die SGH verwendet nominale Free Cashflows und einen nominalen WACC. Grundsätzlich ist die DCF-Methode in der be­­stehenden Form daher auch bei steigender Inflation anwendbar.


Eine steigende Inflation kann die Unternehmenswerte negativ beeinflussen. Dies ist einerseits der Fall, wenn steigende Preise für Waren, Investitionen oder Energie sowie zunehmende Löhne nicht über höhere Preise an die Kundschaft weiter­gegeben werden können. In diesem Fall sinken Free Cashflows und damit der Unternehmenswert. Andererseits ist der WACC bei steigender Inflation zu überprüfen. Ein WACC von 5 Prozent impliziert, dass die Investierenden auf dem in die Hotellerie investierten Kapital eine Rendite von 5 Prozent verlangen. Im Nullin­flationsumfeld der letzten Jahre geben die 5 Prozent sowohl die nominale als auch die reale Renditeerwartung wieder.


Angenommen, die Inflationsrate würde nachhaltig 3 Prozent betragen. Bei unverändertem WACC resultiert dann «nur» noch eine reale Renditeerwartung von 1,9 Prozent. Falls dieser Wert nicht den Erwartungen an eine risikogerechte Rendite entspricht, müsste der nominale WACC erhöht werden. Eine Erhöhung des WACC sollte jedoch nur dann erfolgen, wenn die Inflation langfristig auf hohem Niveau bleibt. Rund 70 bis 80 Prozent des Unternehmenswerts sind durch den Re­si­dualwert und damit durch die Free Cashflows ab dem fünften Planjahr begründet. Kurzfristige «Inflationswellen» dürften daher nicht zu einer Anpassung der Unternehmenswerte führen.


Führt die Inflation zu steigenden Zinsen kann auch die Tragbarkeit der verzinslichen Schulden beeinflusst werden. Es gilt jedoch zu berücksichtigen, dass die SGH mit einem kalkulatorischen Fremdkapitalzinssatz von 4,5 Prozent rechnet und die Banken mit eher noch höheren Werten. Zumindest «moderat» steigende Zinsen dürften daher grundsätzlich keinen Einfluss auf die Tragbarkeit aufweisen.



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